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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.01.1892
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1892-01-28
- Erscheinungsdatum
- 28.01.1892
- Sprache
- Deutsch
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512 Nichtamtlicher Teil. 22, 28. Januar 18S2. Vor fünfzig Jahren. Ein Rückblick von Alfred von Seefeld. Heule vor 50 Jahren, am 24. Januar 1842, kam ich als Lehrling in die Hclwing'sche Hosbuchbandlung. Wenn man auf einen solchen gleichmäßig in Arbeit, Sorge und Hoffnung verlebten Tagen in ein Nichts zusammen, und man würde cs selbst nicht glauben, so viele Jahre durchlebt zu haben, wenn^ nicht die besonderen Ereignisse, die kommt, wohl auch den geneigten Lesern mittheilen. Ich war, um Buchhändler zu werden, von dem Lyceum abgcgangcn. Einige Jahre vorher war die höhere Bürgerschule unter Direktor Tell- kampf gegründet, bis dahin war das Lyccum die einzige höhere Lchr- Straße geht über den Platz, wo cs gestanden; im Anbau wohnte der Direktor, der gelehrte Grotesend. Beim Abbruch kaufte der Pastor Bö- deker die Steine und erbaute daraus das jetzige Schwesternhaus Aufsicht und der völlige Mangel an freier Zeit (wir halten nur i.!' vierzehn Tage einen halben Sonntag frei) erst wenig behagen wollten, ist wohl erklärlich. Die Helwing'sche Hofbuchhandlung lag damals in der KramerstroP Nr. 591 (jetzt Nr. 13); sic rühmte sich eines mehr als lOOjährig Bestehens, hatte bedeutenden Verlag — z B. Werke von Leibniz und Scharnhorst aus älterer Zeit, aus neuerer von Karinarsch und gängige ausgestattct und hatten Portofreiheit für alle Sendungen bis zu 4 Lot Gewicht. Die Postfreihcit hatte sich früher bis 1 Pfund erstreckt, war dann beschnitten und wurde 1848^aufgehobcn. Trotz des bedeutenden Geschäflsumfangcs hatten wir nur zwei kleine Geschäftsräume: den Laden, der durch eine hängende Ocllampc von zwei Flammen erleuchtet war, und das Kontor, in welchem der Chef, der Buchhalter, zwei Lehr linge und zwei Austräger arbeiteten. Der Chef und der Buchhalter standen sich gegenüber und sahen von einer Oellampe, wir anderen hatten Talglichter mit den jetzt unbekannten Lichtschercn zum Putzen Aber wir hatten wenigstens einen gedielten Fußboden; der Buchhalter erinnerte sich noch, daß cs Steinpflaster gewesen war (von der Art. wie der jetzige Schloßplatz das letzte Beispiel giebt) und daß ein Kunde sich dazwischen den Fuß gebrochen habe. Die -Hannoversche Zeitung- existierte schon, aber sie zu lesen, oder gar zu halten, war ein unerhörter Luxus. Die Wochenblätter »Posaune» für Belletristik, Kunst- und Theaterkritik, von H. Harrys, und das »Volks blatt», von Or. Schröder hciausgcgebcn, fanden besseren Absatz, die ersterc in den höheren Kreisen, das zweite bei Bürger und Bauer Das Hauplorgan, welches die Stelle des jetzigen »Tageblattes- cinnahm. waren die -Hannoverschen Anzeigen- mit dem Beiblatt -Hannoversches Magazin. Sie erschienen Mittwochs und Sonnabends im -Jntelligenz- Comtoir«, das sich an der Lcinstraße im »Haus der Väter- befand, dort stand auch das Hoflhcatcr — die Stelle neben dem Schloß ist jetzt un bebaut. Bei dem seltenen Erscheinen hatten Ankündigungen eine ganz andere Wirkung als jetzt; wenn die Helwing'sche Hofbuchhandlung gar einmal eine Büchcrankündigung von G. Basse oder Ernst in Quedlinburg beigclegt hatte, so halte ich als Lehrling die ganze Woche im Laden zu thun, um die angekündigtcn Bücher vorzulegcn, — und jetzt zweifelt man manchmal, ob die schönsten, brillant illustrierten Ankündigungen überhaupt angesehen werden. Auch Journale und Zeitschriften gab es damals nur wenige. Ich erinnere mich an die -Leipziger Modenzeitung-, die -Zeitung des Judcn- thums-, das -Pfennig-Magazin«, das -Heller-Magazin» und einige andere. Die -Jllustrirlc Zeuung« und die -Fliegenden Blätter« müssen bald darauf entstanden sein, etwas später die -Stuttgarter Musterzeitung«, aus welcher das ganze Heer der Damenzeitungcn: -Bazar«, -Modcnwelt- u. s. w. hcrvorgcgangen ist. -Gartenlaube-, -Daheim« und alle anderen illustrierten Familicnblättcr sind späteren Ursprungs. Die wenigen Journale kamen allwöchentlich in einem Postpakete, alles übrige in dem einen wöchentlichen Ballen, den -Fuhrmann Ottcn's Geschirr- brachte, der meistens am Sonnabend-Morgen eintraf. Wenn der Ballen aber bis Mittag nicht da war. dann ging der Buchhalter auf dem Packhofc vor und sagte: -Nun schickt um Gotteswillen den Ballen nicht mehr, sonst müssen wir heute Abend und morgen daran arbeiten, das hat Zeit bis Montag.» Eure Wonne waren mir die täglich oftmaligen Wege zur Post, da mir als jüngstem Lehrling die Be>orgung der Postsachen oblag. Die Post befand sich damals -auf dem Berge-, unweit der jetzigen Synagoge, die Gebäude sind jetzt verschwunden. Der Briesschalter war 12 Stunden zäglich geöffnet und nur mit einem