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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.07.1903
- Strukturtyp
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- 1903-07-11
- Erscheinungsdatum
- 11.07.1903
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- Deutsch
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5432 Nichtamtlicher Teil. ^ 158, 11. Juli 1903. nicht grade höhere Lehranstalten haben, ist die Be schaffung eines Buchs oft eine viel schwierigere Sache als in einem westeuropäischen Dorf. Im Jahre 1887 zählte Ruß land 1271 Buchhandlungen. Davon kamen sechs auf Sibirien und Zentralasien. St. Petersburg besaß 283, Moskau 177 Buchhandlungen. Der Rest verteilte sich auf rund 600 Städte. Manche Gouvernements, z. B. das von Olonetz, hatten gar keine. Öffentliche Bibliotheken gab es noch im Jahre 1830 nur in St. Petersburg, Moskau und Odessa. Bis zum Jahre 1856 waren es 49 geworden, die aber zum Teil nur auf dem Papier standen. Freunde der Aufklärung und Volks bildung hatten infolge begeisterter Augenblicksregungen Bibliotheken gegründet, später aber die Lieferung der Mittel für deren Unterhaltung und Vervollständigung vergessen. Da waren denn die Bücherbestände mit der Zeit auf Böden oder in Keller gewandert und von Ratten und Mäusen auf gefressen worden, wenn sie nicht etwa gar von den »Biblio thekaren« als Heizmaterial verwertet worden waren, wie es nach Rubakins Angabe sogar noch im Winter 1888/89 mit der Bibliothek der Stadt Uralsk geschehen ist. Im Jahre 1887 war die Zahl der öffentlichen Bibliotheken auf 600 gestiegen. Diese sind aber meist sehr ärmlich aus gestattet, und ihre Zusammensetzung ist vielfach rein durch den Zufall bedingt gewesen. So hat eine derartige Biblio thek z. B- wohl die Sammlung aller Wahlprogramme (vallisrs) der Mitglieder des llisrs-Utst in der französischen Nationalversammlung von 1789, aber keine vollständige Ausgabe der Werke Puschkins! Immerhin benutzt diese Bibliotheken meist ein ständiges Publikum: Beamte, Kauf leute, Handwerker, selbst Bauern, die sich sehr für Geschichte, Reisebeschreibungen, Romane und Erzählungen begeistern. Unter den russischen Schriftstellern wird nach den Fest stellungen Rubakins Tolstoi am meisten gelesen, dann folgen Turgenjew und Dostojewski. Unter den ausländischen Schrift stellern, die in den Bibliotheken verlangt werden, stehen wieder die Franzosen an der Spitze, aber nicht die zeit genössischen, sondern Schriftsteller vom Schlage des ältern Dumas und Paul de Kock. Auf ein deutsches Buch werden 2—3 englische und 12—15 französische gelesen. Trotz des in diesen Zahlenangaben hervortretenden, im ganzen noch niedrigen Standes der geistigen Bedürfnisse des russischen Volks erkennt Rubakin doch einen bedeutenden Fortschritt, namentlich seit Aufhebung der Leibeigenschaft, als unbestreit bar an. Das Volksschulwesen freilich läßt vielfach noch immer so gut wie alles zu wünschen übrig. Aber das geistige Aufstreben auch der untern Schichten tritt deutlich zu Tage. In jedem Winkel, in den abgelegensten Dörfern des ungeheuren Reichs findet man Autodidakten, die zum Teil ganz Unglaubliches leisten. So nennt Rubakin einen ehemaligen Leibeigenen Tisikow, der ohne Lehrer Französisch, Mathematik und Astronomie studiert und zum großen Ent setzen seines Popen eine regelrechte Sternwarte eingerichtet hat. Der jetzige Zar hat schon kurze Zeit nach seinem Regierungsantritt energisch die Hebung und Ausbreitung des Volksschulwesens als eine der wichtigsten Aufgaben seiner Regierung hingestellt. Dem russischen Volk ist mir zu wünschen, daß diese Willensmeinung auch zur Tat werde?) Der größte Teil der Bücher erscheint in den Städten St. Petersburg, Moskau, Warschau, Odessa, Kiew, Kasan, Riga, Tiflis, Wilna, Charkow, Dorpat, Reval, Mitau. 