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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.12.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-12-09
- Erscheinungsdatum
- 09.12.1910
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- Deutsch
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vT 285, 9. Dezember 1S10 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt I. d Dtschn. Buchhandels 15307 buchstaben vor allem deutschen Schreibern zu danken ist. — Wo ist der Beweis für diese Behauptung? Die Lateinschrift ist aus italienische Humanisten zurückzuführen. Die ersten Drucke stammen aus Venedig vom Jahre 1471. 9. Die »spitze« Schreibschrift ist schädlicher als die Druck- sraktur. Die »Altschrift« ist schreibslüchtiger als die Bruchschrift. — Wo ist der Schatten von Beweisen für diese Behauptungen? Professor Kirschmann hat sie durch sorgfältigste Untersuchungen restlos widerlegt. Wer natürlich sein ganzes Leben lang, wie Windeck, vorwiegend Lateinschrift geschrieben hat, dem erscheint sie schreibflüchtiger. Er hält dann die Macht der Gewohnheit für Schreibflüchtigkeit an sich. Windeck spielt Soennecken, einen Geschäftsmann, gegen Professor Kirschmann, den Mann der Wissenschaft, der ernsten Forschung, aus, natürlich nur, weil Soeneckens Liebhaberei ihm in den Kram paßt. Ich habe das ganze einschlägige Schrifttum mit aller Sorgfalt zu Rate ge zogen. Auf die Einseitigkeiten der Soenneckenschen »Wissen schaft« kann ich füglich verzichten. 10. Es ist Tatsache, daß der gotische Stil in Nordfrankreich entstanden ist. — Dies ist keineswegs »Tatsache«, sondern eine Lehrmeinung, die heute überwunden ist, wie manche andere. Der gotische Stil kommt gar nicht zuerst im nordöstlichenFrank- reich vor. Schon vorher tritt er an verschiedenen Orten Europas, doch nur dort, wo einst germanische Völker gesessen haben, ver streut auf, z. B. auf Sizilien, wo Normannen, in Oberitalien, wo Langobarden, in Nordspanien, wo Westgoten gewohnt haben. Die ältesten gotischen Bauwerke sind in Skandinavien überliefert: die Kirchen von Sando, Gärum und Föle auf der Insel Gotland (1050, 1058 und 1096 erbaut). 11. Da nun selbst der runde, romanisch genannte Baustil von Reinecke als echt deutsch beansprucht wird — Mit keiner Silbe habe ich in meinem Buche, noch im »Heimdall« seit fünfzehn Jahren den romanisch genannten Baustil als echt deutsch bezeichnet; nur in den früheren »Mitteilungen« des Schriftvereins habe ich dies einmal als möglich angegeben. Da auf diese kurze Bemerkung hin die Lateinschriftler überall die Behauptung ansstreuen, die Bruchschrift-Anhänger hielten den romanischen Baustil für echt deutsch, will ich hier ein für allemal erklären, daß ich von der früheren, mir schon damals zweifelhaften Annahme längst völlig zurückgekom men bin. 12. In den Konversations-Lexiken von Meyer und Brock haus führen in der Schriftfrage leider nur Lateinschriftler das Wort. Daß die romanischen Völker seit Karl dem Großen bis 1470, die Engländer noch länger, dieselbe gebrochene Schrift wie die Deutschen verwandt haben, ist nie in Abrede gestellt worden. Die Deutschen müssen wohl gewichtige Gründe gehabt haben, daß sie den Übergang zur Lateinschrift nicht mitgemacht haben, die in der besseren Anpassung der Bruchschrift an unsere Sprache zu suchen sind. Gerade deshalb ist die Bruchschrift in erhöhtem Maße eine deutsche. 13. Daß den Ausländern, allgemein gesprochen, die deutsche Schrift als Brotschrift zuwider sei, ist unwahre Behauptung. Sie verwenden sie sogar nicht nur als Zierschrift, sondern auch zuweilen für längere Drucke. Mir liegen z. B. vor: ein längeres Rundschreiben der Brüsseler Weltausstellung in französischer Sprache, ein Blatt aus einem spanischen Gebetbuche in spani scher Sprache, längere Bibelsprüche, Glückwunschkarten, ameri kanische Hochzeitsanzeigen und -Einladungen in englischer Sprache, die ausschließlich in Bruchschrift gedruckt sind, und von denen ich zum Teil Schriftproben in meinein Buche veröffent licht habe. 14. Daß jährlich viele