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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.01.1880
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1880-01-14
- Erscheinungsdatum
- 14.01.1880
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- Deutsch
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Möglich also, daß, wie so vieles in seinen „Römischen Elegien" auf Stellen aus Ovid, Catull, Tibull, Properz zurückgeht, auch dieses Gedicht aus der Tibull-Stelle gleichsam herausgesponnen ist. Doch wäre auch denkbar, daß die Tibull-Verse sich nachträglich erst hinzu gefunden hätten. Auf keinen Fall ist das Gedicht als „Gelegenheits gedicht" in dem bekannten Goethe'schen Sinne aufzufassen; es ist, mit Lessing's Patriarchen zu reden, bloß „eine Hypothes', ein Spiel des Witzes, ein Problema". Riemer sagt: die Elegie „ist zur Zeit noch secretirt geblieben und möge es noch lange bleiben, da die guten Deutschen keinen Spaß verstehen und alles gleich für baaren Ernst nehmen, was auch nur ein Imsus in§suii ist". Obgleich das Gedicht die größte Verwandtschaft mit den „Römischen Elegien" hat, die es allerdings in einem Punkte weit hinter sich läßt, so kann doch über seine wesentlich spätere Entstehung kein Zweifel sein; trotz allen Zaubers der Sprache erinnert mehr als eine Stelle an die seltsam nachlässigen und nebulistischen Satzconstructionen der Teplitzer Balladen (Die wandelnde Glocke, Der getreue Eckart, Der Todten- tanz). Außer Riemer kannte auch Eckermann das Gedicht. Das Ge spräch, das er mit Goethe darüber geführt hat, ist in mehrfacher Hinsicht zu wichtig, als daß wir es hier nicht vollständig mittheilen sollten. Eckermann schreibt unterm 25. Februar 1824: „Goethe zeigte mir heute zwei recht merkwürdige Gedichte, beide in hohem Grade sittlich in ihrer Tendenz, in einzelnen Motiven jedoch so ohne allen Rückhalt natürlich und wahr, daß die Welt dergleichen unsittlich zu nennen Pflegt, weshalb er sie denn auch geheim hielt und an eine öffentliche Mittheilung nicht dachte. .Könnten Geist und höhere Bildung', sagte er, ,ein Gemeingut werden, so hätte der Dichter ein gutes Spiel, er könnte immer durchaus wahr sein und brauchte sich nicht zu schämen, das Beste zu sagen. So aber muß er sich immer in einem gewissen Niveau halten; er hat zu bedenken, daß seine Werke in die Hände einer gemischten Welt kommen, und er hat daher Ursache sich in Acht zu nehmen, daß er der Mehrzahl guter Menschen durch eine zu große Offenheit kein Aergerniß gebe. Und dann ist die Zeit ein wunderlich Ding. Sie ist ein Tyrann, der seine Launen hat, und die zu dem, was Einer sagt und thut, in jedem Jahrhundert ein ander Gesicht macht. Was den alten Griechen zu sagen erlaubt war, will uns zu sagen nicht mehr anstehen, und was Shakespeare's kräftigen Mitmenschen durchaus anmuthete, kann der Engländer von 1820 nicht mehr ver tragen, so daß in der neuesten Zeit ein b'ainil^-Kbalcosxsarö ein gefühltes Bedürfniß wird.' Auch liegt sehr vieles in der Form, fügte ich hinzu. Das eine jener beiden Gedichte, in dem Ton und Versmaß der Alten, hat weit weniger Zurückstoßendes ... Das andere Gedicht dagegen, in dem Ton und der Versart von Meister Ariost, ist weit verfänglicher. Es behandelt ein Abenteuer von heute, und, indem es dadurch ohne alle Umhüllung ganz in unsere Gegen wart hereintritt, erscheinen die einzelnen Kühnheiten bei weitem verwegner. ,Sie haben Recht', sagte Goethe, ,es liegen in den ver schiedenen poetischen Formen geheimnißvoll große Wirkungen. Wenn man den Inhalt meiner Römischen Elegien in den Ton und die Versart von Byron's Don Juan übertragen wollte, so müßte sich das Gesagte ganz verrucht ausnehmen.'" Eckermann hat vollständig Recht: Das Gedicht ist „in hohem Grade sittlich in seiner Tendenz". Auch Riemer hebt dies aus drücklich hervor. Aber der wievielte von den tausend Lesern, denen es jetzt in die Hände kommen wird, wird