Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.02.1880
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- 1880-02-16
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- 16.02.1880
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652 Nichtamtlicher Theil. 36, 16. Februar. dessen Schutzbefohlenen auf und lieferte sie im besten Falle gegen ein hohes Lösegeld wieder aus, wie z. B. Götz von Berlichingen selber von sich erzählt. Hier hat der ehrliche Götz doch noch eine moralische Absicht: begangenes Unrecht zu strafen; aber das wird eine seltene Ausnahme gewesen sein, meistens war es auf Plünderung oder Erpressung abgesehen. Und nicht nur die Landstraßen waren so unsicher, auch der Rhein, die Hauptader alles Handels und Ver kehrs in Deutschland, hatte seine Wegelagerer und Strauchritter. Mit solchen Hindernissen hatte der ganze Handel zu kämpfen; dem Buchhandel stellten sich noch besondere Schwierigkeiten ent gegen. Nicht als ob die Waare irgend welchen Reiz auf die Schnapp hähne ansgeübt hätte; sie fand bald andere Gegner. Die ersten Erzeugnisse der Drnckerpresse, nämlich Schul- und Meßbücher, waren allerdings unverfänglich. Aber mit außerordent licher Schnelligkeit bemächtigte man sich der neuen Bervielfältigungs- kunst, um die wichtigsten Ereignisse und Fragen des Tages, wo möglich illustrirt, unter das Volk zu bringen. Je treffender und beißender diese Flugblätter und kleinen Schriftchen abgefaßt waren, um so begieriger wurden sie ausgenommen. Hauptsächlich zwei Gegner waren ihnen gefährlich, die Regierungen und die Domini kaner als Inhaber der Inquisition, weil beiden manche von diesen Schriften recht unangenehm wurde. Veranlaßten ja doch z. B. Luther's Schriften den Ausbruch des Bauernkrieges und die wieder- täuferischen Bewegungen, so daß man sich nicht wundern darf, wenn die regierenden Herren der weitern Verbreitung dieser papierenen Unruhestifter Einhalt thun wollten. Noch schlimmer waren die Do minikaner daran. Die gelehrten theologischen Streitigkeiten thaten ihnen nicht sonderlich wehe, denn es war nicht schwer, einen lästigen Gegner zu beseitigen, wenigstens mundtodt zu machen, auch waren diese Fragen meistens so sehr über ihrem Horizont, daß sie z. B. anfangs gar nicht merkten, wie sie in den Lxistolas virornm ob- sourorum erbarmungslos verspottet wurden, sondern das Büchlein noch recht empfahlen. Dergleichen also genirte sie nicht, wohl aber mußte es ihren Einfluß beim Volke total erschüttern, wenn ihm die religiösen Mißbräuche der Zeit, wie der Ablaß, der in ihren Händen war, aufgedeckt und durch Verbreitung und Auslegung der Bibel das reine Christenthum wiedergegeben, dieinnereUnruheund Aengstigung um das Seelenheil gestillt wurde. Dieser widerwärtigen Erschei nung konnte durch Bestrafung der Verfasser nicht gesteuert werden, man mußte den Handel mit den gefährlichen Schriften zu unter drücken suchen. Daher zahlreiche Confiscationen derselben, daher auch häufiges Einschreiten gegen Buchdrucker und Buchhändler. In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hat allein der Nürn berger Rath manchen dieser Literaturverbreiter ins „Loch" gesteckt oder auch gleich seinem Auftraggeber, und sei er auch ein altes Fräulein gewesen, auf einen oder mehrere Tage an die Bank ge schlossen; der Buchhändler Johann Herrgott wurde sogar 1527 auf Befehl des Herzogs Georg von Sachsen enthauptet. (Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels, Heft 1. S. 15 u. ff.) Auch die schweizerischen Buchdrucker blieben nicht verschont, namentlich Adam Petri in Basel hatte viel zu leiden. Dies war die officielle Seite; wie mancher Buchdrucker und Buchhändler, wie manches Schriftchen privater Rache zum Opfer gefallen sein mag, läßt sich nur ahnen. So ist es denn gerechtfertigt, wenn wir bei einer andern Ge legenheit sagten, viele Buchdrucker haben mit Aufopferung ihrer ökonomischen Existenz, jamitLebensgefahrdasLichtdes Evangeliums verbreiten helfen. Märtyrer der guten Sache gab es unter ihnen genug. Doch ist das nicht so zu verstehen, als ob alle Die, welche sich