nach dem Auslande gesandte Briefe mit deutscher Aufschrift verloren gingen, ist unwahr, bzw. stark aufgebauscht. Ich sende seit 20 Jahren Briefe mit Aufschriften in rein deutscher Schrift auch nach den fernsten Fremdländern (Australien, Südamerika, Südafrika, Asiat. Rußland usw.), und noch nie ist ein einziger verloren gegangen. Leser »Heimdalls« in Chile und anderwärts haben mich ausdrücklich ersucht, die ganze Aufschrift nur in deutscher Schrift zu schreiben. Alle Ausländer lernen mit unserer Sprache unsere Schrift. Franzosen haben mir während meines früheren Aufenthalts in Paris versichert, daß sie Deutschsprachiges lieber und leichter in deutscher Schrift läsen. In der Zeitschrift des Sprachvereins hat ein Auslandsdeutscher in Schottland sich in demselben Sinne geäußert, desgleichen in den früheren Mitteilungen des Schriftvereins ein Deutscher, der lange in Mittelamerika als Lyzeums-Leiter wirkte, desgleichen Herr Verlagsbuchhändler Ruprecht, der in den Vereinigten Staaten gelebt hat, desgleichen Professor Kirschmann in Kanada. Ich erhalte noch jetzt viele Briefe von Engländern, von Buren usw. ausschließlich in deutscher Schrift. 15. Daß die Träger der aufgeführten sechs Namen die »berühmtesten Augenärzte« seien, wird ein Unvoreingenom mener wohl nicht unterschreiben. Von 22 im Jahre 1906 be fragten Augenärzten haben sich nur neun für die Lateinschrift ausgesprochen. Heute, wo die wichtigen Kirschmannschen Untersuchungen vorliegen, wird es Wohl keiner mehr wagen, sich aus augenärztlichen Gründen dafür zu erklären. 16. Unwahr ist, daß die Schulkinder lieber lateinische als deutsche Schrift schrieben. Das Gegenteil ist der Fall. Daß unsere Kinder erbärmliche Handschriften hätten, ist neu. Hätte Windeck längere Zeit im Auslande gelebt und die dortigen Handschriften gesehen, er würde sich nicht durch solche unhalt baren Behauptungen bloßstellen. Daß unsere Volksschul- Jugend eckig, steif, unordentlich und wenig an sprechend, und dies noch dazu infolge unserer Schrift (!) sei, ist eine einfach großartige Feststellung. Vielleicht findet Herr Windeck die schmutzigen, vielfach zerlumpten Kinder gestalten in romanischen und slawischen Ländern schöner. Daß unsere deutschen Kinder im allgemeinen bessere Haltung, besseres Benehmen und sauberere Erscheinungen als jene auf weisen, bedarf keiner Frage. Aber zu solchen Übertrei bungen lassen sich die Lateinschriftler nur zu oft Hinreißen, und besonders Herr Windeck. Ein Gesinnungsgenosse von ihm hatte schon einmal die Bruchschrift für Rückgratver krümmungen, Nervenkrankheiten und Ver brechen verantwortlich gemacht!! Ein ruhiger, sachlicher Kampf wird bei derartigen Maß losigkeiten zur Unmöglichkeit. 17. Der Gipfel wird dann am Schlüsse erstiegen, wo es heißt: Die öffentliche Meinung habe in den Masseneingaben des Altschriftvereins machtvollen Ausdruck gefunden (!). Die »Masseneingaben«, d. h. die Unterschriften sind auf Anregung des Herrn Windeck von einem kleinen Häuflein Unentwegter znsammengebracht worden. Wie das geschehen, darüber hat der Lateinschriftobmann Professor Kewitsch in der »Reform« selbst aus der Schule geplaudert. Er schrieb dort u. a.: »Ich verschonte weder Stammtische noch Lesesäle; alle Geschäfte, mit denen ich zu tun hatte, zollten Tribut... Der Direktor einer Bank (der die Einzeichnungsliste nicht nehmen wollte), mochte wohl, da ich langjähriger Kunde der Bank bin, sich n i ch t un gefällig erweisen.« Als an zwei Tagen die Teilnehmer listen zu einem Maskenballe auslagen, setzte sich der Herr Professor zweimal vier Stunden an die Kasse, und forderte die in der Maskenball-Stimmung befindlichen Leutchen auch zur Unterzeichnung der Bruchschrift-Ausrottungslisten auf, wozu sich die meisten wohl ohne das Schriftstück zu lesen bereit fanden. »Der Fnßball-Klub benutzte gern die Ge legenheit, mir, seinem Ehrenmitglied e, ge fällig zu sein« usw. Also unter wirtschaftlichen Preß- versuchen, Überredungen, Überrumpelungen an Stammtischen, 1983»
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