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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.04.1929
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- 1929-04-20
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- 20.04.1929
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91, 20. April 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. i. Dtlch». Buchhandel. der Lohn- und Gehaltstarife zu verzeichnen. Noch immer haben die Gewerkschaften nicht mit ihrer Auffassung ge brochen, daß der zeitliche Ablauf eines Lohntarifes unter allen Umständen zur Erhöhung des bisherigen Lohnniveaus benutzt werden muß. Immer noch wirkt diese Vorstellung weitestgehend nach, wenn auch eine so allgemeine Lohnwelle, wie wir sie in den Vorjahren erlebt haben, im letzten Berichtsjahre nicht zu ver zeichnen gewesen, sondern doch eine ganze Reihe von Tarif verträgen im wesentlichen unverändert verlängert worden ist. In allen einsichtigen Kreisen ist man sich Wohl heute darüber klar, daß das jetzige System der Lohnregelung alles andere als ideal ist, und man kann häufig feststellen, daß die Tarifparteien beider seits mit einem starken Unlustgefühl sich an den Verhandlungs tisch setzen. Mau weiß beiderseits, daß die wirtschaftlichen Ver hältnisse wahrhaftig nicht dazu angetan sind, eine Steigerung der Lebenshaltung herbeizuführen, weil es an dem dafür notwen digen Überschuß unseres Volkseinkommens fehlt. Trotzdem fühlen die Vertreter der Arbeitnehmerschaft das Bedürfnis, sich in der bisherigen Weise zu betätigen, nicht zuletzt vermutlich aus dem Ohnmachtsgefühl heraus, mit welchem heute Arbeitgeber wie Arbeitnehmer dem Gange der unser Wirtschaftsleben bestimmen den außenpolitischen Ereignisse gcgenüberstehen. Desto stärker sucht man dafür dem sozialen Gegenspieler gegenüber aufzu- trumpfcn, ohne es damit allzu ernst zu meinen. Es ist ja leider eine allgemein menschliche Erscheinung, daß in kritischen Lagen vielfach kein Zusammenschluß der davon Betroffenen erfolgt, sondern im Gegenteil eine Verschärfung der vorhandenen Gegensätze. Dies gilt für Gescllschaftsverhältnisse bei Unter nehmungen, die keinen ausreichenden Ertrag mehr abwerfen, und das gilt vielfach auch für das Verhältnis der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenigstens soweit es sich um Verhandlungen von Organisation zu Organisation handelt. Immerhin ist bemerkens wert, daß doch auch Versuche gemacht worden sind, die ausge tretenen Geleise zu verlassen und fruchtbare Verhandlungs- Methoden zu finden. So war es eine bemerkenswerte Anregung im Eisenkonflikt — die leider durch den Schiedsspruch Severings wieder unter den Tisch gefallen zu sein scheint —, daß man rechtzeitig vor Ablauf eines Tarifvertrages durch Besprechun gen der führenden Persönlichkeiten auf Arbeitgeber- und Ar- bcitnehmerscite die jeweilige wirtschaftliche Situation des be treffenden Industriezweiges mit bindender Wirkung für die Tarifpartcicn feststellcn wollte, um damit für die Verhand lungen sowohl hinsichtlich der Gewerkschaftsforderungen wie der Stellungnahme der Unternehmer eine brauchbare Grund lage zu schaffen und endlich einmal aus dem Stadium der mehr oder minder unbewiesenen Behauptungen hcrauszu- kommen. Erfolgreich war ferner die Schaffung eines zentralen Tarifschiedsgerichts in der Textilindustrie außerhalb des amt lichen Schlichtungsverfahrens, durch dessen verbindlichen Spruch die zahlreichen Lohnstrcitigkeiten im Textilgcwerbe mit einem Schlag ihre Erledigung fanden. Dies sind immerhin er freuliche Symptome dafür, daß trotz aller Schwierigkeiten noch Initiative vorhanden ist, um nutzlose Kämpfe und Kraftvergeu dung möglichst einzuschränken. Daß sich dafür das amtliche Schlichtungsverfahren vielfach nicht als geeignetes In strument erwiesen hat, darüber sind sich heute Arbeitgeber wie Ar beitnehmer einig. Die Reformvorschläge sind bereits Legion; leider aber hat man im Parlament für die Verwirklichung dieser Pläne noch keine Zeit gehabt. Der Hauptmangel, der den dem Reichs arbeitsministerium unterstellten Schlichtungsbehörden anhaftet, ist ihre Gebundenheit an die Weisungen des Ministeriums, sodaß die Selbstverantwortlichkeit, die allein die Tätigkeit von Persön lichkeiten ermöglicht, die die notwendige Unabhängigkeit und da durch das beiderseitige Vertrauen besitzen, stark eingeschränkt ist. Vor allem aber hat man dadurch den Parteien die Verantwor tung für ihre Handlungsweise abgenommen, zumal da es weder für dis eine noch für die andere Seite als beschämend gilt, wenn z. B. ein einstimmiger Schiedsspruch eine Feststellung trifft, die