mit dem Druck und Vertrieb Informatorischer Schriften befaßten, es aus Ueberzeugung gethan hätten; im Gegentheil recht Viele nur aus Speculation. Ein drastisches Beispiel ist der oben genannte Petri, der aufs eifrigste Luther's Schriften nachdrnckte, aber in seinem naiven Katholicismus den Karthäusern in Basel häufig ein Exemplar seiner Druckwerke schenkte und damit zuweilen Bedenken erregte: „Darumb ouch war zuo nemen ist, daß man sich nit zuo vil mit söllicher Neuwernug bekümmere, noch den Nebenglößlinen (Luther's zur Bibel) zuo vil Glouben gebe. Wer weiß was darhinder steckt? Doch was Gott lert, mag nit vergen." (Stockmeyer und Reber, Beiträge zur Basler Buchdruckergeschichte, Seite 137.) Wie stark muß demnach das Verlangen des Volkes nach solchen Schriften gewesen sein, wenn der Drucker sich nicht aus religiöser Ueberzeu gung, sondern nur um des Gewinnes willen den oben geschilderten Gefahren wissentlich aussetzte! Einen Begriff von der für jene Zeit fast unglaublichen Nachfrage, man möchte sagen Heißhunger nach informatorischer Literatur erhält man aus Luther's Brief an Johann Lange vom 18. August 1520, wonach von seiner erst kürz lich erschienenen Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation" bereits 4000 Exemplare verkauft waren. Sogar die Widersacher der Reformation mußten sich diesem Drang unterwerfen: ihre Ge genschriften wurden nicht gekauft und mußten verschenkt werden, wenn sie Verbreitung finden sollten. Diesem Zwang, den die Re formation ausübte, verdankt z. B. Luzern sein erstes Druckwerk, Murner's Bericht über die Disputation zu Baden (1526), der den Sieg über die Reformation verkünden sollte. Danach kann man sich eine ungefähre Vorstellung von der Lage der Buchdruckerei und des Buchhandels zur Zeit der Refor mation machen, und es erklärt sich daraus der Eifer, mit welchem diese ihr wirksamstes Förderungsmittel ergriff. Dem gegenüber kommt nun die Bildungsstufe, die Gemüthsstimmung und das religiöse Bedürfniß Deutschlands und der Schweiz*) in Betracht. Richtiger und schöner als mit Freytag's Worten (Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Band 2.) lassen sich diese Zustände nicht darstellen; wir verweisen also unsere Leser der Kürze halber auf dieses geistreiche und gründliche Buch, dessen anregende Schilde rung durch Auszüge nicht dargethan, sondern nur entstellt werden könnte. Es wird daraus wohl Jeder die Ueberzeugung schöpfen, wie mächtig die Reformation durch die Buchdruckerkunst gefördert werden mußte; wir wagen zu behaupten, daß jene ohne diese in localer Beschränkung geblieben und wie die Hussitenbewegung mit Gewalt unterdrückt worden wäre. Am Willen dazu fehlte es nicht, die Ausführung mißlang aber wegen der weiten Verbreitung, welche die Reformation eben vermittelst des Buchdrucks bereits ge funden hatte. Aber auch die Kehrseite dieser Erscheinung verdient Be achtung. Ohne die Reformation wäre die Buchdruckerkunst wohl bald ins Stocken gerathen. Dem Humanismus allein ist zwar die glanzvolle Erscheinung eines Aldus, zum Theil auch die eines Froben zuzuschreiben, aber diese bewegende Kraft war von viel zu wenig langer Dauer, drang bei weitem nicht tief genug ins geistige Leben des Volkes ein, um sich auf der damals erreichten Höhe be haupten zu können, und in den spätern Zeiten treibt sie immer nur vereinzelte Blüthen, wie die Elzevir. Dagegen von der Reforma tion erst empfing die Buchdruckerkunst die rechte Lebenskraft, die wahre Weihe, wodurch sie zur Erfüllung ihrer welthistorischen Aufgabe befähigt wurde; wir meinen hier vorzüglich den Druck der Bibel in allen möglichen Sprachen, zu denen das Alphabet oft erst noch geschaffen werden mußte. Erst hierdurch wurde die Literatur aller Länder druckbar und zugänglich. Auch der eifrigste Katholik unserer Zeit wird zugeben, daß diese außerordentlichen Leistungen vom Standpunkt des Katholicismus vor der Reformation un- *) Nur dieser beiden Länder, denn nur sie haben Buchdrnckerkunst und Reformation zu dem gemacht, was sie geworden sind.
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