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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.08.1920
- Strukturtyp
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- Band
- 1920-08-24
- Erscheinungsdatum
- 24.08.1920
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- Deutsch
- Sammlungen
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direkt saß der Verlagsbuchhandel denr Meister Gottfried insofern ständig im Nacken, als Julius Rodenberg und die Deutsche Rund schau den Säumigen immer wieder aufrütteln mußten. Hätte dieser äußere Anstoß gefehlt, wer weiß, ob nicht überhaupt eine Reihe der schönsten Werke des Dichters ungeschrieben geblieben wäre. Hat doch die Zusage Viewegs, des ersten Verlegers des »Grünen Heinrich«, Kellers geplante Dramen behufs Versendung an die Bühnen unentgeltlich zu drucken, nicht einmal vermocht, den Dichter zur Niederschrift zu veranlassen. Bei der Übernahme der Werke Kellers durch Wilhelm Hertz hat der in geschäft lichen Dingen erfahrene Heyse, eine Eigenschaft, die er — im besten Sinne gemeint — ebenfalls mit Goethe teilte, zum großen Vorteile Kellers den Vermittler gespielt. Heyses Freundschaft war niemals nur eine solche der Gesinnung, sondern stets auch der Tat. Es ist daran zu erinnern, daß er während der schweren Krankheit Böckltns den Verkauf eines seiner Bilder an den König von Bayern vermittelte und daß die Herausgabe des No vellenschatzes gemeinsam mit Hermann Kurz von der Neben absicht geleitet war, diesem Dichter damit materiell unter die Arme zu greifen. So ist die Hand dieses großen Mustermenschen und Menschenfreundes auch hinter den Kulissen dieser Briefe zu spüren. Seine Briefe an Gottfried Keller sind das schönste Zeug nis für die neidlose Anerkennung und Bewunderung des Freun des. Was er unter dem ersten Eindrücke der Lektüre des »Grünen Heinrich« an ihn geschrieben, ist das beste, menschlich nahegehende Urteil über diesen klassischen Entwicklungsroman. Heyse fühlt sehr wohl den Meister und nennt ihn selbst den »Shakespeare der Novelle«. Der Seufzer »Du hast alles, was mir fehlt, lieber Teuerster« findet seine humorvolle Beantwortung durch Keller: »übrigens was mich betrifft, bist Du ein bißchen ein Schmeichelkater mit nicht undeutlichen Krallen. Wenn ich alles habe, was Dir fehlt, so braucht Dir bloß nichts zu fehlen, und ich habe säuberlich gar nichts«. Die gegenseitige Kritik der Briefschreiber hat in diesem Buche einen ganz eigenartigen durch die Fülle des Geistes und Humors gewürzten Reiz. Ein tieferer Einblick in Kellers Werkstatt ist uns eigentlich verwehrt, während Heyse seiner Natur getreu in dieser Beziehung dem freundschaft lichen Mitteilungsbedürfnis freien Lauf läßt. Heyses »Falken theorie« der Novelle, die er in der Einleitung zum »Novellen schatz« aufstellte, wird von Keller zum Prüfstein von Heyses eigener Novellenkunst gemacht. »Der schon von Georg Brandes hervorgehobene Falke, der wiederum durch alle diese Novellen so ungebrochen weiterfliegt«. Es handelt sich hier um die Ge schichte des armen Edelmanns Federigo degli Alberighi aus dem Dckamerone des Boccaccio. Um die von ihm hoffnungslos ge liebte Dame zu bewirten, schlachtet Federigo seinen treuen Falken und gewinnt durch diese rührende Tat die Hand der Spröden. Die Forderung, die Heyse demnach an eine gute Novelle stellt, ist das Vorhandensein des Falken. Auch im Briefwechsel mit Storm kommt der »Falke« verschiedentlich zum Vorschein. Keller hat für seine Geisteskinder immer einige drollige Bezeichnungen bereit. Einbändige und zweibändige Bücher nennt er Ein- und Zweispänner, den Grünen Heinrich »das vierköpfige Ungeheuer«, auch der Ausdruck »Romänchen« kommt öfter vor. Mit dem Druck seiner Werke hatte er keine Eile. »Ob auf Weihnachten gedruckt werden kann, ist sehr zweifelhaft, auch nicht nötig: wozu mit dem Heidenzeug immer hinter dem Christkindchen herlaufen, dem armen Wurm? Es ist eine komische Sache, das gerade Es der allgemeine deutsche Kolporteur sein soll!« Der herrschende Zeitgeschmack wird nicht nur durch die Bemerkung Kellers offenbar, daß die »Kaviar freunde« in einer entsetzlichen Minorität seien, sondern rückt in besonders Helle Beleuchtung durch die Ablehnung von Heyses »Stiftsdame« durch »Freund Kröner« (dem Heyse das Versprechen gegeben hatte, sich auch einmal in der Gartenlaube blicken zu lassen), und zwar »wegen der politischen Parteien« und der man gelnden »Spannung«! 