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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.05.1895
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1895-05-14
- Erscheinungsdatum
- 14.05.1895
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- Deutsch
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nicht partizipierender Verleger schmälern müssen. Nur verstehe ich nicht, weshalb hier wiederum nur der Reiseverkehr als der einbrechende Wolf angezogen wird. Giebt es denn unter den Verlegern selbst keine Konkurrenz? Schmälert nicht ein Kurs buch, ein Wörterbuch den Absatz des andern? Wir treiben viel zu viel Theorie. Wir leiden empfind lich unter gewissen Phrasen, wie z. B. derjenigen von der Würde, dem Ideal unseres Berufes, den großen Litteratur- kenntnissen, wenn sie an Stelle von energischem Zugreifcn und Anpassung an die fortschreitende Entwicklung gesetzt werden. Br and ner. Zur Charakteristik des Keiselmchhandels. Der -Täglichen Rundschau-, wird aus Süddeutschland geschrieben: -Die -Tägliche Rundschau« hat in letzter Zeit wiederholt Ge legenheit genommen, heroorzuheben, wie die Kluft zwischen -ge schriebenem Recht« und dem öffentlichen Rechtsgefühl eine der schwersten Schäden unserer Zeit bildet. Dafür heute ein neues Beispiel für unsere Mitleser, zugleich Warnung für unsere ver trauensseligen Mitleserinnen. Es spielt auf dem Gebiete des in letzter Zeit chronisch gewordenen frechen Schwindels gewisser Bücher reisenden und der hinter ihnen stehenden moralisch belasteten Ge schäftsinhaber. -Am 1.Februar d.J.vormittags erschien ein-anständig gekleideter» junger Mann an der Hauptthür unserer Wohnung: er wünsche beider -gnädigen Frau« vorgelassen zu werden. Meine eben von leichter Influenza genesende Frau ließ ihn abweisen. Er ging nicht, sondern ließ durch den Dienstboten sagen, er müsse schon bitten, vorgelassen zu werden, da er im Austrage des Stadtpfarrei-Verwesers S. komme. Dadurch hatte er das Vorgelassenwerden erstritten. Meine Frau glaubte, ihn nun nicht cndgiltig abweisen zu können, zumal wir mit dem genannten Herrn Ortsgeistlichen in gesellschaft lichem Verkehr stehen. Unangenehm berührte es, als der Vor gelassene sich als Buchreisender Max Hesse der -General-Expe dition« Wilhelm Brenneke, Leipzig, Wiesenstraße 29, entpuppte, der mit einem religiösen Buch -Die Nachfolge Christi von Thomas a Kempis, bearbeitet von U. Ebert in Kassel« hausierte. Das Buch, das er flüchtig sehen ließ und in der üblichen Weise herausstrich, koste 12 ^ 50 Meine Frau war keineswegs gewillt, dieses Buch zu kaufen. Erst die Aufdringlichkeit des Reisenden, und die be stimmte, jetzt wiederholte Angabe, er komme im Auftrag und auf Empfehlung des Herrn Orlsgeistlichen S., wobei er — mit einem gewissen Augenaufschlag — durchblicken ließ, es handele sich hier um ein Werk der Religiosität, machte meine Frau wankend, und so unterschrieb sie denn, zumal sie den Menschen los sein wollte, den ihr vorgelegten Zettel — und war damit in die Falle gegangen. Ohne die persönliche Empfehlung des Herrn Ortsgeistlichen, an die sie wirklich glaubte, hätte sie es nach ihrer bestimmten Versicherung nicht gethan Sofort überreichte ihr der Kolporteur einen blau gedruckten -Bürgschaftsschein der Generalexpedition W. Bren- nekc-, der sofortige Teillieferung versprach (sie ließ später über drei Wochen aus sich warten), und auf dem — bezeichnend für die wohl auf Erfahrungen gegründete