wesentlich unter den Forderungen der Arbeitnehmerseite oder wesentlich über dem Angebot der Arbeitgeber liegt. Gerade das tarifliche und lohnpolitischc Gebiet ist nicht nur seinem Inhalte nach, sondern auch bezüglich der dabei zu beobachtenden Verhand lungsmethoden weit davon entfernt, in moralischer oder ethischer Beziehung vorbildlich zu sein. Das Verantwortlichkcitsgefühl der Parteien muß deshalb gerade hier ganz besonders gestärkt wer den, und daß dies bei dem jetzigen System nicht der Fall ist, muß schon aus psychologischen Gründen als einer der Hauptmängel des bestehenden Systems bezeichnet werden. Die lohnpolitische Lage im Buchhandel, dessen schwierige wirtschaftliche Verhältnisse bereits geschildert wur den, drückt sich in folgenden Ziffern aus: Die Gehälter im Buch handel Bayerns wurden mit Wirkung vom 1. März 1928 um 5?? erhöht. Ein von der linken Seite der Angestelltengewerk schaften gestellter Antrag, ab 1. Februar 1929 eine Erhöhung von ISA zu bewilligen, wurde zurückgezogen. Im Berliner Buch handel wurde durch Schiedsspruch mit Wirkung vom 1. April 1928 für die Angestellten eine Steigerung von 6—8?? erreicht; inzwischen sind neue Forderungen in Höhe von 19—15?? gestellt worden. Für dis Markthelfer im Berliner Buchhandel wurde ein Staffeltarif durchgcsctzt, der vom 1. April 1928 eine Er höhung der Löhne um 6??, ab 1. Oktober 1928 an Stelle der 6?? eine Steigerung der alten Tariflöhne um 8^ brachte. Jetzt liegen bereits neue Forderungen vor, die 10?? betragen. Für die Ortsgruppe Halle erhöhten sich mit Wirkung vom 1. April 1928 die Angestelltengehälter um rund 8??. Vom 1. April 1929 folgte eine weitere Erhöhung um 4??. Im Buchhandel Leipzigs erhöhten sich die Angestelltengshälter für Verlag und Sortiment ab 1. April, für den Zwifchcnbuchhandel ab I. Mai 1928 um 6,5^. Mit Ablauf dieses Tarifs (31. März 1929) haben die An gestelltenverbände neue Forderungen gestellt, sie verlangen 8 bis 10?? Erhöhung. Die Erhöhung des Lohntarifs für die Markt- Helfer betrug ab 23. Juli 1928 6??. Dis neuerdings eingcrcichten Forderungen betragen 10^. Die Ortsgruppe Magdeburg zahlte den Angestellten ab 1. April 1928 8—10?? mehr. Auch im Hamburger Buchhandel erhöhten sich die Angestellten gehälter mit Wirkung vom 1. März 1928 durchschnittlich um 10??. In Stuttgart stiegen die Gehälter ab 1. April 1928 um rund 7??, die Markthelferlöhne wurden mit Wirkung vom 30. April 1928 um 6N heraufgesetzt. Die sozialpolitischeGefetzgebunghat zwar nicht mehr eine derartige Überproduktion aufzuweisen wie in früheren Jahren, aber immerhin sind auch im Berichtsjahre eine Reihe beachtlicher Änderungen erfolgt, die nicht ohne Einfluß auf die Kosten unserer Sozialpolitik geblieben sind. So wurde u. a. die Versicherungspflichtgrcnze für die Angestell tenversicherung mit Wirkung vom 1. September 1928 auf 8400 Mk. Jahrcsarbeitsvcrdicnst erhöht, was sich selbstver ständlich auch auf die Arbeitslosenversicherung und außerdem auch noch hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkcit gehobener Ange stellter mit Rücksicht auf die Arbcitszcitbestimmungen auswirken mußte. Ferner erfuhr die Kurzarbeiter-Unter stützung eine endgültige Regelung mit Wirkung vom 18. No vember 1928. Zum Nachteil der Gläubiger von Arbeitnehmern wurde das pfändungsfreie Lohne inkommen ab 1. April 1928 erhöht. Andererseits wurde der steuerfreie Einkom- menstcil ab l. Oktober 1928 hcraufgcsctzt. Überall mithin das Bestreben, die Lage der Arbeitnehmerschaft auf Kosten anderer Berufsgrnppcn zu verbessern; denn letzten Endes müssen alle sozialen Leistungen aus Steuermitteln aufgebracht werden, und je weniger daran die Arbeitnehmer beteiligt sind, desto mehr müssen die selbständigen Gewerbetreibenden belastet werden. Bei der Zusammensetzung unserer Parlamente ist aber in absehbarer Zeit nicht auf eine wesentliche Besserung dieser Verhältnisse zu rechnen, im Gegenteil sind im Reichsarbeitsministerium aller dings schon seit langem bearbeitete, aber nunmehr anscheinend zum Gesetz reifende Entwürfe in Bearbeitung, wie namentlich das Arbeitsschutzgesetz, das Berufsau sbildungsge- s e tz, das Tarifvertragsgesetz und das Arbeitsver- tragsgesetz. Gewiß sind in diesen Entwürfen manche guten Gedanken und auch Verbesserungen des jetzigen Zustandes ent halten; aber grundsätzlich wird man doch die Frage aufwerfen müssen, dieSavignyim zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahr hunderts schon gestellt hat, ob tatsächlich unsere Zeit unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen dazu berufen ist, 436
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