Beamten besetz'. Da jeder Brief einzeln laxiert und bezahlt werden mußte und allein im Königreich Han- dcr vom Könige Ernst August ein eiliges Schreiben eine Minute nach Glockenschlage brachte das Fenster vor der Nase zuschlug mit dem Bescheide, der Brief werde heute nicht mehr angenommen Infolge dessen wurde rsZtauts-Sendungen wurden mittags zwei oder drei Stunden geschlossen. Pakete oder Geldbricse, die nicht genau vorschriftsmäßig gesiegelt waren, wurden gar nicht angenommen. Wenn man bedenkt, daß die Geldsendungen in barer Münze verpackt wurden und die ge ringste Sendung auch von wenigen Groschen, in einem Briefe mit fünf Siegeln geschehen mußte, dazu die Schwierigkeiten der Taxierung nach Wert. Gewicht und Entfernung, so kann man sich ein Bild von den damit verbundenen Umständen machen. Zum Glück war der Vorstand dieser Abteilung ein ungewöhnlich humaner Beamter, der jetzt noch lebende Herr Postkassicrcr Meyer, und ich habe z. B. selbst ge sehen. daß er etwa 25 Zicgclarbcitern, die ihre geringen Ersparnisse nach Haus schicken wollten und damit völlig ratlos waren, die 25 Sendungen nachzählte, verpackte, siegelte und adressierte, womit sie sonst me zu stände gekommen wären. Anders geartet war der damalige P"stzahlmcister, welcher die Postvorschußsendungcn annahm. Er saß in nicht an einem Schalter. Man durfte nicht antlopsen und auch den Brief nicht überreichen wollen, sonst wurde er böse. Man mußte den Brief auf einen kleinen Tresen legen, der sich zwischen ihm und dem Publikum befand, und dann ruhig warten, bis er ihn hinnahm. Er sagte das aber nicht mit Worten, sondern nur mit Blicken, und cs war immer ein Hauplvcrgnügen, wenn jemand, der das nicht wußte, ihm über den Tresen hinüber einen Brief hinhielt und er lautlos den Frevler mit zornigen Blicken ansah, ohne eine Hand zu rühren. Dauerte das Anstarren gar zu lange und wollte der Frevler gar nicht begreifen, dann brach er schließlich in die Worte aus: -Legen Sic ihn da doch hin!» oder Ausfahren der Sendungen war nicht die Rede; die Briefträger brachten die Adressen, und dann mußte jedes Paket von der Post abge holt werden. Da ferner das Königreich Hannover rings von -Aus land- umgeben war, so mußte jedes Paket aus Braunschweig, Preußen. Hamburg, Bremen u s. w. auf kcr Post geöffnet und der Inhalt ver steuert werden. Darum war die ganze Paketausgabe in Händen des Post-Steuereinnehmers Dieser hatte dazu ein kleines Zimmer mit Tisch und Waage und daneben eine kleine Packkamer mit ganz unge nügenden Börten, in denen die Pakete nur ganz oberflächlich nach den Hauptrichtungen ihrer Herkunft sortiert werden konnten. Er war aber ein sehr freundlicher, gefälliger und gewandter Beamter, so daß in gewöhn lichen Zeiten das schwierige Geschäft ziemlich glatt abging Wer Pakete aus dem Jnlandc abholte, konnte die Adresse in das Schaltersenstcr reichen und und erhielt dieselben hcrausgereicht; wegen der Packcte aus dem Auslande mußte man aber in das Bureau kommen, um die Ver steuerung zu besorgen Wenn nun in der Weihnachtszeit der Paketver- kchr wuchs, so war die kleine Pakelkammer bald bis unter die Decke gefüllt, und an Hilfskräfte dachte man nicht Als freiwillige Hilfe brachte der Beamte seinen Sohn mit, aber beiden schlug die Flut der Pakete über den Köpfen zusammen. Vor dem Schalter drängten sich Hunderte, und vor dem Eingang zum Bureau wurden zwei Soldaten mit ausgestecktcm Bajonett postiert, welche verhindern sollten, daß er ge stürmt wurde, und die immer nur sechs Menschen hineinlicßen. So dauerte es bis in den Januar hinein, bis die letzten Weihnachtspakctc abgefertigt waren. Diese Zustände, die jetzt schon fast märchenhaft klingen, waren übrigens nicht etwa eine Besonderheit von Hannover, sondern cs war allenthalben eher noch schlechter, als besser . Wie sich in fünfzig Jahren dies alles entwickelt und wie sich Hannover umgestaltct hat — das schildern zu wollen, würde weit über den Nahmen dieser kleinen Skizze hinausgehcn. Ganz zu schweigen von der politschen Entwickelung der allen Länder, von der Erschließung Kaliforniens, Australiens, Afrikas — so hat der Ausbau von Wissen schaft und Technik in diesen 50 Jahren Fortschritte gemacht, wie nie zuvor. Denken wir daran, daß in dieser Zeit die ganze Erde mit Eisen bahnen und Telegraphen umspannt ist. alle Meere auf Dampferlinien ohne Rücksicht auf Wind und Wetter befahren werden, nehmen wir dazu die Fortschritte der chemischen Industrie, der Sprengtechnik, des Fernsprechwescns, der Photographie und der darauf basierenden Künste, der teleskopischen und mikroskopischen Forschung und die ungeahnten Aussichten, welche uns die Elektrotechnik eröffnet, so müssen wir sagen, daß eine interessantere Zeit im Laufe der Geschichte noch nicht dagewcsen ist, und cs ist eine Freude, sie mit durchlebt zu haben.
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