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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.02.1910
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- 1910-02-01
- Erscheinungsdatum
- 01.02.1910
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- Deutsch
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25, 1. Februar 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1373 <Or. Wolffson) kein Richter. Bei zweideutigen und unklaren Ausdrücken pflegt der Richter — allerdings unter dem Widerspruch einer großen Anzahl schriftstellerischer Autoritäten — sich an die Entstehungsge schichte und die Protokolle zu wenden. Aber wie kann, wenn im Gesetz klar und deutlich steht, es solle das Auslegen eines Buches verboten werden, das die Phantasie eines Kindes überreizt, ein Richter sagen: »Nein, Bücher, die für Erwachsene bestimmt sind und nicht von Kindern gelesen werden sollen, fallen nicht unter das Gesetz«? Man darf doch nicht erwarten, daß der Richter das Gegenteil sagt von dem, was der Ausschuß beantragt und der Gesetzgeber be schlossen hat. Herr Pape hat das mit den drastischen Worten ausge drückt: »Daran denkt ja niemand, ein Buch unterdrücken zu wollen, das über Vorgänge auf dem Gebiete des Geschlechtslebens handelt«. Ich brauche mich nicht zu zitieren, ich würde es auch nicht wagen, mich auf meine Ansicht zu berufen nach der Kritik, die ich eben über mich gehört habe. Ich brauche mich nur zu beziehen auf das Reichsgericht. Ja, Herr vr. Popert, hat denn das Reichsgericht auch lauter Mitglieder, die absolut ermangeln jeden juristischen Verständnisses? Sie hätten nachschlagen sollen in den reichsgericht lichen Urteilen. Das Reichsgericht hat mit dürren Worten gesagt, daß, wenn man bei Beantwortung der Frage, welche Bücher aus gelegt werden dürfen, als Maßstab die Phantasie der Schuljugend ansieht, ein wissenschaftliches Buch, welches sich mit Vorgängen auf dem Gebiete des Geschlechtslebens befaßt, nicht ausgelegt werden dürfe. Angesichts solchen autoritativen Ausspruchs wagt man hier auf der Tribüne diejenigen, die auf dem Standpunkt stehen, daß das Gesetz so, wie es lautet, ausgelegt werden muß, gänzlicher Unfähigkeit und absoluter Unwissenheit zu zeihen, sie weit unter die Stufe eines Referendars zu stellen, — wobei ich doch im Interesse der Referendare bemerken will, daß ich auch in deren Sinne diese Äußerung für äußerst bedenklich halte. (Heiterkeit.) Herr I). Rode, dessen Rede selbstverständlich angesichts seiner Persönlichkeit objektiv und sachlich gewesen ist, hat sich darüber beklagt, daß die Bürgerschaft einen Ausschuß zur Lösung dieser Frage niedergesetzt habe und daß die Bürger schaft vielleicht jetzt geneigt sei, die Ausschußanträge abzu lehnen. Ja, m. H., warum haben wir die Niedersetzung dieses Ausschusses beschlossen? Ich selbst habe für diesen Antrag gestimmt, weil wir die Existenz des Übels erkannt und weil wir es für denkbar gehalten haben, daß es dem Ausschuß gelingen könnte, ein Heilmittel gegen dieses Übel zu finden. Hat irgend jemand von uns auf dem Standpunkt gestanden, daß sich ein Ausschuß mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigen solle, daß eine solche Frage gänzlich gleichgültig sei? Ich habe zwar nicht daran geglaubt, daß der Ausschuß die Lösung finden werde; aber ich habe trotzdem natürlich für die Niedersetzung des Ausschusses gestimmt, und ich bin aus demselben Grunde von Anfang an entschlossen gewesen, für den Antrag des Herrn vr. Mönckeberg zu stimmen, obgleich ich nicht glaube, daß mit diesem Anträge ein Erfolg erzielt werden wird. Ich habe dem Ausschüsse niemals einen Vorwurf daraus gemacht, daß er die Lösung nicht gesunden hat; ich konnte ihm auch den Vorwurf nicht machen, weil ich selbst nicht in der Lage gewesen wäre, diese Lösung zu finden. Aber, m. H-, wir können doch nicht, nachdem der Ausschuß seine Beratungen geschlossen hat, nunmehr jede Medizin, die uns der Ausschuß reicht, annehmen, selbst wenn wir der Überzeugung sind, daß die Medizin das Übel nicht heilt, wohl aber eine andere Krankheit hervorruft. Der Mönckebergsche Antrag bewegt sich auf durchaus korrektem, juristischem Boden. Ich glaube nicht, daß der Senat dem Anträge folgt; ich glaube nicht — ich will den Hauptgrund für diesen Glauben hier nicht nennen —, daß der Senat Neigung hat, bei der Reichsregierung den Erlaß eines neuen Reichsgesetzes zur Beförderung der Sittlich, keit zu beantragen; der Senat wird es meiner Überzeugung nach schon deshalb nicht tun, weil er, wenn er den Antrag stellt, die Verantwortung im Bundesrate trägt, und auf die Frage der Reichsregierung, wie er sich das Gesetz denke, ge- wappnet sein