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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.11.1904
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- 1904-11-29
- Erscheinungsdatum
- 29.11.1904
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- Deutsch
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277, 29. November 1904. Nichtamtlicher Teil. 10727 schloß Stellowskij 1865 mit Pissemskij einen Vertrag über die Sonderausgabe von dessen damals in den Zeitungen erscheinenden Romanen: »Das aufgeregte Meer«, »Russische Lügner-, »Väterchen- wieder auf fünf Jahre ab, in unbe grenzter Zahl von Exemplaren, mit Zahlung von 50 Rubel für den Druckbogen bei Werken, die schon in den Zeitungen er schienen waren, und 250 Rubel für den Bogen bei solchen, die noch nicht gedruckt waren und die Pissemskij wünschen würde, unmittelbar in der Form gesonderter Bücher herauszugeben. Dabei verpflichtete sich Pissemskij, Stellowskij allein alle seine Werke in Verlag zu geben, die er bis 1. Januar 1870 schreiben oder drucken lassen würde. Vom Standpunkt der westeuropäischen Verhältnisse wären die Bedingungen ganz normal gewesen; aber sie paßten nicht für die russische Belletristik. Stellowskij, der sich jahre lang mit dem Musikalienhandel (Verlag und Sortiment) be schäftigt und damit ein schönes Vermögen erworben hatte, erwies sich auf dem Gebiet des Buchverlags als ein be geisterter Dilettant und mußte seine Unerfahrenheit, seinen Enthusiasmus und — seinen Glauben an die russische lesende Intelligenz teuer bezahlen. Die Verlagswerke Stel- lowskijs — und darunter in erster Linie die Werke Pissemskijs — rechtfertigten trotz ihres verhältnismäßig großen Absatzes doch bei weitem nicht die Erwartungen des Verlegers, der fast sein ganzes Vermögen an den Verlag gewendet hatte und zuletzt in eine ebensolche kritische Lage kam wie die frühern Verleger der russischen Belletristik: Smirdin, Koshantschikow, Basunow, Tscherkessow, Petschatkin. Wie seine Vorgänger, so suchte auch er bei den Banken auf seine großen Lagervorräte ein Darlehn, einen sogenannten Lager schein oder Warrant, zu erlangen; aber man fand bei den Banken, daß verlegene Werke, selbst wenn sie der Feder großer Schriftsteller angehören, leinen Wert repräsentieren, und Stellowskij erhielt annähernd dieselbe Antwort, wie sie Smirdin und einem Kreise der Petersburger Buchhändler zuteil wurden, als sie den russischen Finanzminister Grafen Cancrin um ein Darlehen auf Bücher baten: »Bringen Sie Stiefel, Nägel — und Sie erhalten ein Darlehen; aber auf Bücher — keinen Groschen«. — So war es in den siebziger Jahren, und es ist auch heute noch nicht anders: »Das Buch ist keine Ware!« Welche große Bedeutung das Honorar in der litera rischen Tätigkeit der Schriftsteller hat, zeigen deutlich die Briefe F. M. Dostojewskijs an seinen Bruder Michail, an N. N. Strachow, A. N. Majkow, Baron A. E. Wrangel u. a. Fast alle sind voll Klagen über Geldmangel. Bruder und Freunde werden immer mit Bitten bestürmt, bald bei dem einen, bald bei dem andern Verleger einen Vorschuß zu er wirken, obgleich er selbst in einem seiner Briefe sagt, einen Roman im voraus zu verkaufen und davon zu leben — sei Selbstmord. Seine beständige Geldnot zwang ihn aber gar oft zu solchem Selbstmorde, obgleich er nach den Summen des Honorars, das er von den Zeitungen erhielt, weit besser gestellt war als viele andere Schriftsteller. Er bekennt ganz offen, daß er »nicht richtig Haushalte, woran alles liege«, und daß er »nicht Haushalten könne«. Er stak fortwäh rend in Schulden, war fortwährend in der traurigsten Lage, denkt daran, seine Lage zu verbessern, bald durch übersetze rische, bald durch verlegerische Unternehmungen — durch die Herausgabe seiner eigenen Werke. Es ist daher nicht zu verwundern, daß er, obgleich ihm der Vorschuß als Selbstmord gilt, doch zu derselben Zeit schreibt: »In meinem