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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.09.1910
- Strukturtyp
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- 1910-09-16
- Erscheinungsdatum
- 16.09.1910
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- Deutsch
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10582 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 215, 16. September 1910. mein unlängst erschienenes, das gesamte Gebiet der Schrift frage umfassendes Werk »Die deutsche Buchstabenschrift« (Leipzig-Borsdorf 1910, A. Hasert u. G-), obgleich er sich in seinem Aufsatze in Nr. 203 d. I. fast ausschließlich mit diesem beschäftigt. Diese Werke muß man aber kennen, wenn man über eine so wichtige Frage unseres Volkes urteilen will. Die Zeitschrift des in der Schriftfrage unpartei ischen Allgemeinen Deutschen Sprachvereins schrieb über mein Buch: »In dem leidenschaftlichen Kampfe der Latein- und Deutschschriftler wird dieses Werk voraussichtlich einen neuen Zeitabschnitt einleiten, denn eine so erschöpfende Untersuchung über die deutsche Buchstabenschrift hat uns bisher gefehlt. Jeder, der zu der Frage Stellung nimmt, welche Schrift gattung den Vorzug verdiene, wird sich mit diesem Buche bekannt machen müssen.« Es ist also ein Ausfluß von Un wissenheit und Ungewissenhaftigkeit, wenn Herr Hölscher alte Ladenhüter, irreführende Schlagwörter und Mätzchen vor bringt, die vielleicht vor zwei Jahrzehnten noch Eindruck machten, aber nicht mehr heutzutage. Früher hatten die Lateinschriftler wenigstens in einem Punkte den Schein des Rechtes für sich. Gesonderte, einzelne Lateinbuchstaben, besonders einige große römische Stein buchstaben, werden auf etwas weitere Entfernung, als die entsprechenden deutschen, wahrgenommen. Dieses unmittel bare Sehen einzelner Buchstaben ist aber für fortlaufendes Lesen ganz belanglos. Älles Lesen ist mittelbares Sehen mit der seitlichen Netzhaut, Überfliegen, Erraten (vgl. Runen »raten«, englisch rsaä —raten,für lesen). Wirsehen nicht einzelne Buchstaben beim Lesen, sondern unser Auge erfaßt die Wort bilder. Und in den Wortbildern ist die deutsche Schrift ausdrucksvoller, kennzeichnender, deutlicher und daher les barer, auch wegen unserer vielen langen Wörter für die deutsche Sprache geeigneter, als die zn rundlichen Massen verfließende lateinische, weil die deutschen Buchstaben deut lichere, in die Augen fallende Kennzeichnungen (z. B. Ober und Unterlängen), Brechungen und Abschlüsse besitzen, und dem Auge mehr Anhalte- und Stützpunkte bieten, als die Lateinbuchstaben. Diese für die Lateinschriftler un angenehme Tatsache sucht Herr Hölscher durch ein abge brauchtes Täuschungsmittel zu verschleiern, indem er ein deutsches Wort in lauter Großbuchstaben neben ein eben solches lateinisches setzt, ein bekannter Kunstkniff der Herren Ausrotier. Würde er mit blanken Waffen fechten, dann müßte er zugeben, daß die Anwendung von lauter Groß buchstaben in einem Worte für die deutsche Schrift un angemessen ist und auch fast nie vorkommt; dann würde er z. B. Wörter, wie etwa folgende, neben einander setzen: ^VLlcks886ösn Waldesseeen vorg68obriebsnsrwg.886ii vorgeschriebenermaßen 6lsnn888trsitiglrsitöir Genußstreitigkeiten Oborvervaltungegsriobterat Oberverwaltungsgerichtsrat OrÄ886N8s Grassense 6g.886ng6ma8obms Gassengemaschine Bei derartigen Wörtern kann jeder Unbefangene sehen, daß die deutsch gedruckten Wortbilder durch unbestreitbar größere Bildhaftigkeit und Übersichtlichkeit, also Lesbarkeit, ausgezeichnet sind, unterstützt obendrein durch das Schmäler laufen der Bruchschrift. Und da sollen wir unsere Schrift, die offensichtlich für unsere Sprache besser geeignet ist, als die runde, achtlos verschleudern! Daß man lange Wörter in Bruchschrift leichter lesen könne, als in Lateinschrift, glaubt Herr Hölscher nicht. Jeder Unvoreingenommene möge sich von dieser Tatsache überzeugen. Wer nicht überzeugt sein will, lasse es bleiben. Auf »die kleinlichen Kontroversen, ob