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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.10.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-10-09
- Erscheinungsdatum
- 09.10.1902
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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8098 Nichtamtlicher Teil. 235. 9. Oktober 1S02. daß der Prinzipal mit irgend welchen Leistungen zufrieden sein muß — denn er bezahlt ja nichts dafür; Volontäre, welche ferner meinen, daß sie sich etwas vor den andern Gehilfen herausnehmen dürfen; es giebt reicher Leute Söhne, welche mehr Geld ausgeben als die andern. Alle solche Personen können bei mir keinen Platz finden; ein jeder meiner Angestellten muß sorgfältig und fleißig arbeiten und überdies mit dem Salär auskommen, das er, seinen Leistungen entsprechend, jeden Sonnabend von meinem Kassierer erhält. Mit meiner Anschauung über deutschländische Gehilfen stehe ich nicht allein; die Geschäftsleute, mit denen ich ver kehre, denken ebenso. Gewöhnlich bilden solche ausländischen Herren sich mehr ein, als recht ist; sie wollen sich nichts sagen lassen, sondern fahren fort zu arbeiten, wie sie's bis her, bei nicht strenger Beaufsichtigung, gethan haben, sie sehen wohl gar geringschätzend auf hiesige Einrichtungen, obwohl diese teilweise praktischer sind als deutschländische. Zudem sind sie an das Kneipeuleben gewöhnt; sie mögen nicht gern daheim bleiben. Daß ich heutzutage, in meiner jetzigen Lage, mehr Freude am »Schaffen« habe als an entbehrlicher Unterhaltung am Biertische u. s. w, stelle ich nicht als Norm auf. Was sich für einen alten Mann gehört, paßt nicht auch für einen jüngern. Der letztere muß erst durch Umgang mit vielen Leuten sich erwerben, was der alte vor Zeiten sich angeeignet hat. Ein junger Mann soll nicht immer daheim sitzen, son dern einen Teil seiner freien Zeit auch in Gesellschaft andrer soliden Leute verbringen. Ich will mich nicht als Muster aufspielen, aber doch sagen, daß ich in meinen jungen Jahren mich auch gern mit Freunden abgegeben, den Gesangverein an zwei oder drei Abenden jede Woche besucht, am Tanzen Vergnügen ge funden habe und an heitern Unterhaltungen. Ich bin viel auf den Beinen gewesen und habe die Natur genossen, die nähere und die weitere Umgebung durchstreift. Daneben habe ich aber für meine Freizeit auch andre Verwendung gehabt: habe für meine Fortbildung oder für meine Prinzipale ge arbeitet, ohne daß diese davon wußten oder es von mir ver langten. Ich will nicht unterlassen zu bemerken, daß der Anfang zu dieser Anlage in meiner nicht sehr starken Konstitution zu suchen ist. Da ich in meiner Schulzeit mich z. B. vor denen in Acht nahm, die mir körperlich überlegen waren, so saß ich im Klassenzimmer über meinen Aufgaben, während die Mitschüler sich im Freien tummelten. Kein Wunder, daß infolgedessen meine Arbeiten zu den bessern gehörten und ich Schulprämien davontrug. Dieselbe Disposition, etwas mehr zu leisten als meine Schuldigkeit war, ist mir während meiner fünfjährigen Lehr zeit und auch während der dreizehn Jahre meiner Gehilfen zeit geblieben — und wahrlich nicht zu meinem Nachteil. In dieser Sache werden nicht alle Leute mit mir ein verstanden sein. Ich habe hier welche gekannt, die noch viel arbeitsamer waren als ich; eine noch viel größere Anzahl gab es aber und giebt es jetzt noch, die der Meinung sind, daß die Zeit außerhalb der Geschäftsstunden lediglich dem Vergnügen in allen Formen gewidmet werden sollte. Bei läufig bemerkt, kostet das viel Geld, und an ein Zurücklegen eines Teils des Salärs ist wohl kaum zu denken. Nun, Jeder ist seines Glückes Schmied. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß jemand, der jeden Abend im Bierhause verbringt, mir nicht so lieb ist wie ein andrer, der das nicht thut. Und ich will auch zugeben, daß ich mehr als einen Gehilfen, der nicht unersetzlich war, bei vorkommender Gelegenheit habe gehen lassen, weil er mir seiner Kneiperei halber unsympathisch geworden war. Bei läufig bemerkt, waren das Leute, die das Kneipen in Deutsch land gelernt hatten. — »Deutsche Gemütlichkeit!