ganzen Leben habe ich kein einziges Mal Werke verkauft, ohne im voraus Geld genommen zu haben. Ich bin ein literarischer Proletarier, und wenn jemand meine Arbeit haben will, so muß er mich im voraus versorgen. Diese Ordnung verfluche ich selbst. Aber es hat sich so gefügt, und wird wohl auch nie anders werden«. Und wirklich, aus den Briefen Dostojewskijs geht her vor, daß er bei seinen Verlegern beständig Vorschuß nahm, bald 1000 Rubel, bald 1500 Rubel, und zwar nur auf ge plante, aber noch nicht einmal begonnene Romane. Die Manier, sich so abhängig zu machen, geht durch das ganze literarische Leben Dostojewskijs, und die Sorge um den Lebensunterhalt geht bei ihm Hand in Hand mit der frucht barsten schriftstellerischen Tätigkeit. Wie eng dieser Zu sammenhang war, zeigt die von Dostojewskij ausgesprochene Besorgnis, man werde ihn in den Schuldturm stecken. Das war zu der Zeit, als er gerade an »Verbrechen und Strafe«*) arbeitete, und als er sogar schrieb, daß »wenn man ihn ins Schuldgefängnis setzte, er ganz sicher den Roman verderben und nicht einmal zu Ende bringen werde«. Zu großem Glück für die russische Literatur ist es zu einer solchen Eventualität nicht gekommen, und die russische Belletristik ist durch eins der bedeutendsten Werke bereichert worden. So groß aber auch die Geldnot bei Dostojewskij war, so ließ er sich doch nie darauf ein, auf Bestellung zu schreiben. »Ich habe den Schwur getan«, schreibt er an seinen Bruder, »selbst wenn es zum Äußersten kommt, fest zu bleiben und nichts auf Bestellung zu schreiben. Die Be stellung erstickt und vernichtet alles. Ich will, daß jedes Werk von mir besonders gut sei. Sieh Puschkin und Gogol an. Sie haben wenig geschrieben, und beide haben Denkmäler zu erwarten. Und jetzt (der Brief bezieht sich auf die fünfziger Jahre) erhält Gogol für den Bogen 1000 Rubel Silber, und Puschkin bekam einen Dukaten für den Vers. Dafür wurde ihr Ruhm, besonders der Gogols, durch Jahre der Armut und des Hungers erkauft.« Die Geldverlegenheiten Dostojewskijs hörten erst 1878 auf. Von diesem Jahre an fängt er sogar an ein kleines Kapital zu sammeln, was hauptsächlich dem Umstande zu verdanken war, daß sich der Absatz der Sonderausgaben seiner Romane vergrößerte. So zeigen die noch erhaltenen eigenhändigen Aufzeichnungen Dostojewskijs, daß der Reingewinn von diesen Ausgaben betrug: 1877: 1841 Rubel, 1878: 2377 Rubel, 1879: 2516 Rubel, 1880: 2687 Rubel. Das Honorar Dostojewskijs in den Zeitungen betrug schon zu Anfang seiner originellen schriftstellerischen Tätig keit 100 Rubel vom Druckbogen, und steigt im Verhältnis zum Erfolg seiner Romane auf 300 Rubel für den Bogen. Hauptsächlich hatte er die Erhöhung seines Honorars der Konkurrenz dreier Verleger zu danken: Krajewskij, Nekrassow und Katkow, von denen jeder den jungen, aber sehr popu lären Schriftsteller zu sich heranziehen wollte. Als Boborykin, der die »Lesebibliothek« herausgab, Dostojewskij aufforderte, für sein junges Unternehmen einen Roman zu senden, verlangte dieser nach Darlegung des »sich durchpickenden« Sujets des Romans »Der Spieler« 200 Rubel für den Bogen. Aber gleichzeitig schrieb er auch an N. N. Strachow, er würde auch mit 150 Rubel zu frieden sein, doch möchte er den Preis nicht herabsetzen, und deshalb wäre es besser, bei 200 Rubel zu bleiben. Für »Junger Nachwuchs«, der in den »Vaterländischen Memoiren« erschien, erhielt Dostojewskij 250 Rubel für den Druckbogen, für die »Brüder Karamasow« je 300 Rubel. Als er den Plan faßte, die »Memoiren aus dem toten Hause« zu schreiben, hoffte Dostojewskij von dem Heraus geber des »Sovrewennilr- (Zeitgenosse) 200 Rubel für den Bogen zu erhalten. »Sie (die Herausgeber) sind doch keine *) Deutsch bekannter unter dem Titel -Raskolnikow«, den der Roman in der deutschen Übersetzung von W. E. Henckel «r- halten hat. 1404
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