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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.12.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-12-06
- Erscheinungsdatum
- 06.12.1904
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- Deutsch
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11008 MchlamtUcher Teil. 283, 6. Dezember 1904 Hilfe müsse Redner widersprechen; Herr Pens übersehe, daß der Beamte eine gesicherte Lebensstellung habe mit Pension und Ver sorgung für seine Hinterbliebenen. Die Militärverwaltung habe den Jntendanturbeamten die Gründung eines Vereins verboten, weil ein solcher Verein möglicherweise Einfluß haben könnte auf die Politik. Von dieser Erwägung aus könnte sie gegen alle Konsumvereinsgründungen der Militärs ohne weiteres einschreiten, da diese tatsächlich allesamt auf die Politik Einfluß üben. Die heutigen Zustände rührten von der schrankenlosen Gewerbefreiheit her; damals habe Herr von Schweitzer offen ausgesprochen, daß er aus Bosheit für diese Freiheit eintrete, denn er wisse ganz gut, daß dadurch die kleine Geschäftswelt zugrunde gehen müsse. Und Lassalle hat sich ebenso deutlich dahin ausgesprochen, daß die Gewerbefreiheit den Pauperismus und das Proletariat geschaffen habe. Herr Peus schätze die wirtschaftliche Freiheit ungemein niedrig ein; politische Freiheit ohne wirtschaftliche sei nichts, sie entspreche in solcher Beschränkung nicht der Natur des Menschen. Den Beweis dafür habe die Sozialdemokratie in ihrer eignen Partei, wo alle Führer nach einer selbständigen Stellung als Zigarrenhändler, Wirtschaftsbudiker oder dergleichen strebten, aber nicht danach, als Kommis in einen Großbetrieb einzutreten. Die angeblich natürliche Entwicklungstendenz, die die Sozialdemokratie propagiere, finde sich nicht verwirklicht in der Landwirtschaft, wo ihr Programm rettungslos Schiffbruch gelitten habe. Die natür liche Entwicklungstendenz bei den Raubtieren fänden die Herren im Zoologischen Garten durch recht starke Eisengitter zurück gedrängt; — man nehme diese Gitter weg, und man werde sehen, was dann noch vom Zoologischen Garten übrig bleibe. Redner bitte, den Antrag Groeber in allen seinen vier Nummern an zunehmen. Abgeordneter Raa'b (wirtsch. Vgg.): »Wenn gegen die General klausel im Gesetz gegen den unlautern Wettbewerb auch der frühere Or. Vielhaben, der unsrer Richtung angchörte, gestimmt hat, worauf heute Herr Potthoff hinwies, so hat er damals allein gestanden und gehört heute dem Reichstag auch nicht mehr an. Gerade wir gehörten damals mit zu den Veranlassern des Ge setzes.« — In der freisinnigen Presse seien in letzter Zeit häufig Klagen über das Schmiergelderunwesen zu lesen; er freue sich, daß die Herren, die sich um die Organisation des Privatbeamten- standcs bemühten, jetzt endlich auch auf diesen Mißstand aufmerk sam geworden seien. Herr Peus sei auch heute einer Er klärung über die Absichten der Partei hinsichtlich des Mittelstandes ausgewichen; aber Herr Erzberger habe ihnen schon gesagt, daß ein Mann ohne Absichten eigentlich gar kein Mann sei. Die Herren gingen von der Revolution auf die Evolution über; sie bauten auf die Aufsaugung des Kleinen durch den Großen, das solle ihnen die Revolution ersparen. Wenn das das Ziel sei, so müßten sie es auch so rasch als möglich zu erreichen suchen; da dürsten sie sich nicht mit der bloßen »Ansicht- an Stelle der »Ab sicht« begnügen. Unwillkürlich verrieten sie ja