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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.04.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-04-08
- Erscheinungsdatum
- 08.04.1907
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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^ 80, 8. April 1907. Nichtamtlicher Teil Börsenblatt f. d Dtschn. Buchhandel. 3657 daran anschließend lautet Artikel 20 der preußischen Ver fassung vom 31. Januar 1850: Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Weiter Artikel 27: Jeder Preuße hat das Recht, durch Schrift, Druck, bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Zensur darf nicht eingeführt werden, jede andre Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung; und schließlich Artikel 28: Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind durch allgemeine Strafgesetze zu be strafen. Anschließend hieran sei noch auf Artikel 4 der Reichsverfasfung hingewiesen: Der Beaufsichtigung seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen 6) Schutz des geistigen Eigentums. — Diese Rechtssätze bedeuten wohl die größte Errungenschaft des Liberalismus. Auf ihnen baut sich unser gesamtes heutiges staatliches Leben auf. Sie erwirkten uns die Freiheit unsers geistigen Seins. Sie erscheinen uns als die Grundpfeiler unsers geistigen Fortschritts, und so tief wurzeln sie im heutigen Volksleben, daß nur durch einen Staatsstreich oder durch eine Revolution sie beseitigt werden könnten. Wir haben hier daran festzuhalten, daß die Forderung der Preßfreiheit zuerst innerhalb des Buchhandels und der sich ihm anschließenden Kreise aufgestellt worden ist, und während die Durchführung dieser Forderung noch im achtzehnten Jahrhundert für unerfüllbar galt, ist sie jetzt ein Allgemeingut des deutschen Volks geworden. Nicht von gleicher Bedeutung, aber das Buchgewerbe in seinem innern Bestand schützend, der produktiven Arbeit zu ihrem Recht helfend sind die Gesetze über den Nachdruck. Schon in den Jahren 182?—1829 hat Preußen allein 31 Verträge zum Schutz des Nachdrucks abgeschlossen. Erst aber in die Jahre nach 1880 fällt die eigentliche inter nationale Regelung des Nachdrucks hinein. Noch sind hier nicht alle Wünsche verwirklicht, noch ist der Gedanke eines gemeinsamen Rechtsschutzes nicht international durchgedrungen. Aber durch die internationalen Konferenzen, durch die Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 und die Pariser Zusatz- Akte und Deklaration vom 4. Mai 1896 ist auch hier eine Grundlage geschaffen worden, von der wir hoffen dürfen, daß sich das Ziel eines wirksamen Schutzes erreichen läßt. Überblicken wir kurz den Entwicklungsgang des Buch handels in der Periode des Liberalismus, so wird er dahin zu charakterisieren sein, daß an die Stelle von Verwaltungs maßnahmen feste Rechtsnormen getreten und daß gegen ein etwaiges Schwanken politischer Anschauungen seitens der Regierungen dem Buchhandel und seinen Angehörigen feste Bürgschaften in den Grundrechten der Verfassung ge geben sind. * * » Gehen wir nun zu dem dritten Abschnitt, den wir zu betrachten haben, zum modernen Staat, wie er sich seit 1880 entwickelt hat, über. Ihn richtig in seinen Umrissen aus der Gegenwart heraus zu zeichnen, wäre ein vergebliches Unternehmen. Nur indem wir ihn mit der Vergangen heit vergleichen, können wir einzelne wesentliche Merk male erkennen und an den Unterschieden bemessen, welche Eigenarten er besitzt. Er zeigt ein ganz andres Gepräge als der merkantilistisch-absolutistische Staat des achtzehnten Jahrhunderts oder als der ökonomisch-liberale Verfassungs staat der vorangegangenen Periode. Er baut sich auf ihm auf, er vertritt wesentliche Forderungen vergangener Zeiten. Aber sein inneres Gefüge, die Ziele, die er verfolgt, die Wege, die er dazu einschlägt, beweisen uns, daß wir im Beginn einer neuen Staatsperiode sind. Vor allem: der Staat zeigt ein organisches Gefüge, er greift auf alle Gebiete