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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.02.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-02-01
- Erscheinungsdatum
- 01.02.1910
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- Deutsch
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1368 Börsenblatt f. d Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 25. 1. F.bruar 1910. (vr. Popert) Meine Herren, es handelt sich demnach bei § 184 des Reichs- strasgesetzbuches und dem Ausschußantrage um zwei durchaus verschiedene Tatbestände. Tatbestände, die sich allerdings zu einander verhalten, wie zwei sich schneidende Kreise. Gewiß, es kann Fälle geben, die sowohl unter den § 184 des Strafgesetz buches als auch unter unfern Ausschußantrag fallen. Das ist dann einfach der für jeden Strafjuristen (vielleicht nicht für jeden Juristen) geläufige Fall der Jdealkonkurrenz, der gar nichts Außergewöhnliches enthält. Also. m. H., das Argument, womit Herr vr. Wolffson die reichsgesetzliche Unzulässigkeit des Ausschußantrages auf Grund des Strafgesetzbuches dartun wollte, ist absolut hinfällig, mehr noch: ist einfach indiskutabel. Sehr viel diskutabler ist Herrn Vr. Knauers Argument, richtig ist es allerdings auch nicht. Herr vr. Knauer sagt: »Du, Ausschuß, greifst ein in einen Kreis zusammengehöriger Rechts sätze, die als Ganzes vom Strafgesetzbuch schon geregelt sind». Mit diesem Argument aber, m. H., hat sich der Ausschußbericht bereits auf das Eingehendste befaßt, und ich meine, die Arbeit des Ausschusses, die, wie ich sagen darf, den Stempel der Sorg falt an der Stirne trägt, wäre wert gewesen, daß auch Herr vr. Knauer sich mit der Beweisführung des Berichtes wenigstens befaßt hätte, anstatt sie wiederum durch ein Dekret abzutun. Die Sache liegt juristisch so: Das Delikt, daß der Ausschußantrag schafft, ist nur eine Übertretung. (Eine Übertretung ist nach § 1 Abs. 3 des Reichsstrafgesetzbuches alles, was nur bestraft wird mit Haft oder Geldstrafe bis zu 150 jede andere Straftat ist ent weder ein Verbrechen oder ein Vergehen. Nun ist, wie der Aus schußbericht eingehend nachweist, die Materie der Sittlichkeits übertretungen im Strafgesetzbuch überhaupt nicht geregelt, das geht erstens schon hervor aus der Überschrift des einschlägigen Abschnittes des Strafgesetzbuches, des Abschnittes 13, die aus drücklich lautet: »Verbrechen und Vergehen wider die Sitt lichkeit«. Schon darin liegt für jeden Kenner des Strafgesetz buches die zwingende Argumentation, daß Übertretungen hier nicht geregelt sind. Dann erklären zweitens alle Kommentare, die dem Ausschuß Vorgelegen haben, ausdrücklich, daß die Materie der Sittlichkeitsübertretungen im Strafgesetzbuch nicht geregelt ist. Wir haben im Ausschußbericht angeführt Franz von Liszt, wir haben uns berufen auf eine eingehende Spezialarbeit, die in Band 4 der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft erschienen ist. Ob das alles, m. H, nun wirklich dadurch ent kräftet ist, daß Herr vr. Knauer in seiner Rede dekretiert (ich bitte, das verlesen zu dürfen): »Die Einwendungen, die vom Ausschuß erhoben werden, sind nicht stichhaltig«? Ich, m. H., möchte bezweifeln, daß die Bürgerschaft Lust hat, gegenüber so eingehenden Argumenten, sich Herrn vr. Knauers Machtspruch zu beugen. Bleibt noch zu erledigen das ganz merkwürdige Gegen argument des Herrn vr. Philippi. Herr vr. Philippi behauptet, das Strafgesetzbuch könne auch stillschweigend eine Materie regeln, es könne stillschweigend bestimmen, daß eine Materie nicht strafbar sein soll. In dem zur Entscheidung stehenden Falle aber hätten, bitte achten Sie darauf, die reichsgesetzgebenden Faktoren nicht nur stillschweigend, sondern ausdrücklich bestimmt, daß hinsichtlich des Verkehrs mit anstößigen Schriften nichts weiter strafbar sein solle, als was das Strafgesetzbuch selbst bereits enthalte. M. H, ob die ganze Theorie von der stillschweigenden Rege lung einer Materie durch das Strafgesetzbuch überhaupt haltbar ist, scheint mir sehr zweifelhaft. Aber darüber will ich nicht pole misieren. — Nur, m. H., habe ich bisher immer geglaubt, — vielleicht in meinem jugendlichen Unverstand,— die reichsgesetzgebenden Faktoren seien der Bundesrat und der Reichstag, ein ausdrück licher oder meinetwegen auch stillschweigender Beschluß der reichsgesetzgebenden Faktoren liege also nur dann vor, wenn der Reichstag und der Bundesrat ausdrücklich oder still schweigend einverstanden seien. Ich danke Herrn vr. Philippi kür die Belehrung, daß ich mich darin geirrt habe und daß »die reichsgesetzgebenden