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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.08.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-08-21
- Erscheinungsdatum
- 21.08.1920
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- Deutsch
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hinter uns liegt, uns in ihren Anschauungen und Gedanken- Sußerungen vielfach bereits fremd anmuten. Für die literatur geschichtliche Forschung, auch für den Kreis um Goethe, bleiben sie von Bedeutung. Dabei soll der Mangel nicht unerwähnt bleiben, der allen Briefausgaben anhaftet, bei denen die Gegen- Lutzerungen der Empfänger fehlen. Dieser Umstand dürste sehr viel dazu beitragen, das; sie lediglich Gegenstände wissenschaft licher Forschung bleiben und selten Volkstümlichkeit gewinnen. Bei der Art des Briefschreibers braucht dieser Umstand nicht allzu schwer genommen zu werden. Anders verhält es sich mit Stifters Briefen, die im Rahmen der in der Bibliothek deut scher Schriftsteller aus Böhmen bei Calve in Prag erschie nenen Gesamtausgabe der Werke des Dichters während des Krieges erschienen sind?) Stifters Briefe verdienen tatsächlich ein allgemeineres Interesse, wie aus dem folgenden hervorgehen wird. Was bei Zacharias Werner von Goethe vermißt wird, der Sinn für Natürlichkeit, das besitzt Stifter in ganz besonders hohem Maße. Wir sind gewohnt, die Natürlichkeit und Liebens würdigkeit in Stifters Werken zu bewundern, aber wer könnte, wenigstens im Deutschen Reiche, sagen, daß er sich, abgesehen von den kurzen Biographien in den Gesamtausgaben oder Auswahl bänden von Stifters Werken, genauer mit dem Menschen und der Persönlichkeit Stifters befaßt habe? Das sind nur wenige. Hier wird der Wert dieser Dichterbriefe offenbar. Stifter ist nicht allein ein liebenswerter Dichter, sondern auch, was ebensoviel sagen will, ein liebenswerter und natürlicher Mensch und außer dem eine Persönlichkeit. Nirgends kommt dies unmittelbarer zum Ausdruck als in seinen Briefen. Die vorliegende Ausgabe ist für den Buchhändler besonders wertvoll dadurch, daß der weit aus größte Teil der Briefe an Stifters Verleger Gustav Heckenast in Pest gerichtet ist. Mit ihm war der Dichter durch ein inniges Freundschaftsverhältnis verbunden. ES ist wirklich schade, daß Heckenasts Briefe nicht neben denen Stifters stehen, damit der Leser diese enge persönliche Gemeinschaft von Autor und Ver leger voll auf sich wirken lassen könnte. Heckenast ist der Vertraute Stifters, auch in Geldangelegenheiten, die den Dichter, der wenn auch nicht an Verschwendung, so doch an eine ziemlich kost spielige Lebensführung gewöhnt war, fast in materielle Abhängig keit vom Verleger gebracht haben. Es ist ein schönes Zeichen für Heckenasts vornehme Gesinnung, daß er trotz mancher Schwierig keiten, die sein Unternehmen, besonders in der Sturmzeit der vierziger Jahre, zu überstehen hatte, Stifter diese Abhängigkeit niemals fühlen ließ. Dafür bezeigte der Dichter dem Verleger aber eine geradezu rührende Dankbarkeit und Treue bis zu seinem Tode. »Ich gebe Ihnen mein Wort..., daß ich nie einen andern Verleger suchen werde als Sie.... Daß Sie mich nie drücken werden, davon habe ich jetzt schon die unumstößlichsten Beweise«. »Meine Arbeiten werden sich von Ihrem Verlage n i e trennen«. »Wenn Ihre Gattin nicht eifersüchtig wäre, würde ich allen denen (anderen Verlegern) antworten: Ich bin mit Heckenast verheurathet. Ich hoffe, daß für alle Zukunft mein Name mit Ihrer Firma verbunden sein soll«. »Was die Zu kunft betrifft, werde ich nie von Ihnen weichen«. Auch die gei stige Arbeit des Verlegers wird dankbar anerkannt .... »Da mich etwas anderes auch noch sehr freut, nehmlich, daß Sie geistig so hoch stehen, an dem Inhalteder Manuskripte Theil nehmen zu können, daß mich Ihre Anerkennung mehr freut, als Ihr Honorar, während andere Krämer sind, denen das Buch nicht näher am Herzen ist, als dem Handelsmanne sein Hut Zucker«. Dieser Teil der Briefe vermittelt einen fast restlosen Einblick in die geistige Werkstatt Stifters, seine Arbeitstechnik und in den *) Adalbert Stifters Sämtliche Werke. Siebzehn ter Band. Briefwechsel. Erster Band. Mit Benutzung der Vorarbei ten von Adalbert Horzicka herausgegcben von Gustav Wilhelm. Mit dem Bildnisse von Stifters Gattin und 1 Lichtdrncktafel. 8°. XXIV, 459 S. Dasselbe. Achtzehnter Band. Briefwechsel. Zweiter Band. Mit dem Bildnisse von Stifters Gattin. 8°. XXIV, 469 S. (Biblio thek Deutscher Schriftsteller ans Böhmen. Heransgegeben im Auf träge der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen. Bd. XXXIV u. XXXV.) Prag 1916 u. 1918, «. G. Calvel jetzt Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus, Neicheubcrg). Jeder Band geheftet ../k 18.