des staatlichen Lebens über. Das Leben jeder einzelnen Gruppe Börsenblatt für de» Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang, innerhalb des Staates, ihr Fortschritt wie ihr Rückgang, wird bedingt durch die Wechselbeziehungen zum Staat, Hatte der ökonomische Liberalismus die Forderung aufgestellt, der Staat habe sich von allen wirtschaftlichen Fragen fern zu halten, so sehen wir jetzt das gerade Gegenteil. Durch die Schutzzoll- Politik greift er regelnd in die wirtschaftlichen Beziehungen des In- und Auslandes ein. Den Jnnenmarkt sucht er durch seine Verkehrspolitik gleichfalls zu beherrschen. Der gesamte Güterverkehr in Deutschland, die Größe und der Umfang der Massenbewegung der Güter wird wesentlich durch die jeweilige Tarifpolitik der deutschen Eisen bahnen, damit des Staates beeinflußt, und ebenso ist die Mobilisierung der Menschenmassen abhängig von dem Per sonentarif. Und nicht etwa blind nur von fiskalischen Rück sichten geleitet, sucht der deutsche Staat seine Eisen bahnpolitik zu führen, ganz im Gegenteil, die große Macht, die er durch die Beherrschung des wichtigsten Verkehrsmittels — der Eisenbahn — hat, sucht er in den Dienst einer nationalen Wirtschaftspolitik zu stellen. Das Wesentliche bleibt aber immer hier, daß nicht dem freien Verkehr aus sich heraus gestaltend die Weiterentwicklung überlassen wird, sondern daß der Staat von einheitlichen Gesichtspunkten ausgehend in das Verkehrsleben, die eigentlichen Nerven stränge des sozialen Körpers eingreift. Aber nicht nur in die wirtschaftlichen Gebiete sehen wir den Staat mit mächtiger Hand eindringen, auch auf den geistigen nimmt er eine Stellung ein, die anklingt an die Macht der katholischen Kirche des Mittelalters. Jene Zeiten scheinen uns von unserm heutigen Standpunkt aus unter einem unerträglichen Druck zu seufzen. Nichts davon findet man, wenn man die Berichte der Zeitgenossen liest. Nur als das System sich überlebt hatte, brach der Konflikt aus. Und so haben wir uns auch heute so an den geistigen Druck, der vom Staate ausgeht, gewöhnt, daß wir ihn in seiner vollen Kraft kaum empfinden. Ein ungeheures Bildungsstreben geht durch alle Schichten des deutschen Volks; noch nie, zu keiner Zeit sehen wir ein derartiges Be gehren nach Wissen. Aber im wesentlichen empfangen wir unsre Bildungsmittel durch den Staat und geraten damit in tiefste Abhängigkeit von ihm. Von der Volks schule bis zur Hochschule ein organischer Aufbau unsers Bildungswesens; aber alles vom Staat geregelt und geleitet. Keine Freiheit auf diesem Gebiet! Ein jeder muß die vor geschriebenen Prüfungen machen, erhält nur den vom Staat approbierten Wissensstoff und wird auf Grund der vom Staat gebilligten Bücher belehrt. Keine Zensur. Aber zu keiner Zeit ist der Buchhandel vom Staat in seinem Ab satz von Schulbüchern und dergleichen abhängiger gewesen, als in der Gegenwart. Auch der Artikel 20 der preußischen Verfassung: »Die Wissenschaft in ihrer Lehre ist frei« gilt nur in beschränktem Umfang; ein Gelehrter von der Größe und Bedeutung eines Marx fände keine Lehrstätte an unfern deutschen Hochschulen. Nicht mehr wie im achtzehnten Jahrhundert sind Krone und Beamtenschaft ausschlaggebend für die Fragen des Staatslebens. Immer mächtiger hat sich in den letzten Jahrzehnten das Parteiwesen entwickelt. Auch hier können wir an dem Unterschied der Gegenwart und der Vergangen heit den Wandel der Zeit ermessen: der gebildete Deutsche der Vergangenheit wuchs ohne jede politische Bildung auf; dagegen kann der moderne Staat nur bestehen, wenn die Mehrzahl seiner Staatsangehörigen politische Bildung be sitzt. Ja, im tiefsten Grunde baut sich der moderne Staat auf die Vertiefung und Ausbreitung politischer Bildung in weitesten Volkskreisen auf. Diese zu verbreiten ist in erster Linie die Aufgabe der Presse. Zwei große Parteien haben dies zuerst erkannt: das Zentrum und die Sozialdemokratie. 480
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