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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.11.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-11-27
- Erscheinungsdatum
- 27.11.1903
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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9788 Nichtamtlicher Teil. 27b 27. November 1S0L. Die tugent, die ich lern und kan, Ich dir bald gantz erzelet Han. Spilen, praßen, fröhlich sein Und sitzen taa und nacht beim weyn. Vatter und Mutter, das ir verzern, Die tugend thu ich fleißig lern. Diese Büchervermerke haben zuweilen großen lokal- und kulturgeschichtlichen Wert. Details, die in Chroniken und Tagebüchern selten aufgeführt werden, finden sich häufig auf den Buchdeckeln und Vorsatzblättern alter Kodizes zerstreut. Professor Reuß in Berlin fand vor nicht langer Zeit in einem fränkischen Manuskripte Aufzeichnungen über das erste Auftreten der Syphilisepidemie in Deutschland: ^mw v. 1498 rsgusvit iutirruitas pS88iivs iu tots Zermsuis, sie äiets krsuro8sv, et tusruvt guae ulosrs per tot,um eorpu8 conttsots. st iäsogvs äixsruut, guoä kuit ivürmitss lob. Diese Notiz bestätigt medizingeschichtlich, daß die Syphilis schon hundert Jahre vor ihrem bisher angenommenen Auftreten in Deutsch land gefürchtet war. Außerdem finden wir aber in unfern alten Büchern noch eine Menge andrer wertvoller Notizen auf den Deckeln. Gedächtnisverse, die den Kern einer Disziplin in wenig Zeilen zusammenfassen, ein kostbares Mittel für eine Zeit, in der Papier und Bücher teuer und selten waren, ferner Rätsel, Wortspiele, ein »magischer Zahn« oder Wurmsegen, eine erschütternde politische Nachricht oder ein medizinisches Geheimmittel, vor allem aber moralische Sentenzen als Panazee für das Leben. Die Sitte, die im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die leeren Blätter der Druckwerke füllte, hat ihre Wurzel eben weit in den vorangegangenen Jahrhunderten geschlagen. Köstlich sind ab und zu Wortspiele. So fand ich in einem Admonter Kodex aus dem fünfzehnten Jahrhundert den Vers, der sich offenbar auf den Dreikönigstag bezieht: Imx vovs trs8 wovit, wsvs uns trium Iris novit, vutu äivivo reges äsvt: tres tris trino. Das Hymen-Manuskript der Franziskaner-Bibliothek in Graz enthält die Notiz: fixswplsw äetis sliis, guoäouiigus äoostis, 8i non ssrvstis, guoä xrsseixitis, ts.ess.tis! Originell ist die Sprichwörterweisheil solch alter Bücher- Jnskripte. Es wäre wahrlich der Mühe wert, diese Kern sentenzen zu sammeln. Viele hiervon vermissen wir in Francks »Klugreden« und in Wanders »Sprichwörterlexikon«, jenen gediegenen Werken deutschen Gelehrtenfleißes. Hier nur etliche Proben, soweit es der Raum dieses Blattes gestattet: Die red der Kinder ausf der Straßen rürt von vatter und mutter her. Selten ist ein groß Haus Ohn ein Dieb oder ein Maus. Die Zunge, die reizt den Menschen zum Zorn, Damit ich Ehr und Gut verlorn! So rvais ist kein besser list, Der sein Zunge ein maister ist als Lebendig Tott! So wahr die Maus die Katz net frißt, Wirt der judt kein echter chryst. Die Nidertracht ist stets in mod. Unrecht hat ein wächsern nasen, die zerfließet an der Sonnen! Zwei Hundt an ein Bein, die kommen nit überein, u. s. f. In einer Bibelkonkordanz (1496) fand ich die Ein tragung: Welches sind die schönsten Vögelein? fraget ein Mann die Krähe. »Meine Jungen!