^ 267, 17. November 1904. Fertige Bücher. 10197 Emil Strauß: Kreuzungen Roman. Dritte Auflage. Geh. 4 Mark, geb. 5 Mark, in Leder 6 Mark. Das Buch ist von schlichter, wahrer Größe. Gin echter Dichter schenkte es uns, dein nicht zu tun war um den Beifall der Menge, die so gar leicht Beifall klatscht, der vielmehr ehrlich nach dem höchsten strebte und Großes, sehr Großes erreicht hat. (Neue Lamburger Zeitung.) Vielleicht war Straußens voriger Roman, der „Freund Lein", packender, vielleicht griff dies wahrhaft be deutende Buch uns stärker und unmittelbarer ans Lerz, weil es unmittelbarer aus eines echten Dichters tiefem Lerzen kam. Gin Kunstwerk, ein ganzes, rundes, sind darum die „Kreuzungen", die Strauß nun folgen ließ, nicht minder; sie sind vielleicht in eigentlichstem Sinne mehr noch Kunstwerk, als „Freund Lein", insofern gerade in ihnen eine völlig ausgeglichene, zielbewußt in sich ruhende, objektive Gestaltungskraft bewunderungswürdig zutage tritt. Es ist nichts mehr zufällig in Stil und Komposition dieses Buches. Bis ins Kleinste hinein, bis in die Episode der Episode ist alles sinnvoll und auf den Gesamtplan abgestimmt, wie denn die ganze Darstellung getragen wird — und das gilt selbst für die erregteren Momente — von einer unbeirrbaren Gelassenheit, vom stillen Glcichklang der epischen Erzählung. Reifer noch geworden denn zuvor, steht Strauß jetzt beinahe goethisch über seinem Stoff; reifer nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch läßt er nun auch stärker jenen heimlichen, souveränen Lumor hervortreten, der in gelegentlichen Richtern schon in „Freund Lein" ausblitzte. (Lamburger Fremdenblatt.) Was an der dichterischen Persönlichkeit dieses abseits von aller literarischen Verbindung Siedelnden zunächst erfreut, ist die tüchtige deutsche Art, die sicher wurzelnde, stämmig emporstrebende, vollsastige Kraft. Aus tiefstem Gemüt wächst seine lautere, innige, markige, herbe Kunst. Gute, strenge Zucht bändigt den üppigen Trieb. Weise Sparsamkeit wägt jede Wirkung. Lier ist einer, der nur spricht, wenn er etwas zu sagen hat, keiner von jenen atemlosen Schönrednern innerer Leere. Einer, der gediegenes Material sorgfältig formt, kein Schnörkler und Schnitzler, Kräusler und leimender Fälscher. Wenn er auch durchaus nicht eben einfache Linien zieht, sondern sie vielfältig biegt und verschlingt. Der Reichtum eines Dichters verrät sich spielend in seinen Bildern, verrät sich, drängt sich nicht keuchend auf. Straußens Bilder überraschen durch Neuheit, aber diese Neuheit ist frisch, blutgesättigt, nicht mühsam, lackiert, gepudert. Die Kraft eines Dichters ist die Zügelführnng. Wie einer seine Mittel verwendet, wie er sie wertet, erweist seine Berufung. Llngeformte Massen zu wälzen, mag einen muskelharten Proleten verkünden, die abteilende, messende, grup pierende Arbeit zeugt von einem Künstler. Strauß ist begnadet: er hat Besitztum, Schule, Augenmaß, Wissen und Freiheit. Ob er, wie im „Don Pedro", hochgewölbte, romantische Brücken konstruiert oder, wie im „Engelwirt", ein Bauernschicksal aus dem grobscholliger Ackerboden der nächsten Natur pflügt, die kräftige Land an der schweren, starken Pflug schar, ob er die werdende Künstlerpsyche wie ein über schwankender Blume sich wiegender Schmetterling den Atem verhaltend belauscht („Freund Lein"), oder das Schachspiel des Alltags auf glattem Brette proble matischer Verhältnisse leitet („Kreuzungen"): er ist ein geborener Lerrscher über den Stoff, der ihm gehorcht in gelenkiger Eleganz wie ein durchgearbeitetcs Schulpferd. — Durchgearbeitet sind auch die Worte Straußens, dieses köstliche Material des Schreibenden. Sie sind mit der Stimmgabel geprüft. Der Llebergang ist deutlich wahrnehmbar zu kräftigerer Färbung der Worte, vom vibrierenden duftigen Schimmern bis zum stofflichen metallenen oder saftstrotzenden Selbstleuchten. (Münchener Zeitung.) Berlin W. S. Verlag. Börsenblatt sür den deutschen Buchhandel. 7 t. Jahrgang. 1337