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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.11.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-11-13
- Erscheinungsdatum
- 13.11.1907
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- Deutsch
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- Saxonica
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12114 Börsenblatt s. d, Dlschn. Buchhandel. Fertige Bücher. 265, 13. November ISO?. Literarische Ausgrabungen.') Es hat im allgemeinen keinen guten Klang, das Wort „literarische Ausgrabungen". Man denkt an mancherlei Zu taten der Goethe-Philologie oder an die Versuche, den Men schen des zwanzigsten Jahrhunderts die zweite schlesische Dichterschule nahe zu bringen. Auch bei manchem tiefer und feiner Gebildeten ist das Interesse an den Funden gering, die über eine literarische Erscheinung — Persönlichkeit oder Werk — ein überraschendes, Helles Licht werfen, die nicht nur die Kenntnis von der betreffenden Schöpfung und ihrem Schöpfer erweitern, sondern die Bedeutung geretteten Lebens gewinnen. Um so merkwürdiger ist die schwache Teilnahme an literarischen Ausgrabungen, je größer und allgemeiner die Beschäftigung mit den kunstwissenschaftlichen Ergebnissen der Archäologie und neuerdings auch mit neu erschlossenen rein historischen Quellen geworden ist. Was schuld daran ist? Zum Teil der einseitig auf das „Klassische" gerichtete Zug der humanistischen Gymnasialbildung, zum Teil der un kritische Sinn und die Spekulationslust gewisser Literatur- Archäologen, die ein vorübergehendes Interesse, etwa bei Jubiläen, zu schranken- und kritikloser Ausbeute des Schaf fens ihrer Helden benutzen. Zum Teil gewiß auch die durch raffinierte Buchkunst und popularisierende Tendenzen ge hobene Überproduktion von Ausgaben bekannter und be kanntester Werke, von den sogenannten „Brevieren" und an deren Mitteln, die Aufmerksamkeit des Publikums auf wenige nicht Auserwählte, sondern oft wahllos Ausgewählte zu kon zentrieren und von den Pfaden abzulenken, auf denen die Einsamen wandelten und wandeln werden. So kommt es, daß die gebildete Welt achtlos an Erscheinungen vorübergehen konnte, die einen tiefen Blick in neue Weiten der Lebens und Gedankenkreise von Männern erschlossen, welche mitten unter uns leben, ob sie gleich gestorben sind. Manches spricht dafür, daß die Erkenntnis von dem Wert vieler neuerer Memoirenwerke allmählich den Sinn für die ernsthaften literarischen Ausgrabungen geweckt hat. Gewiß aber macht noch ein anderes das Verlangen nach ihnen wach: Die Zeit des hitzigen Kampfes um eine moderne deutsche Literatur ist — das darf heute gesagt werden — vorüber. Der »Revolution« ist bei einem Teil der Empfäng lichen Resignation, bei einem andern Teil die Zuflucht zu schimmernder Wcutkunst oder zu einer etwas marklosen Auf frischung romantischen Geistes gefolgt. Man erwartet von der Zukunft der vor zehn Jahren proklamierten Genies nicht mehr viel. Die Losung heißt Rückzug. Aber wohin? Der wissen schaftlichen Forschung, die lange genug bemüht gewesen ist, die Produkte moderner Literatur in ihr Gebäude der Literatur- Geschichtswissenschaft zusammenzufassen, ist freilich der Weg gewiesen. Ihn zu beschreiten und auf ihm sicher weiler zugehen, dazu ermutigen vortreffliche Sammlungen, wie die bei B. Behr in Berlin erschienenen »Deutschen Literatur denkmale des 18. und 19. Jahrhunderts« und manche andere. Aber was sie bieten, ist schwer zu behandelndes Material. Rüstzeug für den Gelehrten, der krittsch vorzugehen vermag. Von größerer allgemeiner Tragweite sind die Versuche, das deutsche Leser-Publikum mit dem Unbedingt-Lebendigen ver traut zu machen, das ein gütiges Geschick aus dem Nachlaß unserer Großen oft durch einen Zufall ans Tageslicht ge fördert und so der Welt erhalten hat. Vor einiger Zeit hat der Verlag der SüddeutschenMonats- hefte in München, zur Feier des hundertsten Geburtstages Friedrich Theodor Wischers, des prächtigen Schwaben, *) Die