doch ihre eigentliche Gesinnung. Herr Peus meine, die vielen kleinen Betriebe schadeten dem Nationalvermögen. Aber auch der bestgestellte Betriebsbeamte hänge von der Gnade oder Ungnade eines Einzelnen ab, und dieses drückende Bewußtsein sei schwerer als die mancherlei kleinen Nöte des selbständigen Handwerkers und Gewerbetreibenden; ein Volkssprichwort sage: »Lieber ein kleiner Herr als ein großer Knecht«. Darin liege mehr Volksweisheit als in allen Reden der Sozialdemokraten. Herr Peus habe im Laufe dieser Verhandlung die sozialdemokratische Presse als die absolut anständige gepriesen; das müsse er zurückweisen. Im »Hamburger Echo« seien in einer Nummer von 16 Seiten 8fis Seiten Inserate und davon 4^ Seite direkt marktschreierisch. Alle Warenhäuser und 14 Abzahlungsgeschäfte seien in dieser ein zigen Nummer vertreten, auch Hilfsmittel gegen die Magerkeit, schlechte Gewohnheiten, Bart- und Haarlosigkeit, wo derjenige bOOO bekomme, dem dieses Mittel nicht helfe. Ein Altonaer Warenhaus biete »hochfeine» Blusen zu 75 -Z an; ein Kon kurrenzhaus zeige daraufhin an, daß es diese Blusen ge kauft hätte, angeblich um sich zu überzeugen, welcher Schund das sei, und es verkaufe sie, solange der Vorrat reiche, für 25 H. In der Sonntagsbeilage der sozialdemokratischen »Neuen Welt« finde man ein Enthaarungsmittel, dann hygienische Bedarfsartikel, ein hygienisches Buch von einer Ober hebamme, eine chemische Fabrik, die ihre Präparate darbiete, durch deren Anwendung Lungenleiden und Schwindsucht geheilt würden. Dem folge ein Buch, das einen Kursus im Hypnotismus enthalte und vollen Erfolg in allen Lebenslagen verbürge; Lockenerzeuqer, kosmetische Präparate, Kraftpulver, dessen Gebrauch jedem Menschen eine Zunahme von 30 Pfd. in wenig Wochen garantiere; ein Mittel gegen Nasenröte für 4 „E, absolut wirksam, »wenn's nicht hilft, kriegt man 500 ^ Belohnung». Drei Anzeigen priesen die Schaffung idealer Büsten an; ferner Schriften für Eheleute und solche, die es werden wollen, mit und ohne Bilder, aber alle nur gegen Nachnahme oder Voreinsendung des Betrages. Solche Ausschreitungen imJnseratenwesen seien sehr zu beklagen. Der »Con- fectionär« habe 1892 die Grundlage der Warenhäuser mit dürren Worten dahin gekennzeichnet, daß es darauf ankomme, den Kunden zum Verkauf möglichst viele Artikel vorzulegen, die kleinen Artikel zum Selbstkostenpreise zu verkaufen, damit man an den größeren desto mehr verdiene; in jeder Woche müsse einmal der Ausverkauf von Resten stattfinden, in jedem Monat ein Tag zum Verkauf mit außergewöhnlich billigen Preisen angesetzt sein. Das sei der Zusammenhang. Darin liege keine Organisation, sondern lediglich Spekulation auf die Dummheit des Publikums, die leider Gottes immer die solideste Grundlage dieser Geschäfte bleiben werde. Auch Graf von Posadowsky sei einmal von dem Ham burger »Echo« gelobt worden, als er angeblich geäußert haben sollte, das Handwerk hätte seine Rolle ausgespielt. Wenn das einmal eintreten würde, dann würde auch die Nation ihre Rolle ausgespielt haben. Werner von Siemens habe gesagt, eine mög lichst große Anzahl selbständiger Existenzen sei das letzte Ziel der menschlichen Entwicklung. Möchte es sich fügen, daß wir dahin gelangen! Abgeordneter Frohme (Soz.): Die Art, wie Herr Raab und seine näheren Freunde in diesem Hause die Mittelstandspolitik betrieben, kennzeichne recht den Geist, der diese Mittelstands bewegung durchdringe. Niemals sei es