« — Der Geheimrat A. B. Meyer sagt (s. Börsenblatt 181, S. 6218, Z- 3-7): ..... -und doch wäre es im höchsten Grade wünschenswert, wenn wir unsere männliche Bevölkerung soviel als möglich von der Kneipe sernhalten könnten, wozu große freie öffentliche Biblio theken sehr geeignet wären- Draußen ist das Kneipen verhältnismäßig billig, hier zulande aber teuer, und bei dem gewöhnlichen Salär werden die Taschen leer; au ein Zurücklegen ist, wie gesagt, nicht zu denken — im Gegenteil: für die entbehrlichen Bedürfnisse, die man sich in Europa angewöhnt, reicht hin und wieder das Salär nicht aus. Für Stellungen, die nicht hervorragender Art sind, d. h. wo man der Leistungen wegen ein Auge zudrücken muß, passen dergleichen Eigenschaften und Gewohnheiten der Euro päer nicht. Darum und aus andern Gründen wird von Jahr zu Jahr weniger Aussicht für diese, in hiesige Geschäfte hineinzugucken. So ist es z. B. Thatsache, daß der Sohn eines sächsischen Papierfabrikanten im Laufe des letzten Jahres sich in einer Menge Papierfabriken um eine Stellung bewarb, aber vergebens. Ueberall merkte man die Absicht und lehnte ab. Da sah er sich denn genötigt, die Nennung seines Vaters aufzugeben, sich überhaupt eines andern Namens zu be- dienen — und so hat er endlich einen Platz auf ein paar Monate gefunden. — Ich bekenne mich zu der Eigenheit — die übrigens auch etlichen andern innewohnt — daß ich vorziehe, mit Ge bildeten umzugehen. Ich habe schon anderswo gesagt: -Es ist eine meiner Schwächen, daß ich, wenn's angeht, den Umgang mit den Personen meide, welche die deutsche Sprache miß handeln, im Gespräch und auch in der Korrespondenz. Darum hat auch kein Gehülse Aussicht, bei mir anzukommen, der Deutsch nicht grammatikalisch richtig schreibt. Diejenigen seiner Buchstaben, welche mir nicht genügen, muß er, trotz seines Alters, noch so machen lernen, wie ich sie ihm vormale. Ich weiß ganz genau, warum ich das verlange. -Und dabei bin ich noch nicht der schärfste Patron; einer meiner Kollegen verlangt noch mehr in dem Examen, das er mit Kandidaten anstellt, — und hat seine guten Gründe dafür. Andere sind mehr oder weniger gleichgültig, wie's mit Kalligraphie, Ortho graphie, Interpunktion, Grammatik, Briefstil u. s. w. bei einem Gehilfen steht. Selbstverständlich gehts dort auch nicht ohne mehr Fehler ab, als anderswo gemacht werden. -Meine Erfahrung ist, daß Gehülfen, denen solche Akkuratesse nicht konveniert, sich über kurz oder lang als nicht wünschens wert erweisen und entfernt werden müssen, sofern sie nicht selbst gehen. Sie paffen auch nicht zu meinen Mitarbeitern, welche sämtlich mit meinen Anschauungen einverstanden sind und sich ebensowenig über das nachlässige Arbeiten eines anderen Gehülfen ärgera wollen.- Sprache sowohl wie auch Handschrift deuten in gewissem Grade die Bildung eines Menschen an. Jemand, der die Gelegenheit, das Nötigste zu lernen, gehabt, aber versäumt hat, stellt sich kein gutes Zeugnis aus. Bildung bezw. Lern lust und Charakter stehen in gewisser Beziehung. Es wird heutzutage nicht viele Leute geben, die als einen Mitarbeiter, der auch schriftliche Arbeiten zu besorgen hat, Jemand vor ziehen, weil er eine schlechte Hand schreibt, sondern höchstens, obwohl seine Handschrift nicht gut ist. Jener oben erwähnte Buchhandlungsgehilfe, der 7>/u Tage bei mir war, versuchte es, nachdem ihm mein Tadel nicht gefallen hatte, bei einer andern der respektablen hiesigen Firmen anzukommen. Er gab an, daß er mit mir »eine Differenz gehabt habe«. Es gelang ihm aber nicht, trotz seiner buchhändlerischen Erfahrung, eine Stellung zu finden. Der Not gehorchend, und wohl auch dem eignen Triebe, ging er daher zu andrer Beschäftigung über, und vor einigen Monaten meldeten die Zeitungen, daß unser Sittenwächter Comstock ihn und seine obscönen Bilder festgenommen habe. Ich gestatte mir zu denken: bei ungenügender Bildung
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