« antwortet die verliebte Alte. Merk es wohl, Menschenmutter! — Über die Ordalien sind zerstreute Notizen in dem Wiegendruck »Kantnis der Sündt« (1492) zu lesen. Die »zehen Lebensalter- schildert der Murauer Besitzer Ottokar Waldhöfer in seiner Lieblings bibel aus dem Jahre 1511. Eben dort ist auch das folgende zu lesen: 10 20 30 40 SO 60 70 Kitz — Kalb — Stier — Löb — Fux — Hundt — Sau 80 90 100. Katz — Esl — Gauß. Offenbar keine schmeichelhaften Anspielungen auf die Lebensstufen des Menschen! Ab und zu sind Lieblings gebete aus dem römischen Breviarium oder Missale, dann wieder Regeln der »Tischzucht«, Küchenrezepte, Neumenlieder, Wetterprognosen, astrologischer Kram u. ähnl. eingeschrieben. Alte Preisnotizen sind zuweilen recht wertvoll und interessant. So steht in einem Vorauer Kodex von 1502: Ein puch Venedigisch papier verkhaufft zu 40 Pfennig, ein Pfund Zinnober um 4 Schilfig, das Loth zu 4 Pf. Ein laib Brodt 6 Pf., ein Pfund Saltz 2 Pf., ein Bundt Waitz- 'troh 1 Pf., ein Hirschfell 10 Pf., ein seydl Altweyn 3 Pf. u. s. f. In einem florianer Evangelar des 15. Jahrhunderts hat sich ein Geistlicher das folgende Tintenrezept auf dem Buchdeckel vermerkt: tsoieväum iuesustuw ^.ä uuum osv- trum (Xsväl) rsoipe sgusm de psluäe 5 lot Ksllus, 3 lot vittriol, 1 lot Aummi. »Schnupfe« kuriert ein handschriftliches Rezept aus dem »Wiener Schachzabel« (1482) so: Nimb Salzwasser in dein Fausten, giß 1 Quentel Bibergeilgeist dazu und bade dein Nasen darin. Halt Bein und Brust warm. Das Hilst! Eine »Chrystlich Haußpostill« (1503) enthält diese Spezi fikation der Kondukts-Unkosten weiland Jhro hochgräslich Exzellenz der Fraun Maria Rosalia Gräfin von Dietrichstein, geb. Gräfin von Herberstein seelig (1736): Kondukt mit Miserere und 3 Pristern 12 fl. 6 kr., das neue samtene Bahrtuch 1 fl. 30 kr., Leuchterträger vor Einen 1 fl. 30 kr., tut im ganzen 13 fl. 10 kr., 10 Klagmändl 1 fl. 15 kr., vor Trunkh- und Brodt deren Leich- und Windlichtträger 1 fl. 15 kr. u. s. f. — Im »Buch der Altväter« (1525) ist ein Zettel eingeklebt, auf dem der gräflich Stubenberg'sche Hausschatz im Nachlasse Kaspars von Stubenberg (ff 1526) verzeichnet ist: Ain guldern Häftl mit einem Palaß Saphir und 5 Perlen, item ain Ring mit Ametysten, ain Petschafft- Ring mit plauwen Saphir, ein golden Frauengürtel und Paternoster mit Korallen und Petruszähren u. dgl. m. Über das Wetterläuten vermerkt ein »Gulden Ave« aus dem Jahre 1604: »Im Marty 1620 des Heils bat Ferdinand Ruckbauer, Pfarrer allhier sMuraus, den Landtag um Beisteuer zur Aufrichtung jener Glocke, die er, außer zur Ehr Gottes auch zu würcklicher Vertreibung der böss Wetter durch Maister Polzen in Wr. Neustadl mit 9 Centnern und 8 Pfundt hat gießen lassen.« Und so könnten wir hier noch viele interessante Find linge vorführen. Über die gemalten handschriftlichen Exlibris, die Vorläufer der im 16. Jahrhundert aufkommenden beweglichen Bücherzeichen, habe ich jüngsthin in der »Zeit schrift für Bücherfreunde« ausführlich berichtet. Freilich findet sich unter diesen Bücherinskripten zu weilen auch allerlei albernes und läppisches Zeug. Wir können daraus schließen, daß eben der ehrwürdige Klosterkodex nicht immer in den besten Händen gewesen ist. Bischof Richard von Bury, der Großkanzler von England und verständigste Bücherfreund seiner Zeit, klagte wiederholt über die Unsitte, Bücher und Handschriften mit sinnlosen Kritzeleien zu bedecken. »Kaum verstehen die Jungen,« schreibt er in seinem Pbilobiblion', »Buchstaben zu malen, so füllen sie die schönsten Blätter mit unpassenden Glossen und wo sie neben dem Text ein Rändelein erspähen, zeichnen sie allerlei dummes Zeug hinein.« Die inkorrekten Verse, die sinnlosen Federversuche und Zeichnungen, die man besonders häufig in Studierhand büchern trifft, mögen in Stunden großer Langweile da hinein geraten sein. Bisweilen liest man auch zeitgemäße Späße und Gastmahlwitze, die damals, wie heute gern von Lippe zu Lippe wanderten. Auch rohe, unzüchtige Aufzeichnungen fehlen in den alten Büchern nicht.
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