Art dieses Geschäftsbetriebes — u. a. aufgedruckt war: -Eine einmal gemachte Bestellung ist in keinem Falle wieder rückgängig zu machen-stl). Meine Frau mußte 5 ^ sosort anzahlcn, das übrige wurde später durch Nachnahme eingezogen. -Derselbe Vorgang wiederholte sich in unserem kleinen (meist katholischen) Ort bei weiteren vier evangelischen Damen der besseren Kreise. Ueberall erschien der Buchreisende im Auftrag bezw. auf Empfehlung des Herrn Ortsgcistlichen und hatte damit seinen Zweck erreicht. »Als ich — leider zu spät — von dem Vorfall durch meine Frau Kenntnis erhielt, war es mir sofort klar, daß hier ein Schwindel mit unterlaufen war. Eine Karte an unseren Herrn Stadtpfarrei- Verweser bestätigte dieses auch sogleich. Er antwortete: «Der Ge schäftsreisende war bei mir, allein ich habe ihm nicht nur nichts ab- gekaust, sondern ihm meine Bedenken gegen die Sache vorgehalten und zweimal ihm ausdrücklich verboten, sich auf mich irgendwie zu berufen.« -Ich hatte selbstverständlich sosort, nachdem mir der Schwindel klar war, solchen der -Generalexpedition» W. Brenneke in Leipzig — sie entpuppte sich später als schlechtweg -Buchhandlung« — mit geteilt, mit der kurzen Forderung, das durch die Lüge ihres Reisenden erschlichene Geschäft mit meiner Frau alsbald rück gängig zu »rachen und den erhobenen Betrag mir zurückzu stellen, unter dem Bedeuten, daß wir die Sache für Betrug er achten, ebenso, daß, falls der Forderung nicht Folge gegeben werde, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, auch Veröffentlichung des Falls durch die Presse ersolgen würde. Mit wendender Post kam von ZWÄuridseckzigster JochMng. dem Firmeninhaber W. Brenneke ein Brief, der unter Lobhudeleien auf seinen Reisenden nicht nur ein Rückgängigmachen des Geschäfts kurzer Hand von sich weist, sondern sich noch zu der »Frechheit« versteigt, die Angabe meiner Frau zu verdächtigen. -Ein Prozeß in der Sache-, so schreibt er u. a., -wird Ihnen zeigen, unter welchen Umständen die Bestellung ausgenommen und werden Sic dann andere Ansichten über mein Geschäft erhalten und in Zukunft nicht ohne Weiteres etwas behaupte», welches in Wirklich keit ganz anders liegt (I), denn ich erkläre mir die Sache nur durch ein Mißverständnis Ihrer werth. Fr. Gemahlin, welche die Be stellung bewirkte und Sie entsprechend vom Geschehenen unter richtete!« Ja, er hat sogar die Dreistigkeit, den Spieß umzudrehen: er werde meine Mitteilung seinem Anwalt übergeben, mich zur Verantwortung ziehen. »Thatsächlich lief auch sieben Tage darauf ein Brief an mich ein, in welchem, auf einem Briefbogen der Firma Brenneke, mir von einem »G. .Kaufmann« mitgeteilt wurde, daß er seinem Auf traggeber den Rat gegeben, ohne weiteres gegen mich den Rechts weg zu beschreiten, wenn ich nicht »alles« (!) bis spätestens 14. Februar (der Brief lief am 13. Februar ein) widerrufe! Ich muß hier ausdrücklich bemerken, daß meine Forderung keine Beleidigungen enthielt; von solchen könnte nur gesprochen werden, wenn ich den Hesseschen Schwindel aus der Luft gegriffen hätte. -Sollten Sie», so schrieb er ferner, -durch eine Bekanntmachung das Geschäft meines Klienten zu schädigen suchen, so werde ich ohne Rücksicht gegen Sie Vorgehen!