— Ladenpreis. vielgestaltigen Kreis seiner Interessen. Bescheiden sagt er in der ersten Zeit dichterischen Schaffens zu Heücnast: »Elend ist Alles ! (was er geschrieben) ohnehin, wie ich mir's täglich vorsage, s aber aufhören zu schreiben kann ich doch nicht, weil es mir an ! sich so viel Vergnügen macht, ich kann da die Leute machen, wie ich will, und kann sie sich zu Tode lieben, opfern, freuen, un- i schuldig und lustig und herrlich über die Matzen sein lassen, und dann leb' und web' ich mit ihnen, und vergesse, daß Andere um ^ mich herum sind«. Im Laufe der Zeit entwickelt sich allerdings bei ihm ein gut Teil dichterischen Selbstbewußtseins, das aber niemals überheblich wirkt. Der Satz »Sie werden init einem Menschen nicht ins Gericht gehen, der ein gutes Herz in die Welt hineinschwärmt, ohne ein Göthe zu sein, der sein Gold rein, schön, unbegreiflich im breiten Zaubenflusse strömen lassen könnte, keine falsche Ader und kein Stäubchen drinnen, so den Glanz stört« ist ein ganz gutes dichterisches Selbstbildnis. An anderer Stelle heißt es: »Meine Bücher sind nicht Dichtungen allein (als solche mögen sie von sehr vorübergehendem Werthe sein), son dern als sittliche Offenbarungen, als mit strengem Ernste be wahrte menschliche Würde haben sie einen Werth, der bei unserer elenden, frivolen Litteratur länger bleiben wird als der poetische; in diesem Sinne sind sie eine Wohltat der Zeit, sind ein patrio tisches Werk ...... Daß die eigene reine und natürliche Emp findung auch sein literarisches Urteil bestimmte, dafür erbringen die Briefe mancherlei Zeugnisse. So ist es auch erklärlich, daß sein Urteil über Schiller kein rückhaltlos anerkennendes ist, daß er, der die Größe Grillparzers in vollem Matze würdigt, Hebbel den »groteskesten und sittlich verkröpftesten und widernatür lichsten Poeten« nennt, und daß er gelegenjjich die Nomantechnik in Frehtags »Soll und Haben« absprechend zerpflückt. Im übrigen aber besitzt er ein in literarischen Dingen wenn auch etwas ein seitiges, stets aber gesundes und von Gewissenhaftigkeit ge tragenes Urteil, das. ihn befähigt, seinem Verleger hier und da als Lektor an die Hand zu gehen und ihm andere Autoren zu empfehlen. Zeitweise ist Stifter durch die politischen Zeitver hältnisse tief bewegt worden. Obgleich ihm durch die Zensur bei weitem nicht solche Schwierigkeiten oder Nachteile erwuchsen wie z. B. Grillparzer, dessen Schaffen dadurch direkt gehemmt wurde, so stöhnt er doch gelegentlich über ihre schwerfällige Handhabung. Die Censur! Die Censur hält auf!« Nicht nur daß er wäh rend der Revolutionszeit in Wien für die Linzer Zeitung, den Wiener Boten und die Allgemeine Zeitung politische Artikel schrieb, auch in seinen Briefen an Heckenast kommt diese Anteil nahme in besonderer Weise zum Ausdruck. Obgleich seine po litischen Äußerungen fast außerhalb des Rahmens unserer Dar stellung stehen, so sind sie doch zu merkwürdig passend für unsere sturmdurchtobte Gegenwart, als daß man auf die Wiedergabe einzelner Briefstellen verzichten möchte. In einem Briefe an Hcckenast vom Mai 1848 heißt es: »Gebe Gott, daß man anfange einzusehen, daß nur Rath und Mäßigung zum Baue führen kann; denn bauen, nicht stets einreißen, thut noch. Jeder Miß- stand, jedes übel (von jeder Seite) wird nur durch das gc- fänftigie, edle, ruhige, aber allseitig beleuchtende Wort gut — durch dieses wird es aber ganz gewiß gut — und das Wort, diesen .sanften Shlzweig', so heißcrsehnt, endlich errungen, ge brauchen wir jetzt so selten recht, oft wird es eine Zündfackel, oft wird es kurz bei Seite geschoben und mit Gewalt gebraucht, die nur noch mehr verwirrt, die Gemüther von jeder Seite miß trauischer macht, Verzagtheit, Ohnmacht, Zügellosigkeit, Des potie, und Reaktion hervorruft, und in vielen Fällen nicht ein mal die gewünschte Frucht, sondern oft die Mißfrucht erzeugt.« Einige Monate später heißt es in einem Briefe an den gleichen Empfänger: »Schon jetzt ist eine Entrüstung über die Schand- literatur unserer Tage in allen Gemüthern, und sie verlangen mit Sehnsucht wie nach einem Tropfen Quellwasser in der Wüste nach dem Edleren. Wenn einmal die Welt im Grimme aufstehen wird, um all das Bubenhafte, das in unseren äußeren Zuständen ist, zu zertrümmern, dann wird die geschändete Schönheitsgöttin auch wieder mit ihrem reinen Antlitz unter uns wandeln Geschähe das nicht, so wären wir alle ohnehin verloren, und das Proletariat würde, wie ein anderer Hunnenzug, über den Trümmern der Musen- und Gottheitstempel in trauriger Ent-
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