und einen Vorschlag machen muß Ich bin über- zeugt, daß der Senat dazu nicht imstande sein wird. Aber, wie gesagt, Herrn vr. Mönckebergs Antrag ist empfehlenswert, weil Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß durch eine Anregung bei der Reichsregierung auf diesem Gebiete etwas Gutes geleistet werden kann. Nun, m. H., komme ich zu dem Vorwurse, den mir Herr Krause und Herr vr. Popert gemacht haben, zu dem Vorwurf, den Herr Krause — warum eigentlich, weiß ich nicht, da er sich auf meinen Standpunkt gestellt hat — mit wilden Wor ten vorgebracht hat (er selbst wird übrigens den Fehler kaum gefunden haben) und den Herr vr. Popert dazu verwandt hat, um mich als absoluten Ignoranten auf dem hier fraglichen Gebiete zu stempeln. Ich habe ein Ver sehen begangen; hätte ich meine Rede vier Monate lang präpariert, hätte ich sie wie andere vollständig ausgeschrieben, hätte ich mir jedes Wort zu Hause notiert, dann wäre natürlich ein Versehen, das man bei einer eisrig gesprochenen, lebhaften Rede begeht, nicht möglich. Es ist mir wirklich ein unbehaglicher Gedanke, über diese Sache zu sprechen. Ich habe einen so klein lichen, ich will es mal nennen Angriff, in den 30 Jahren, während deren ich in der Bürgerschaft bin, noch nicht erlebt. Wenn wir uns hinsetzen wollten und wollten nachspüren, welche kleinen Fehler die einzelnen Redner in ihren Reden gemacht haben und ob sie ein Wort korrigiert haben im stenographischen Berichte, dann würden wir auf eine Stufe herabsinken, auf der wir, Gott sei Dank, heute nicht sind. (Sehr richtig!) Die Sache lag folgendermaßen: Ich habe gejagt, es nütze dem Buchhändler, der dem Befehle nicht gehorcht und die Entscheidung des Gerichts angerufen hat, nichts, wenn das Gericht nachher erkläre, daß der polizeiliche Befehl ungesetzlich gewesen ist, denn er habe seine Strafe schon bekommen. Ich hätte sagen müssen: »denn er wird seine Strafe noch bekommen«. Das ist der Fehler, der gemacht worden ist. Diese Bemerkung habe ich auf einen Zurus gemacht. Also habe ich sie, Herr Krause, improvisiert gemacht und nicht erst zu Hause überlegt. Ich habe also auf den Zuruf hin statt von der Zukunft von der Vergangenheit gesprochen. Als am nächsten Tage der stenographische Bericht vor mir lag, habe ich, wozu jeder Redner berechtigt ist, diesen Irrtum verbessert. Das wirft mir Herr vr. Popert nun vor; er sagt, dies wäre ein Beweis dafür, daß ich nichts von der Strasprozeßordnung wisse. Nun hat diese Sache mit der hier vorliegenden An gelegenheit gar nichts zu tun. Wie man dieses Versehen ver gleichen kann mit dem Vorwurf, der dem Ausschüsse gemacht worden ist, daß er eine reichsgesetzlich unzulässige Bestimmung in einem monatelang ausgearbeiteten Berichte beantragt hat, das ist mir nicht verständlich. Es ist sachlich natürlich absolut gleichgültig, ob der Betreffende vor oder nach dem gerichtlichen Urteil seine Strafe erleidet. Herr vr. Popert geht dann weiter; er sagt, das, was ich gesagt habe, sei auch in anderer Beziehung gänzlich verkehrt. M. H.! Die Straßenordnung droht als Strafen Geldstrafe oder Haft an. Selbstverständlich ist das Gericht nicht nur in der Lage, sondern gezwungen, wenn gegen die Straßenordnung verfehlt wird, auf die Strafe der Straßenordnung zu erkennen. Nun können Sie mit vollem Recht sagen, es brauche nicht Haft, es könne eine Geldstrafe verhängt werden. Es ist aber selbst verständlich, daß ein Redner, wenn er etwas drastisch darstellen will, sich nicht an die Minimalstrafe, sondern an die strengere Strafe hält. Aber Herr vr. Popert— ich kann es nicht von ihm verlangen; denn er war damals noch nicht Richter, als diese Erkenntnisse ab gegeben wurden — kennt die Urteile nicht, die ich bei meiner Bemerkung im Auge hatte. Meine Bemerkung war absolut richtig. Die Herren von der äußersten Linken werden sich erinnern, daß wir in Hamburg, Berlin und Lübeck verschiedene Urteile gehabt haben, welche gegen Arbeiter ergingen, die Streikposten gestanden haben. Die Schutzleute — es ist immer derselbe Fall gewesen — haben den Arbeiter sortgewiesen; der Arbeiter hat nicht gehorcht und hat gerichtliche Entscheidung verlangt. Das Gericht hat dann erklärt, daß der Befehl, den der Polizeibeamte gegeben hat, ungesetzlich gewesen ist; aber es verurteilte trotzdem den Arbeiter, weil er, wenn ihm auch gesetzlich das Recht des Streikposten stehens zustand, doch durch Nichtbefolgung des Befehls gegen das Gesetz verstoßen habe. Verschiedene derartige Urteile existieren. Ich hatte schon in der vorigen Sitzung ein Urteil bei mir, und auf dieses Urteil beabsichtigte ich, zu exemplifizieren. 179
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