Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.02.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-02-01
- Erscheinungsdatum
- 01.02.1910
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19100201
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191002016
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19100201
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1910
- Monat1910-02
- Tag1910-02-01
- Monat1910-02
- Jahr1910
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
(vr. Popert) noch einmal besprechen, vr. Philippi hat (in bezug aus den Simplizissimus) gesagt: Es ist deshalb Tatsache, daß sich an diesem Blatte potente, künstlerische und geistige Kräfte betätigt haben, und die kann und darf man nicht in den Schmutz und Schund werfen, selbst wenn man davon überzeugt ist, daß sie verderblich wirken. Ja, m. H., das ist für mein Gefühl nicht nur ungeheuerlich, sondern auch gänzlich unverständlich. Ich habe immer geglaubt: je kräftiger ein Feind ist, desto schärfer greift man ihn an! Gegen ein derartiges völliges — wie soll ich mich zulässig ausdrücken — ich will sagen »Umwölktsein« des natürlichen Empfindens möchte ich doch als Gegengift einen etwas derben, aber zutreffenden Satz eines der besten lebenden Männer, eines liberalen Mannes setzen, das Wort des Obermedizinalrats, Professor vr v. Gruber in München: »Weder die Kunst noch Literatur sind für die Existenz eines Volkes unentbehrlich, unentbehrlich ist aber eine gesunde Jugend! Die Gesamtheit aller Kunstwerke zusammengenommen ist nicht so viel wert wie die Gesundheit unsres Nachwuchses.« M. H. Wir werden ja Gott sei Dank garnicht vor die Wahl gestellt: Entweder Kunst und Literatur oder gesunde Jugend. Aber wenn hier derartige Dinge ausgesprochen werden: daß eine Sache, von der man überzeugt ist, daß sie verderblich sei, darum nicht als Schmutz oder Schund behandelt werden dürfe, weil sie potenten künstlerischen und geistigen Kräften ihre Ent stehung verdankt, ja dann bekommt man aber das Bedürfnis, in dem Kernwort eines bedeutenden Mannes das auszusprechen, was — im Gegensatz zu solcher Weisheit — die gewaltige Mehr heit der deutschen Männer und Frauen, die gewaltige Mehrheit des deutschen Volkes Gott sei Dank empfindet. Unser Ausschuß bericht ist getragen von einer Weltanschauung, die mit den Worten der Bibel sagt, daß der Mensch Herr ist über alle Dinge. Auch über die Kunst. Der Mensch ist nicht für die Kunst da, sondern die Kunst ist für den Menschen da. Die Kunst ist gut, sie kann zum Höchsten führen, soweit sie das Menschengeschlecht zum Auf stieg leitet. Die Kunst ist vom Teufel — Sie verstehen, wie ich das meine - soweit sie die Menschheit in ihrem Entwicklungsgang herabzieht. Wer anders denkt, mit dem diskutiere ich nicht. Ihm sage ich nur: ich will sehen, ob deine Gedanken, die uns ins Verderben ziehen müssen, wirklich die Macht gewinnen. Und will zu meinem Teil wehren Helsen, daß sie es tun. M. H.! Es handelt sich in dieser Frage am letzten Ende um einen scharfen Gegensatz der Weltanschauungen uud der Persön lichkeiten. Um einen Gegensatz, der, solange der Kampf um solche Dinge geht, alle parteipolitischen Unterschiede und Bindungen wegsegt, der die Männer, die in solcher Frage zusammenstehen, viel enger bindet, als jedes parteipolitische Band sie binden könnte.' Ich will ausdrücklich betonen: ich bin stolz darauf, in dieser Frage Schulter an Schulter mit Herrn Pape zu fechten. Bin es des halb, weil ich glaube, daß wir solche Männer, wie Herrn Pape, brauchen, daß ihnen die Zukunst noch einmal danken wird. In unserer Zeit, wo fast jeder Mensch sich fürchtet, ausgelacht zu werden, wo kaum einer es mehr wagt, seinen eigenen Weg zu gehen aus Angst vor dem Spotte Andersdenkender und der feindlichen Presse, da ist es Goldes wert, daß wir Leute, wie Herrn Pape, haben, die den Mut haben, sich aus lachen zu lassen in der Bürgerschaft und den Angriffen einer unverständigen Presse Trotz zu bieten. (Bravo!) Ich bin außerordentlich stolz darauf, Schulter an Schulter mit diesem Herrn zu kämpfen, den ich ganz besonders hoch schätze. Wir, m. H., sehen jede Maßregel darauf an, ob sie den Menschen hebt, ob sie dem Aufstieg unseres Volkes und der Menschheit dient, und wenn wir das erkannt haben, sagen wir nicht »Ja, aber . . .«, sondern »Ja, also . . .