die Fraktur oder Antiqua für die Augen gesünder ist«, will Herr Hölscher nicht eingehen. Die Gründe sind ziemlich durchsichtig, weil nämlich statistisch mehrfach nachgewiesen ist, daß die Lateinschrift dem Auge schädlicher, als die deutsche ist. Herr Hölscher kann es nicht fassen, daß ver- wickeltere Buchstabenformen ausdrucksvollere Wortbilder, als einfache Formen, ergeben. Er beachte einmal, ob ein scharf ge schnittener Charakter-Kopf oder ein gleichmäßiges Alltags-Gesicht mehr in die Augen fällt und sich besser einprägt. Von der Technik des Lesens hat Herr Hölscher keine Kenntnis. Nicht eine Anzahl lateinischer Großbuchstaben wirkt ermüdend, wie er irre führender Weise sagt, sondern die abwechselungslose Art der Abschleifung der Groß- und Kleinbuchstaben: o 6, Ir X, o 0, p k, 8 8, v V, v W) x X, zs 1, 2 2. Herr Hölscher bringt natürlich den alten Ladenhüter von den »acht Alphabeten«. Wir lesen sogar noch viel mehr als acht, da die deutsche Schrift zahlreiche Spielarten besitzt, die in ihren Formen kleine Abweichungen zeigen. Die um 1470 von einseitigen, rück- schrittlerischen, vor dem klassischen Altertums in Ehrfurcht er sterbenden Gelehrten wieder ausgegrabene Römerschrift, die als lateinische oder Humanisten-Schrift ihr Auferstehen feierte, ist auch nur eine Spielart. Kinder, die eine Spielart der deutschen Druckschrift lesen können, können die Lateinschrift und alle anderen deutschen Druckschrift-Spielarten von selber lesen. Höchstens die Erlernung der Schreibschrift macht einige unwesentliche Schwierigkeiten, bildet aber auch eine gute Zucht und Schulung für Hand und Formensinn der Kinder. Die Aufbauschung dieser höchst unwichtigen Sache zeigt deutlich die Verlegenheit der Herren Ausrotter darüber, daß ihnen nun auch die letzten ihrer Schein gründe entwunden sind. Auf alles Weitere der auf 32 Seiten meines Buches behandelten Zweckmäßigkeits- Erwägungen hat Herr Hölscher nichts zn sagen. Wenn man ernste, gewissenhafte Untersuchungen wahrheitsliebender Männer so übers Knie bricht, darf man in solch wichtiger Frage nicht mitreden. Auf die Anführung von Aussprüchen bedeutender Männer zu gunsten der Lateinschrift will Herr Hölscher verzichten; trotzdem bringt er den oft herangezogenen Ausspruch von Leibniz, der »für einen guten Teil teutschec Bücher« lateinische Schrift wünscht. Sonst würde es auch mit den Aussprüchen hapern. Höchstens müßte man wieder auf den unglücklichen Jakob Grimm zurückgreifen, der durch seine Äußerung über die deutsche Schrift*) bewiesen hat, wie gänzlich unkundig dieser wackere Sprachforscher auf dem Gebiete der Schrift frage war. Mit den weiteren Kronzeugen der Lateinschriftler hat es nämlich sein Aber. Professor Brenner (Würzburg), auf den sie sich gern berufen, empfiehlt Offenbacher Schwabacher als Vermittelungsschrift. Graf Zeppelin, der auf die ihm angetragenc Ehrenmitgliedschaft eingegangen ist, schreibt seinen Namen sein Leben lang mit deutschen Buchstaben. Es bleiben nur noch die Greifswalder Herren: der Antiqua- Professor Stengel und Professor Bernheim als die »be deutenden Männer«. Die Summen namhafter Deutscher zu Gunsten unserer Bruchschrift nehmen in meinem Buche 24 Druckseiten ein. Unter diesen Kronzeugen finden sich Dürer, Luther, Kant, Klopstock, Goethes Mutter, Wieland, Herder, Goethe, Jean Paul, Simrock, Bismarck, Gustav Frey- tag, Moritz Heyne, Reichspostmeister v. Stephan, der Ver fasser von »Rembrandt als Erzieher«, Rosegger und sehr viele andere. Trotzdem »lediglich praktische Gründe« in der Schriftfrage »entscheiden dürfen«, schreibt Herr Hölscher recht viel über die geschichtliche Seite, meist in ganz schiefer Darstellung. Nach Hölscher soll sich die Bruchschrift im achten bis zehnten Jahrhundert in ihrer so eigenartigen Weise bei allen Völkern des Abendlandes zugleich entwickelt haben: eine geschichtliche *) Die »verdorbene« gotische Schrift habe sich zur Zeit der erfundenen Druckerei gerade gebildet!
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