Faktoren« nur durch den Reichs tag dargestellt werden. Herr vr. Philippi hat ja gesagt: Weil der Reichstag einen bestimmten Gesetzesantrag abgelehnt hat, deshalb haben die reichsgesetzgebenden Faktoren erklärt, der Gegenstand dieses Antrages ist jetzt eine vom Strafgesetzbuch geregelte — negativ geregelte — Materie. M. H., das ist eine Juristerei, die mir beinahe an das heran zureichen scheint, was ich Ihnen vorhin von Herrn vr. Wolffsons Ausführungen über das Verhältnis von Polizei und Gerichten vorzulegen die Ehre hatte. (Heiterkeit.) Ich muß sagen, ich weiß nicht, wem von beiden Herren ich für das uns heute be schäftigende Gebiet die Palme geben soll, und kann mir nur so aus dem Dilemma helfen, daß ich einen Ausspruch des großen Goethe analog anwende. Der hat bekanntlich gesagt, als man darüber stritt, ob er oder Schiller größer sei: »Meine Herren, freuen Sie sich doch, daß wir zwei solche haben.« M. H.! Nachdem ich Ihnen so gezeigt habe, daß die Argumente, die uns klar machen sollten, unser Ausschußantrag sei nach den Reichsgesetzen nicht möglich, wirklich absolut unhaltbar sind, komme ich nunmehr zum Sachlichen, zu dem »Wir wollen nicht!« der Gegner. M- H.! Dazu müssen wir zunächst einmal seststellen: Welches sind die tatsächlich bestehenden Zustände, gegen die unser Antrag sich richtet? Herr vr. Wolffson hat es ja fertig gebracht, den Ein druck zu erwecken, als wenn unser Antrag sich richte gegen die Freiheit des Buchhandels. Ich habe das gesehen aus einem Artikel einer hiesigen großen Zeitung, nämlich des »Hamburgischen Correspondenten«, eines Artikels, der die Überschrift trägt: »vr. Wolffson für die Freiheit des Buchhandels«. Kein Wunder! Denn Herr Vr. Wolffson hat es ja so dargestellt, als müßten nach uuserm Anträge aus den Schaufenstern verschwinden: zahlreiche Bücherausdem GebietederMedizin, derPsychiatrie, der gerichtlichen Medizin, des Hypnotismus, des Magnetismus, Schillers «Räuber«, Lessings »Emilia Galotti«, Shakespeares Dramen aus nahmslos. M. H.! Darauf, wieweit solche Befürchtungen über die Wirkung des von uns vorgeschlagenen Gesetzes überhaupt in sich möglich sind oder nicht, komme ich gleich. Ich will vorher noch an einem besonderen Falle dartun, wie ungeheuerlich Herr vr. Wolffson das Bild objektiv verschoben hat, wie sehr seine in den Zeitungen so sehr anerkannte meisterhafte Dialektik dazu gedient hat — objektiv, wie ich betone —, die Öffentlichkeit irre zu führen. Einen Fall, der auch das zeigt, in welchem Geiste des Vernichtens um jeden Preis Herr vr. Wolffson an unfern Vorschlag herangegangen ist. Er hat u. a. gesagt, unter unser Gesetz würde fallen die »Geschichte der Revolutionen«. (Unruhe.) Das ist nicht zu leugnen, das steht im Stenogramm; übrigens haben Sie es alle gehört. Unser Ausschußantrag sagt im letzten Absatz seiner Ziffer 1 aber ganz ausdrücklich: »Eine Schrift kann wegen ihres politischen, religiösen oder konfessionellen Charakters als unter diese Bestimmung fallend nicht angesehen werden.» Ich frage Sie, m. H., was ist das für eine Art, zu arbeiten? Der Ausschubantrag enthält eine derartige ganz klare Bestimmung, an der nicht zu drehen und zu deuteln ist. Herr vr. Wolffson aber — trägt die nicht mit vor und sagt, in klarem Widerspruch zu ihr — auch die »Geschichte der Revolutionen« falle unter das Gesetz. Ja, m. H., so macht man Effekt. Herr vr. Wolffson, jeder, der mich kennt, weiß, wie fern meiner Natur irgendwelche Gehässigkeit liegt. Wie wenig es sonst meine Art ist, irgend jemanden persönlich zu be kämpfen. Und gerade, was Ihre Person angeht, darf ich mich dazu auf einen Vorgang berufen, der noch nicht allzulange zurückliegt. Damals, m. H., als Herr vr. Wolffson hier so glück lich in die Debatte über den Köhlbrandvertrag eingriff, brachte am nächsten Tage der »Hamburgische Correspondent« einen Artikel über ihn, worin er als der bedeutendste Mann der Bürgerschaft gefeiert wurde. Ich habe, nachdem ich den Artikel gelesen, sofort dem Chefredakteur der Zeitung, Herrn vr. v. Eckardt, einen Zu stimmungsbrief geschrieben. Ich wollte der erste sein, der zu stimmte, und ich glaube, ich bin es gewesen. Herr vr. v. Eckardt wird den Brief noch vorlegen können. So begeistert habe ich Herrn vr. Wolffson verehrt — bis zu seiner Rede vom Mittwoch, den 1. Dezember. Und wenn ich Sie nun angreife, Herr vr. Wolffson, so ge schieht es für die Not unseres Volkes, geschieht es in der Notwehr gegen Ihren Angriff vom 1. Dezember. Es wird mir blutig schwer, Sie anzugreifen; ich habe nichts davon, ich werde morgen
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