1895 erschienen in: St. Petersburg 5676 Werke Kiew 1186 Werke Moskau 2532 „ Odessa 889 „ Warschau 1191 „ Unter den Buchdruckereien Moskaus ist die Synodal st Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1896, Nr. 232. Buchdruckerei, die bereits 1562 gegründet wurde, die älteste Rußlands. In der Zeit vom 1. Januar bis 1. Juli 1902 sind, abgesehen von den periodischen Druckschriften, in den St. Petersburger Druckereien allein 1808 verschiedne Bücher in zusammen 8 819 970 Exemplaren gedruckt worden. 1893 zählte man in 152 Städten 656 Buchhandlungen. Für 1897 wird dagegen die Zahl der Büchermagazine, Läden und überhaupt aller Stellen, wo Bücher verkauft wurden, auf 2812 angegeben (davon in St. Petersburg 366, in Moskau 219, in Warschau 183). In Moskau wurde 1902 der Buchhandel an 277 Stellen betrieben. Seit 1883 besteht mit dem Sitz in St. Petersburg der »Verein der russischen Buchhändler und Verleger«, der den »Bücherboten« (mit Bibliographie) herausgibt. Neben den Buchhandlungen in St. Petersburg und Moskau kommen nur noch die Buchhandlungen in den Universitätsstädten Kiew, Charkow, Kasan und Odessa in Betracht. Einen besondern Zweig bildet die russische Volksliteratur mit ihren Kalendern, Ritter- und Räubergeschichten, Volks märchen, Wahrsagebüchern, Bilderbüchern usw. Der Mittel punkt dieser Kolportageliteratur ist Moskau. Allein auf dem Jahrmarkt von Nishni - Nowgorod findet jährlich ein Umsatz im Wert von 100 000 Rubel statt. Kasan hat eine besondre Bedeutung als Mittelpunkt der Herstellung und des Vertriebs einer mohammedanischen Literatur in tatarischer, türkischer, persischer und arabischer Sprache, und zwar erscheinen dort jährlich etwa 300 Werke in Auflagen von 2000 bis 200 000 Exemplaren. Über den russischen Buchhandel äußerte sich Cherenine, ein bekannter Buchhändler aus der Provinz in der Zeitung »Lisvsrv^ Lrai« (1902) wie folgt: Die Zahl der Buchhändler übersteigt nicht 2000; davon wohnen 327 in den beiden Hauptstädten. Die andern sind in 460 Städten und Flecken tätig. Zwei Drittel sind wandernde Händler ohne Ladenlokal. In den 6 Gouvernements des Zentrums, nämlich Wladimir, Kastroma, Jaroslav, Tver, Kaluga und Nishni- Nowgorod, die den Mittelpunkt der Industrie bilden, gibt es nur 120 Bücherverkäufer, d. h. einen Händler auf 72 000 Ein wohner! Der russische Buchhandel, namentlich in der Provinz, befindet sich in einem jämmerlichen Zustand. In ganz Ruß land gibt es höchstens 30 größere Geschäfte, in denen man wirklich literarische und wissenschaftliche Werke findet. Die meisten andern betreiben den Buchhandel nur nebenbei. Sie handeln mit Eßwaren, Kurzwaren usw. und verkaufen nur Schulbücher bei Beginn des Schuljahrs. In den übrigen Monaten setzen sie höchstens Kalender und billige Volks literatur im Preise von höchstens 50 H ab, außerdem auch Papier. Nur 5 oder 6 Buchhandlungen unterhalten einen stän digen Verkehr mit der Provinz und dem Ausland. Schon aus diesen Angaben kann man ersehen, daß die große Masse der Bevölkerung noch nicht die Gewohnheit hat, regelmäßig Bücher zu kaufen. Hausbibliotheken sind ver hältnismäßig selten. Sogar unter den Gebildeten begnügen sich viele mit geliehenen Büchern. Ausgaben für Bücher werden eben als Luxus betrachtet. Der Verfasser des erwähnten Aufsatzes teilt speziell für seinen Bezirk, eine ziemlich wohlhabende Gegend an der Wolga, einige interessante Zahlen mit. Danach entfallen dort auf jeden Einwohner für Bücher nur 8 Kopeken jähr lich, während für Kleider und Kurzwaren 8 Rubel und für Spirituosen 10 Rubel ausgegeben werden. Gute Bücher, aus denen das Volk wirklich Bildung schöpfen könnte, sind für die gewöhnlichen Leute zu teuer.
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