einem sozialdemokratischen Blatte oder Politiker eingefallen zu sagen, daß die Erhaltung des Mittelstands nicht wünschenswert sei; er fordere Herrn Raab zum Nachweis dieser Behauptung heraus. Die Sozialdemokraten sagten nicht, der Mittelstand sei ihren Zielen hinderlich, sondern sie stellten lediglich die Tatsache fest, daß er sich gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung, die vom Kapitalismus regiert werde, nicht halten könne, selbst wenn er die bestgemeinte Hilfe der Regierung genießen würde. Es gebe nicht wenige Erzdemagogen, die ganz genau wüßten, daß sie den Handwerkern, den Klein bauern blauen Dunst vormachten, um im trüben zu fischen, namentlich um in diesen Kreisen bei den Wahlen auf dem Weg des unlautern Wettbewerbs Geschäfte zu machen. Bei den Antisemiten sei diese Demagogie in fast verblüffender Weise aus gebildet; für sie sei die Mittelstandspolitik das Mittel zum Zweck. Sei es denn etwa durch Zutun der Sozialdemokraten geschehen, daß der Mittelstand in den letzten Jahrzehnten sich immer mehr zersetze, immer mehr zerfalle? Dafür sei lediglich das kapitali stische Wirtschaftssystem und die kapitalistische Gesetzgebung ver antwortlich. Diesem Zuge der Entwicklung sei die Masse der kleinen selbständigen Existenzen nicht gewachsen. Es gebe be stimmt abgrenzbare Klassengebiete, aber kein bestimmt abgrenz- bares Gebiet, das man Mittelstand nennen könnte; der Mittelstand habe keine gemeinschaftlichen Klasseninteressen. Alle Maßnahmen, nach denen man rufe, würden ihren Zweck verfehlen. Wer die Geschichte des deutschen Handswcrks und Gewerbes kenne, würde solche Hoffnungen nicht mehr hegen. Über den Zerfall des Handwerks und des Mittelstands habe man in Deutschland scbon geklagt, lange bevor es einen Kapitalismus gegeben habe. Herr Raab habe mit hohem sittlichen Ernst die Sozialdemokratie angeklagt, daß sie sich nicht an der Rettung des Mittelstands be teiligen wolle; aber die suggestive Kraft solcher Redewendungen verliere sich immer mehr. Herr Raab habe an die Sozialdemo kraten die Frage gestellt, wie sie über die Zukunft des Schicksals des Mittelstands dächten. Sie hätten ja längst ihrer Meinung Ausdruck gegeben, daß er nicht zu erhalten sei. Damit sei aber durchaus nicht gesagt, daß es auch mit der preußischen Nation zu Ende sei. In Hamburg werde niemand glauben, daß seine (Red ners» Partei durch die Aufnahme der erwähnten Inserate im Hamburger -Echo« den Mittelstand bewußt schädige; das seien antisemitische Kinkerlitzchen, auf die niemand mehr hereinfalle. Die Annoncen in der »Neuen Welt- hätte die Partei selbst ver urteilt, der Parteitag hätte sich energisch dagegen erklärt; aber man könne sich nicht sofort von gewissen eingegangenen geschäft lichen Verpflichtungen freimachen. Weiter sprachen noch die Abgeordneten l>r. Pach nicke (frs. Vrgg.), Raab (wirtsch. Vgg.s und Frohme (Soz.). Damit schloß die Beratung. In der Abstimmung wurde die Resolution Gröber in allen ihren vier Nummern (Erweiterung des Gesetzes, Regelung des Ausverkaufswesens, Änderung des Gesetzes über die Abzahlungs geschäfte, Verbot der Gründung und des Betriebs von Waren häusern durch Offiziere und Beamte) angenommen. Die Resolution Rettich (Ausverkaufswesen) wurde ebenfalls angenommen. Die Resolution Patzig (Ausverkäufe und Auktionen) wurde abgelehnt und darauf gemäß dem Antrag Gröber dem Reichs kanzler als Material überwiesen.
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