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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.12.1857
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1857-12-09
- Erscheinungsdatum
- 09.12.1857
- Sprache
- Deutsch
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- LDP: Zeitungen
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terei, nicht aber die deutsche »Künstler, nicht die deutsche Kunst, nicht Deutschland. Diese urtheilen über die Sache ganz anders als der Statisti ker, der, abgesehen von seiner individuellen Ansicht, nur die vor handenen Zahlen zusammenstellt, unbekümmert darüber, zu wessen Gunsten oder Nachtheil das plus oder minus herauskömmt; aber nicht so derwahreStaatsökonom, und der wahrePatr iot, und jeder rechtlich Denkende. Diese urtheilen folgendermaßen: Freilich gilt in der Fabrication ein Princip ähnlich dem in der Mechanik: mit den geringsten Mitteln den größten Effect zu er reichen, also: mit dem wenigsten Geld die beste Waare zu erhalten, und diese wieder mit den geringsten Kosten zu vervielfältigen. Nun bekommt man die beste Waare am wohlfeilsten, wenn man sic denen nimmt, welchen sie von Rechtswegen gehört, ohne ihnen einen Ersatz dafür zu geben. Wie man dies Verfahren zu bezeichnen pflegt, brauche ich nicht zu sagen, und ebensowenig, daß Stehlen nicht Handelt reiben heißt. Daß aber in Frankreich, England und gottlob jetzt auch in Deutschland das Kunstwerk und dessen Vervielsältigungsrecht dem Künstler, der es hervorgebracht, oder demjenigen gehört, der dies Ver vielfältigungsrecht vom Künstler erworben hat, und sonst keinem andern , ist bekannt. Aus welchen moralischen Gründen verliert aber in civjlisirten Staaten der rechtmäßige Eigenthümer einer Sache sein Anrecht auf dieselbe, sobald er mit oder ohne dieselbe auf fremden, zumal deut schen Boden Übertritt? Wir kennen keine, wohl aber kennen wir die sogenannten Entschuldigungsgründe der Fabrikanten in jener! Branche, die da sagen: Ei, wollen die Franzosen geschützt sein vor! Nachbildung in Deutschland, so sollen sie ihre Produkte nicht dahin verkaufen! Also ungefähr: wer vor Taschendieben sicher sein will, soll nicht auf der Eisenbahn fahren, oder ins Theater gehen, es sei denn, er lasse Uhr, Geld und Taschentuch zu Hause! Wenn das die Folgen des Fortschritts sind, so sind wir ja auch dem Ende dessel ben ganz nahe, nämlich den ersten kalifornischen Zuständen! Der Vortheil bei dem jetzigen Zustande ist also nur sn den Händen der umsonst kaufenden Fabrikanten, die sich dagegen bemühen zu beweisen , daß ganz Deutschland durch die niedrigeren Verkaufspreise, die hierdurch ermöglicht werden, gewinnt, sowie daß Hunderte von Händen Beschäftigung fänden, die sonst feiern müßten. In Entgegnung der ersten Behauptung ist zwar nicht zu läug- nen, daß man nichtbezahlte Waare wohlfeiler verkaufen kann als bezahlte, aber wenn die so errungene Wohlfeilheit eine Wohlthat für Deutschland ist, warum vertreibt man dann nicht alle rechtlichen Handelsfirmen, die sich für ihre gute Waare gut bezahlen lassen, und ersetzt dieselben durch Contrebandisten und Umsonstkäufer? Das Leben in Deutschland könnte ja dann nur halb so theuer sein! — Imbesnt! Was aber die Arbeiter betrifft, welche ohne diese Fabriksmoral feiern würden, so werde ich sogleich Gelegenheit haben , das Gegen- theil zu beweisen, nachdem ich die Nachtheile gezeigt , die für eine Classe der Bevölkerung aus dem Status quo entspringen. Diese Nachtheile sind folgende: Fortwährende Brodlosigkeit oder wenigstens kümmerliche Exi stenz der meisten derjenigen deutschen Künstler, die in den selben Branchen arbeiten , aus welchen die französischen Produkte hier nachgemacht werden. Beweis: Daß es keinem Nachformcr einfallcn wird, einem deutschen Künstler einen gebührenden Preis für ein Modell zu zah len, das er ganz fertig, schon ciselirt und für den Verkauf in jeder Hinsicht schon zugerichtet, umsonst, d. h. für wenige Franken, er halten kann, braucht nicht erst bewiesen