Frankfurter Zeitung vom lO. November d. I. enthält obigen Artikel, den wir den Lesern des Börsenblatts zur Kenntnis bringen möchten. Süddeutsche Monatshefte, G. m. b. H., München. Briefe aus Italien in Buchform herausgegeben. In Tausenden von Exemplaren ist das köstliche Buch schon verbreitet. Friedrich Theodor Wischers Briefe aus Italien waren eine echte und rechte literarische Ausgrabung, und bezeichnend für deutsche Literaturzustände ist es, daß diese Ausgrabung nicht etwa 1907 gemacht worden ist; nein, vor reichlich drei Jahren hat sie Robert Bischer veröffentlicht in den ersten Heften der jetzt weit und breit geachteten, blühenden Zeitschrist. Jetzt sind sie ein „aktuelles" Buch. — In unseren Tagen ist soviel von dem die Rede, was man gemeinhin „Aktualität" nennt. Der typische Raubmord ist, weil er von heute ist, aktuell — nur nicht für den, der den neuen Pitaval kennt. Das Tagebuch einer Verlorenen ist aktuell, weil die abolitionistische Bewegung gekommen ist — nur nicht für den, der Dumas oder gar die Renaissance-Ita liener kennt. Eckermann ist nicht aktuell, und doch ist gut die Hälfte von dem, was er aus Goethes Munde weiß, unerhört lebendig, über alle Zeit erhaben, wahrhaftig und einleuch tend . . . Den Sinn für das Ewig-Lebendige wecken, nicht aus historischer Methode, sondern aus dem Willen reif zu machen, das ist eine hohe und ernste Aufgabe. Sie zu lösen, dazu ist eine einzelne Zeitschrift, die naturgemäß den belletristi schen, politischen und wissenschaftlichen Neigungen ihrer Leser entgegenkommen muß, nicht imstande. Aber man wird den von Paul Nikolaus Coßmann in Gemeinschaft mit Josef Hofmiller, Friedrich Naumann, Hans Psitzner, Hans Thoma und Karl Voll herausgegebenen Süd deutschen Monatsheften zugestehen dürfen, daß sie in den drei Jahren ihres Bestehens mit Erfolg tätig gewesen sind, durch Publikation reicher literarischer Ausgrabungen nicht Tote interessant erscheinen, sondern uns einen tiefen Blick tun zu lassen in die Werkstatt großer Geister, mehr: in das schaffende Leben auch solcher, mit deren Namen wir vielfach schulmäßig enge und darum falsche Begriffe verbinden. Überblickt man das, was die Süddeutschen Monatshefte bislang an Dokumenten zur Geistesgeschichte Deutschlands beigetragen haben, so ergibt sich ein reiches Material vor nehmlich intimer brieflicher Äußerungen von starkem histo rischen und psychologischen Wert. Die Briefe Friedrich Th. Wischers aus Italien sind nicht allein unentbehr liche Beiträge zum Lebenswerk des berühmten Ästhetikers und Dichters; sie sind vor allem als äoeuwents buwalns von allergrößter Bedeutung, abgesehen davon, daß sie unter den bekannten Schilderungen italienischer Landschaft und ita lienischen Volkslebens niit in erster Reihe stehen. Von Bischer haben die Süddeutschen Monatshefte auch sonst, ihrer speziellen Aufgabe entsprechend, Wichtiges mitgeteilt; so werden seine grandiosen Vorträge über Julius Kerner, seine Urteile über Auch Einer (in Briefen an C. F. Meyer) unmittel bare Bedeutung behalten. Es ist natürlich schwer zu ent scheiden, ob die Publikation solcher Funde ein beinahe er loschenes Interesse an dem Autor aufs neue kräftig zu be leben vermag, oder ob, wie im Falle Bischer, die Be reicherung seines Lebensbildes just in eine Zeit fällt, die der Würdigung seines Schaffens besonders günstig ist. Jede lite rarische Persönlichkeit, die sich aus sich selbst heraus zu entwickeln imstande war, kommt einmal in den Umkreis solcher Zeit, und es ist nur die Frage, ob etwa eine entgegen gesetzte Mode ihr »Aufkommen« unterdrückt oder nicht, und ob die den Spezialisten schon an sich fesselnde Beschäftigung mit ihr allgemeiner Brauch wird. Eine Zeitschrift, die sich der Abhängigkeit von der Mode grundsätzlich begibt, hat natürlich die Möglichkeit, ohne auf empfindliche Zeitgenossen Rücksichten nehmen zu müssen, also aus sachlichen Gründen, sich der Erschließung neuer Quellen zu widmen. Die Süd-
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