« Da hörte denn doch alles auf! Der Belogene und Betrogene soll, weil er sein Recht verlangte, noch gerichtlich dafür belangt, auch mundtot gemacht werden I -Inzwischen hatte Herr Stadtpfarrei-Verweser S. die Güte gehabt, sich der Sache anzunehmen und auf Wunsch der sich ge schädigt fühlenden Damen nach Rücksprache mit einem Anwalt die Anklage wegen Betrugs gegen den M. Hesse der Staatsanwaltschaft einzureichen. Er hatte das erst gethan, nachdem er selbst, und zwar in amtlicher Eigenschaft als stellvertretender Stadtpfarrer, unter pfarramtlichem Siegel die Firma Brenneke aufgefordert hatte, das mit den sich geschädigt fühlenden Damen durch Lügen des Reisenden erreichte Geschäft rückgängig zu machen und die er hobenen Beträge zurückzuzahlen, widrigenfalls die Klage wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft erhoben werde. »Als Antwort darauf erhielt das Pfarramt von dem W. Bren neke — man merke wohl, vom Verbreiter religiöser Werke — eine maßlos unverschämt gehaltene offene Postkarte, ohne jede Anrede, mit einer höhnischen Redewendung und der Drohung mit Anwalt und Gericht. Und in der That daraus einen ähnlich wie oben ge haltenen Brief des -G. Kaufmann», auf einem Briefbogen mit Aufdruck -Jnkasso-Büreau« (I). Er wurde von dem Empfänger mit der Karte dem Staatsanwalt übergeben. Indessen wurde die gerichtliche Voruntersuchung gegen den M. Hesse bezw. W. Brenneke ausgenommen. Ein Teil der betrogenen Damen sowie der Herr Ortsgeistliche wurden vernommen. Wir waren alle schon im guten Glauben, daß das Verfahren nun eröffnet und demnächst eine wohlverdiente Bestrafung des oder der Verklagten erfolgen werde, da traf zu unserem Erstaunen ein Schreiben der Staatsanwqltschaft Ravensburg (Württbg.) an Herrn Stadtpfarrei-Verweser hier ein, in dem Sinne, daß das Verfahren gegen den p. Hesse einzustellen und die Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen seien. Die unwahren Angaben des Reisenden, die er bei Abmachung des Geschäftes vorbrachte, seien zwar erwiesen, indessen fehle nach Ansicht der Staatsanwalt schaft die Vermögensbeschädigung, die der Betrugsparagraph er fordere, weil das Buch immerhin vorhanden und der Beweis seiner Minderwertigkeit nicht erbracht sei. -Es dürfte diese Entscheidung juristisch leider unanfechtbar sein. -Unser deutsches warmes Rechtsgefühl ficht sie energisch an: es klammert sich nicht an Nebenbedingungen des geschriebenen Rechts I »Moralisch war unser Fall also nicht erledigt. Deshalb schrieb ich, wenn auch mit Widerwillen, nochmals am 19. April d. I. an die Buchhandlung W. Brenneke. Ich teile ihr zunächst mit, daß die frechen Lügen ihres Reisenden nun juristisch erwiesen. Der Geschäftsinhaber aber, der nun wisse, daß sein Reisender sich solcher moralisch verwerflichen Geschäftskniffe bei bestimmten Personen bediente, der mache sich moralisch der Teilnahme an der Unredlich keit schuldig, heiße sie stillschweigend gut. Ich erwarte von ihm, daß er nun die Handlungsweise, die gerichtlich erwiesen, selbst verurteile und klipp und klar jede Teilhaberschaft daran dadurch von sich weise, daß er mit wendender Post das mit meiner Frau ge machte Geschäft freiwillig rückgängig mache, wie es jeder achtbare Kaufmann in diesem Fall sofort thun würde. Die hier ungeöffnet lagernden bisherigen Lieferungen des Buches würden ihm darauf zurückgestellt, der zurückgelangende Betrag aber sollte der Armen kasse überwiesen werden. Sollte er, so schloß ich, diesem Gebot der Redlichkeit und Billigkeit nicht Nachkommen, so habe er sich die selbstverständlichen moralischen Folgen davon selbst zuzuschreibcn. 361
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