zu werden; woraus aber leiderfolgt, daß diejenigen Landsleute, dieAehnliches oder Gleiches zu machen verständen, die aber für ihre Modelle bezahlt werden müßten, ohne alle Beschäftigung bleiben, oder am Ende ein fremdes Fach ergreifen müssen. Brodlosigkeit oder Verkümmerung derer, die ihr er lerntes Fach nicht mehr mit einem nicht erlernten vertauschen können, ist also einer der Nachtheile, und die Zahl dieser Art von Kunsttrei benden ist nicht so gering als man glauben sollte. Obenan stehen die Erfinder der Modelle jeglicher Art, also die Künstler. Diese sehen ihre vaterländischen Ideen von französischen, also fremdländifchen verdrängt, und den deutschen Geschmack der Bevölkerung allmählig in einen französischen verwandelt. Klagt der deutsche Künstler aber deßhalb dem Fabbicanten sein Leid, so erwiedert derselbe: Ei lieber Freund, machen Sie Ihre Sachen so gut wie die Franzosen, und wir werden Ihre deutschen Modelle lieber kaufen als die der Franzosen, denn wir sind ja Deutsche! Aber leider ist diese Vertröstung nur eine leere Redensart, denn wie sollte der Fabrikant .auf die unpraktische Idee kommen, ein deutsch es Modell zu zahlen, während er ein franzö fisch cs sich ohne B ezahlung aneignen kann; also llnslitor: Verkümmern» g der deutschen industriellen Künstler,.. ...... Wo sollen unter solchen Verhältnissen aber die deutschen Ciseleure Herkommen, welche die deutschen Modelle, wenn ja einmal eines oder das andere zu machen ist, ausfühcen? die Eiseleure, die in der heutigen Erzindustrie eine so bedeutende Rolle spielen, und die in Frankreich und England eine solche Ausbildung und Geschick lichkeit erlangt haben , daß sie nichts mehr zu wünschen übrig lassem Vergleicht man unsere deutfchen Modelleure und Ciseleure dagegen, so muß man mit Scham gestehen , daß Deutschland, dieses Land, das bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts allen andern Kunstlandern in dieser Hinsichr nicht allein gleichgestanden, sondern sie in vielen Punkten übertroffen hatte, jetzt weit hinter den Eng ländern und Franzosen zurücksteht. Das Wenige , was wir durch noch Gutes herangezogen haben und besitzen, verdanken wir lediglich den königlichen Anstalten in München und Berlin, aber wenig den nationalen unabhängigen Privatkunststätten. Vergleicht man obenein die enormen Preise, welche die franzö sischenModelloure u. Eiseleure erhalten, wobei ihre Principale sich noch vortrefflich stehen, .mit dem elenden Zustand der meisten inländischen, und dettkt dabei zurück an den frühern Wohl stand dieser Elasse von Arbeitern in Deutschland, so muß man von ächt patriotischem Schmerz erfüllt werden, daß es eisier getingen AM zahl von Umsonstkäufern gelungen, durch ihre sträflichen Nachform ungen schon cisclirter ausländischer Kunstgegenstände eine einheimi sche Industrie so gänzlich zu Grunde zu richten, denn nur Former und Monteure werden durch jene Fabrikanten gebildet, keine Ei- scleure, denn die nothdücfkige Verpuhung der nachgegossencn Ge genstände bedarf keiner besonders geschickten Arbeiter mehr, da ohne hin die Wohlfeilheit der nachgeformten Artikel keine artistische Vol lendung zuläßt, noch das Publicum dieselbe fordert. Alle diese Un terdrückten und unentwickelten vaterländischen Kräfte in dem einzigen Kunstzweig, dessen ich hier erwähnt habe, find nun auf Ko sten vieler Individuen dem Voctheil weniger industriellen Unter nehmer geopfert, die nur ihre Baulichkeiten an den Boden fesseln, auf dem sie bis jetzt prosperirt, die aber eben so leicht ihre ganzen Etablissements von Ost nach West wie von Süd nach Nord verlegen würden, wenn die Fabrikyortheile es erheischten, während jene Nach theile noch lange an dem Landestheil haften bleiben, den fie be troffen hatten. Keineswegs ist man dagegen blind gegen die Vortheile, die für gewisse Classen der Bevölkerung aus jeder merkantilen Industrie fließen, die aber auch nach dem erfolgten Abschluß des Internationa-
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