« Unsere Gegner kennen alles mögliche: »moderne Anschauungen«, »Angst vor dem Polizeiknüppel«, »Freiheit von Handel und Gewerbe« — nur den lebendigen Menschen und seine Bedürfnisse, den kennen sie nicht. Danach, m. H., wollen Sie die vorliegenden Anträge prüfen. Der Ausschuß hatte die Aufgabe, sowohl die Schmutz- wie die Schundliteratur zu treffen. Wollte er auch die Schundliteratur treffen, so mußte er versuchen, das durch eine juristische Definition zu machen; wir konnten es nicht anders tun, als indem wir die beiden Momente in die Definition hineinnahmen, die für die Schundliteratur charakteristisch sind: Die Störung der gesunden Entwicklung der Jugend und, als Ursache dafür, die Überreizung der Phantasie. M. H.I Wenn Ihnen das nicht praktisch erschien, dann lag es Ihnen ob, Verbesserungsvorschläge zu machen. Herr Wolshagen hat einen Verbesserungsvorschlag gemacht. Wenn er nachweist, daß sein Entwurf auch die Schundliteratur trifft, will ich gern anerkennen, daß der wirklich eine Verbesserung gegen über dem Ausschußantrage ist. Im übrigen ist auch mir der heute von Herrn v. Rode an geregte Gedanke (durch einen außerhalb des Hauses siebenden Amtskollegen) nahegebracht worden. Der Gedanke nämlich, ob wir nicht wirklich am allerbesten tun, die Worte »Schmutz- und Schundliteratur« selbst in das Gesetz hineinzunehmen und uns ruhig darauf zu verlassen, daß die Gerichte diese Begriffe ver nünftig auslegen werden. Gerade der Gebrauch dieser Worte selbst bietet vielleicht den allerbesten Schutz gegen den so lebhaft befürchteten »Mißbrauch«; daß unter die Begriffe »Schmutz- und Schundliteratur« weder Emilia Galotti, noch Shakespeares Werke fallen, wird auch Herr vr. Wolffson zugeben. Ich will auch, um uns diese Möglichkeit zu sichern, noch einen Antrag überreichen (Heiterkeit.) Was soll das Lachen? Ich will dadurch der Sache dienen. (Rohde: Das war nicht gegen Sie gerichtet, das war ein freundliches Lachen!) Zu der Fassung des Ausschußantrages selbst möchte ich noch eins bemerken: Herr vr. Wolffson hat in seiner Rede vom l. Dezember erklärt, der Gedanke, daß die Angst vor Störung der gesunden Entwicklung (notadene der Jugend!) eine Strafe rechtfertige, sei seiner Überzeugung nach »ungeheuerlich«. Ja, m. H., da sind wieder einmal Unterschiede in der Weltanschauung. Unter Strafe stellt der Staat die Verletzung der Güter, die er für die wichtigsten hält. Nun ist die Entwicklung der Jugend — darin werden, glaube ich, fast alle Mitglieder dieses Hauses mit mir übereinstimmen — eins der allerwichtigsten Güter des Staates. Und Herr vr. Wolffson findet es »ungeheuerlich«, die Verletzung dieses Gutes unter Strafe zu stellen! Ich muß erklären: da hört mein Verständnis auf. Es liegt endlich der Antrag Wolfhagen auf Rückverweisung der Sache an den auf 12 Personen zu verstärkenden Ausschuß vor. Und nun werden Sie sich vielleicht wundern, wenn ich Ihnen dazu das Folgende sage: Gewiß, am liebsten wäre es mir, Sie nähmen den Ausschußantrag (oder einen seiner Ersatzanträge) und daneben den Antrag des Herrn vr. Mönckeberg glatt an. Aber ich habe auch nicht das mindeste dagegen, wenn Sie die ganze Sache an den Ausschuß zur nochmaligen Prüfung zurück verweisen. Wir Ausschussmitglieder sind (leider jetzt mit Aus nahme des Herrn Kollegen Krause) alle so überzeugt von der unanfechtbaren Richtigkeit unseres Standpunktes, daß wir nicht das mindeste dagegen haben, die Anträge — vielleicht unter Mitwirkung von Senatskommissaren — juristisch nachprüfen zu lassen. Wir behalten doch recht! Auch die Herren, die den Antrag des Herrn De. Mönckeberg annehmen wollen, können ruhig sür die Rückverweisung stimmen: Denn der Antrag des Herrn De. Mönckeberg kommt aus dem erweiterten Ausschuß ganz sicher auch heraus. Dasür kann ich mich verbürgen Auch die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion sollten nicht der Zurückverweisung entgegenstehen; die Herren stehen doch vor der Tatsache, daß ihr Vertreter — uud zwar aus guten Gründen — sehr lebhaft am Zustandekommen der Ausschußanträge mit gewirkt hat. Und die Gründe, die er heute dafür angeführt hat, daß er nun anderer Meinung geworden sei, sind nur juristische, die er aus den Ausführungen der Herren vr. Wolffson und vr. Philippi entnommen hat — also nach meinen Darlegungen kaum stichhaltig. Noch ein — recht nüchternes — Moment für die Rück verweisung: Wenn der Antrag Wolshagen aus Rückverweisung angenommen wird, haben wir unsere Sitzungen wieder frei. Wird dieser Antrag nicht angenommen, wiederholen sich unsere Debatten möglicherweise bis ins Unendliche Denn die Herren vr. Wolffson und vr. Philippi werden sich gegen jeden der vorliegenden Anträge wehren wie die Löwen. Wir haben dann vielleicht noch fünf oder sechs Sitzungen auf diese Sache zu verwenden. Dabei steht das Aussührungs- gesetz zum Gerichtsversassungsgesetze drängend vor der Tür, der Antrag auf Teuerungszulage und andere wichtige Dinge können 178»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder