Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.02.1880
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- 1880-02-16
- Erscheinungsdatum
- 16.02.1880
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Theil. Buchdrucker und Reformatoren. Von G. Rettig.*) Es ist uns von verschiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen worden, den kulturhistorischen Hintergrund schärfer beleuchtet zu sehen, aus dem wir das Bild von den Anfängen der Buchdruckerkunst in der Schweiz (Börsenblatt 1878, Nr. 71 u. f.) entworfen haben. Wir kommen dieser Aufforderung um so lieber nach, als die Wechsel wirkung zwischen Buchdruckerkunst und Cultur in jener Zeit am lebhaftesten war und zu den tiefsten Quellen der menschlichen Sitte und Sittlichkeit führt, in jener Zeit, wo Sittlichkeit und Religion untrennbare Begriffe waren und die seit Christi Zeiten größte Um wälzung aller Lebensanschauungen, die Reformation, ins Leben riefen. Es kann wohl für den Forscher nichts Fesselnderes geben, als den mächtigsten Hebel dieser Bewegung in seiner Thätigkeit zu beobachten und dabei zu sehen, wie er hinwieder von den Resultaten seiner Thätigkeit beeinflußt wird und den Stempel derselben an sich trägt. Wir dürfen wohl den Satz aufstellen: Ohne Buchdruckerkunst keine Reformation, ohne Reformation mindestens eine Stagnation der Buchdruckerkunst. Möchte es uns gelingen, den Beweis dafür so zu leisten, daß auch die Leser unsere Begeisterung für den Gegen stand Mitempfinden! Ohne Buchdruckerkunst keine Reformation! Ist damit nicht zu viel gesagt? Wie hängt die Buchdruckerkunst mit Luther's 95 Thesen, mit der Verbrennung der Bannbulle, mit dem Reichstag in Worms zusammen? Was hat sie mit Zwingli's Predigten wider den Ablaß zu thun? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir bis an die Wiege der Buchdruckerkunst zurückgehen und ihre Entwickelung, ihr Wachsthum beobachten, bis sie so weit erstarkt und vervollkommnet ist, um das auserwählte Rüstzeug der Reformation zu werden. Ihre Entstehung verdankt sie dem Bedürfniß, die am häufigsten gebrauchten Bücher schneller und wohlfeiler zu vervielfältigen, als es auf dem Wege des Abschreibens möglich war. Nach den gewöhnlichen Darstellungen sollte man glauben, mit der Erfindung der Buchstaben, d.h.derbeweglichenLettern, seien alle Schwierigkeiten beseitigt gewesen, und werheuteeine Druckerei besucht und sieht, daß die eine Seite des Bogens immer auf einmal bedruckt wird, mag sie nun 2, 4, 8, 12 oder mehr Blattseiten enthalten, der denkt kaum daran, daß es je anders gewesen sein könne. Und doch ist es höchst wahrscheinlich, daß man anfangs Blattseite um Blatt seite druckte; wenigstens steht fest, daß noch 30 Jahre nach Erfindung des Drucks mit beweglichen Typen nur 2 Blattseiten mit einander gedruckt werden konnten.**) Nun stelle man sich vor, wie mühselig es war, den Bogen so oft zu wenden, welche Aufmerksamkeit dazu gehörte, ihn so unter die Presse zu bringen, daß die Blattseiten richtig auf einander folgten! Und es verging mehr als ein Vierteljahrhundert, bevor man die Controle einer richtigen Blattfolge erfand. Das erste, noch 1475 wenig bekannte Hilfsmittel waren die Custoden oder Reclamen, die die Uebereinstimmung des Textschlusses einer Seiw mit dem Text anfang der folgenden constatirten (erst etwa seit Anfang des neun zehnten Jahrhunderts verschmäht die Buchdruckerkunst diesen Noth- behelf), dann, allgemeiner seit 1488, fügte man die Signaturen zur *) Mit gefälliger Erlaubniß des Herrn Verfassers aus dem „Berner Taschenbuch sür 1880" abgedruckt. **) Für den Fachkundigen geht dies aus zwei alten Büchern un zweifelhaft hervor, nämlich aus Is-oobi äs Otuea. truotutus äs uppuri- tiouibue nuimurum, Burgdors 1475, und ^.närsus iruetatus äs loissu, Wahrscheinlich Beromünster 1473. Bezeichnung der Bogen und ihrer einzelnen Lagen hinzu; aber erst gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts kommen sporadisch Blatt zahlen, noch viel später Seitenzahlen vor, die sich erst seit etwa 1530 mehr und mehr einbürgern. Bis zur Erfindung der Custoden be half man sich zuweilen mit einem Verzeichniß der Anfangsworte jedes Blattes. Es liegt wohl auf der Hand, wie zeitraubend diese Controle auch für den gewandtesten Drucker war. In dieser Bezie hung waren die Buchdrucker sehr vorsichtig; ebenso mit der Wahl des Papiers und der Herstellung der Schwärze, sonst hätten nicht verhältnißmäßig viele Jncunabeln dem Zahn der Zeit und nament lich den Kriegsverwüstungen zu widerstehen vermocht. Diese weni gen Züge mögen ausreichen zu einem Bild von den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bis das Buch fertig dalag. Vielleicht noch umständlicher war der Verkauf. Befand sich die Druckerei in einer volkreichen, belebten Stadt, so mochten Wohl schon dort und in der Nachbarschaft einige Exemplare des neuen Buches Absatz finden, aber für den größten Theil der Auflage stand der heute gebräuchliche Weg noch nicht offen, daß die Verleger ihre Geschäftsfreunde in aller Welt so reichlich mit literarischen Neuig keiten versehen, daß jede Woche eine starke Wagenladung Bücher ballen nach der Schweiz wandert. Es gab kein anderes Mittel zum Absatz der Bücher in weiteren Kreisen, als sie zur Messe nach Frank furt, später auch nach Leipzig mitzunehmen, wo such die „Buch führer" hinkamen und in angemessener Anzahl gegen baar kauften oder eintauschten, wovon sie sich Gewinn versprachen. Damit zu Hause angekommen, machten sie nicht etwa die jetzt üblichen Ansicht sendungen, sondern legten in einem kleinen Gewölbe ihre Neuig keiten aus oder fuhren damit auf den Markt, legten aber sorglich bei Seite, was sie besonders werthen Kunden zugedacht hatten oder den Augen der Polizei oder der Inquisition verbergen wollten. Das Hansiren beschränkte sich naturgemäß wesentlich auf „newe Zeitungen", Pamphlete, Fastnachtspiele, überhaupt volksthümliche Literatur. Der alte Hannus in Gustav Freytag's „Marcus König" ist ein meisterhaft ausgeführtes Portrait eines Buchhändlers aus der ältesten Zeit. In der Schweiz hatten sie es an der Scheide der Jahrhunderte verhältnißmäßig gut bei leidlichen Straßen und ziemlicher Sicher heit des Verkehrs. Und doch klagt Calvin noch 1547 in einem Brief an de Falais in Basel mit Bezug auf eine Büchersendung (Oorxus rskormatorum Band 40. Nr. 979): 6ar ,js vois, quaaä oa Iss mst su lua-ius äss voiturisrs, qu'au bout äs trois Mols ils us sout. xas arrivss. Anders in Deutschland. Schlosser (Weltgeschichte Bd. 10. S. 192) schildert dessen allgemeinen Zustand unter Kaiser Friedrich III. folgendermaßen: „Fürsten, Ritter und Herren oder mit andern Worten Diejenigen in der Nation, welche stets bewaffnet waren und zu Pferde kämpften, betrachteten noch immer jeden Unbewaffneten oder vielmehr alle Die, denen sie überlegen waren oder auf der Heerstraße begegneten, als ihre Beute, raubten ihnen das Ihrige, oder nöthigten sie, das Geleite zu bezahlen." Aus diesen Zuständen ergab sich bald für jeden Reisenden, besonders für die Kaufleute, die Nothwendigkeit, sich von Gebiet zu Gebiet polizeilichen Schutz in Form von Geleitbricfen oder sogar von bewaffneten Eskorten zu verschaffen, woraus das heutige Paß- und Zollwesen entstand. Die Gebühr für sicheres Geleit war eine ziemlich hohe und sehr lästige Abgabe und erreichte oft nicht einmal ihren Zweck. Hatte der Aussteller eines Geleitbriefes irgendwie den Zorn eines benachbarten Herrn erregt, so lauerte dieser unbedenklich 87*
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