0 tsmpors, o morss! Auch die Kritik der Zeit, u. a. Gottschall, bekommt das ihrige ab. Die Fäden persön licher Beziehungen greifen weit über die beiden Briefschreiber hinaus. Ergreifend ist die Schilderung Kellers über die letzte Lebenszeit und den Tod seines Landsmannes Heinrich Leuthold. Das Verhältnis Kellers zu Theodor Storm erfährt eine eigen- 1000 artige Beleuchtung. Es würde zu weit führen, die Beziehungen zu Conrad Ferdinand Meyer, Julius Rodenberg, Geibel, Mörike, Wiehert, I. V. Widmann, Hermann Lingg, Berthold Auerbach, Bischer, Baechtold, Böcklin, Spitteler, Schubin, Helene Böhlau, Otto Ribbeck in diesem Briefwechsel hier zu erörtern. Allerlei interessante Bemerkungen verdienen noch Beachtung Kellers Meinung über Zola lautet: »Was Zola betrifft, so ist derselbe von Haus aus ein gemeiner Kerl«. Wir erfahren dir Gewohnheit Heyses, nur gebundene Bücher zu lesen. Ein eigen artiges Talent Berthold Auerbachs zum Finden von Bücher titeln erfährt besondere Würdigung; z. B. die Bezeichnung »Das Fähnlein der sieben Aufrechten« stammt von ihm, und viele andere uns noch geläufige Titel von Büchern anderer Aittoren. Max Kalbcck hat eine ausführliche Einleitung geliefert und die gerade hier recht notwendigen Anmerkungen hinter die einzelnen Briefe gesetzt. Zwei ziemlich umfangreiche Bände umfaßt Heyses Brt si wechsel mit Theodor Storm. Zu der Seelenverwandtschaft, die beide Dichter zueinander zog, tritt eine merkwürdige Gleichheit menschlicher Schicksale. Beide Dichter treten sich im Gegensatz zum Junggesellentum Burckhardts und Kellers schon als Fa milienväter näher. Beiden stirbt die geliebte Frau, und beide finden in der zweiten Heirat ein neues Glück. Mehr noch. Die Sorge um den ältesten Sohn ist beiden gemeinsam. Der Vater Heyse leidet unter der mangelnden Willenskraft seines Ältesten, die diesen zur Ausgabe des Ofsizierberufs zwingt. Schwerer war die Vatersorge Theodor Storms, dessen ältester Sohn ein be- , fähigter Arzt, leider aber ein Trinker war. Ter Vater erörtert sogar im brieflichen Zwiegespräch mit dem Freunde die Mög lichkeit einer Vererbung. Die familiären Fäden zwischen den Häusern Storm und Heyse knüpfen sich naturgemäß enger und verleihen dieser Freundschaft einen besonders anheimelnden menschlichen Zug. Dabei soll nicht vergessen werden, daß die beiden schweizerischen Junggesellen den Heyseschen Damen stets die ihnen gebührende Verehrung entgegenbrachten. Gottfried Keller hat sogar ein harmloses kleines Techtelmechtel mit dem »trinkfrohen« Töchterlein Heyses. Gleichwohl vermochten sie jenem Fluidum, das die Gemeinsamkeit eines stark ausgepräg ten Familiensinns zwischen Heyse und Storm schuf, etwas Gleich wertiges nicht entgegenzusetzen. Die Bekanntschaft HevseS mit Storm fußt auf einer gelegentlichen Tätigkeit Heyses als Lektor für Alexander Duncker, seinen ersten Verleger. Das Manuskript »Sommergeschichten und Lieder« des bis dahin gänzlich unbe kannten holsteinischen Dichters unterlag seiner Begutachtung. Hier ist es wieder der »hilfsbereite« Mensch, der dem Dtchter- kollegen die Steine auf dem Wege in die Öffentlichkeit weg- räumt. Die persönliche Bekanntschaft erfolgt dann im Kugler- schen Hause, nachdem der »deutscher Gesinnung« Verdächtige als Vertriebener und vom »ordinärsten Leid« (Nahrungssorgen) Ge plagter nach Berlin gekommen war. Die Gleichheit persönlicher Schicksale — Heyse war darin durchaus nicht das »Glückskind«, sondern hatte schwer unter Schicksalsschlägen und körperlichen Bresten zu leiden — führte die beiden Männer sehr nahe zu sammen. Sie tauschten nicht allein ihre neuen Werke unter einander aus, sondern besprachen sie auch gründlich unbeschadet eines gelegentlichen Zusammenpralls der Meinungen. Auch eine engere Arbeitsgemeinschaft förderte dieses Verhältnis. Alle Storm eine »stille Kompagnonschaft« bei der Herausgabe des Novellenschatzes ausübte, so stand Heyse dem Freunde bei der Zusammenstellung von dessen »Hausbuch aus deutschen Dichtem« mit Rat und Tat bei. Dieser geistige Meinungsaustausch ge- stckttet einen sehr tiefen Einblick in die Werkstätten beider Dichte- Interessant ist dabei z. B. die Herkunft einiger Motive für Storms Novellen und Storms große Belesenheit auf dem Ge biete der Novelle. Wie wertvoll Heyse die Hilfe des Freundes am Novellenschatz war, geht aus einer Briefstelle hervor, wo cs heißt: überdies wird es noch eine Hute Weile dauern, bis ich all Ihre Beisteuer zu unserem Schatz gehörig geprüft habe. Diese Sachen sind unglaublich zerstreut, unsere Hof- und Staats bibliothek zu vornehm, um in diesem Gebiet es auf Vollständig keit anzulegen, und auch der direkte Buchhändlerweg wundersam schleppend«. Wem käme da nicht der Gedanke an den Zweck
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