darnach fragen? Die große Masse hält sich an die dargestellte Scene, und diese überbietet an echt antiker Freiheit und Unbefangenheit der Aussprache das Kühnste derart, was Goethe in seinen „Römischen Elegien" ge schrieben. Zwar hat der Dichter einen Adel, einen Ernst, eine Hoheit darüber ausgebreitet, die jede niedere Regung fernhalten müßten. Nicht Lupanariendunst, sondern der kräftige Frühlings hauch des homerischen tk^>ö§ scheint aus der Dichtung uns entgegenzuwehen, und alle verwegene Blöße des Gedankens hüllen die unvergleichlich schönen Strophen in ihre breiten, prächtigen Falten ein. Aber der wievielte von Tausenden, fragen wir aber mals, ist befähigt, mit solch lauterem ästhetischen Behagen die Dichtung hinzunehmen? Von dem Geiste elastischer Bildung durch drungen zu sein, das wäre die mindeste Forderung, die Der erfüllen müßte, der dies Gedicht den Intentionen des Dichters gemäß auf fassen und genießen wollte. Aber wie viele selbst von Denen, die durch unsre Gymnasien und Universitäten gelaufen, werden dem Gedichte ohne alle banausische Gesinnung gegenüberstehen und wirk lich noch etwas mehr darin finden als die baare Cvchonnerie? Das aber eben ist das Aergerniß bei diesen Separat-Publicationen, daß offenbar auf die große Majorität der Leser von der letzten Sorte dabei speculirt ist. Oder glauben etwa die Herausgeber, daß „Geist und höhere Bildung" jetzt in höherem Grade „Gemeingut", daß die Welt heute weniger „gemischt" sei als 1824, wo Goethe seine ernsten Bedenken gegen die Verbreitung der Dichtung äußerte? Dem Reinen ist ja alles rein, aber dem Gemeinen ist auch alles gemein. Goethe's Gedicht glänzt so rein wie der Thautropfen. Aber wie der Thautropfen „im Schmutze selbst zu Schmutz wird", wie aus dem Becher Edles und Gemeines sprudelt, „nach dem eignen Werth des Zechers", so wird auch dies Gedicht gemein, sowie es in gemeine Hände kommt. Und dafür haben die jetzigen Heraus geber redlich gesorgt. Sie haben durch ihre unfeine Speculation, durch die Veranstaltung ihrer höchst unerwünschten Separatausgaben, eines der herrlichsten Goethe'schen Gedichte herabgewürdigt auf die Stufe der Weinstuben- und Commisvoyageur- Literatur, auf die Stufe jener „Picantissima", die sich Woche für Woche in den Spalten des Beiblattes zum Kladderadatsch Herum treiben. Sie haben die Dichtung in die Hände von Leuten gespielt, die ein Schiller'sches Drama nicht von einem Goethe'schen zu unterscheiden wissen, und für die nun dies Gedicht, in der erbärm lichen Auffassung, deren sie fähig sind, den Inbegriff von Goethe bilden wird. Das ist, wie das französische Paradoxon sagt, nicht bloß ein Vergehen gegen die Sittlichkeit, es ist sogar eine Sünde wider den guten Geschmack, es ist ein Frevel an Goethe.« Miseellrn. Die königl. L. M.-Universität in München hat eine Bekannt machung erlassen, daß ihr 3000 Mark überwiesen seien, um die selben als Preis für die bis zum 1. Januar 1883 an sie einzu sendende beste Geschichte der deutschen Holzschneidekunst von der ältesten bis zur neuesten Zeit auszuschreiben. Die näheren Bedingungen sind gratis von der genannten Stelle zu beziehen. Aus dem Reichs-Postwesen. — Nach einer Bescheidung des kaiserl. General-Postamts vom 22. Dec. sind die mit dem soge nannten Hektographen oder mittelst eines ähnlichen, zur Be förderung gegen die ermäßigte Taxe nicht berechtigenden Verfahrens hergestellten Schriftstücke, sofern sich aus ihrer Verpackung, Fran- kirung rc. entnehmen läßt, daß der Absender sie als Drucksachen hat angesehen wissen wollen, als vorschriftswidrig beschaffene Druck sachen zu behandeln. Derartige Sendungen sollen daher nicht ab gesandt, sondern chem Absender, wenn derselbe bekannt ist, wieder zugestellt werden. Personalnachrichten. Herr Hans Holthoff in Oehringen ist von dem Fürsten von Hohenlohe-Oehringen zum „Hofbuchhändler" ernannt worden.
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