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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.01.1925
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- 1925-01-16
- Erscheinungsdatum
- 16.01.1925
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R» 13, 18. Januar 1925. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dcschn. Buchhandel 777 Hermann Löns über Rarl Spittelcr. Lcce poeta! er r4. April f»4S ist ei» hoher Tag für die deut sche Dichtkunst: er gab ihr eine» großen Mann: zu Liestal he, Lasel kam Rarl Spittelcr zur Welt. Sicbcnundreißig Jahre später, nn Jahre zssr, gab Aarl Spittelcr, hinter der Maske Rarl Helft Tandem seine bürgerliche Person verbergend, der Welt seni ge waltiges Gleichnis „Prometheus und Epimetheus"; sie dankte ihm das Geschenk, »idem sic es ganz un beachtet ließ. Neun Jahre danach erschien Hr>edrich Nietzsches Auch „Also sprach Zarathustra"; cs wirktcwie ein Erdbeben: eine Woge von Entzücke» und Entrüstung brauste über alle Länder deutscher Zunge, eine Sturmflut mit allen ihren guten und bösen Begleiterscheinungen. Ls muß een seltsames Lächeln gewesen sein, mit dem der zweiundvicrzig Jahre alte Rarl Spittelcr der von Nietzsches Buche hcrbeigeführte» philosophisch-ästheti schen Revolution zusah; und es wird nicht ohne eine Beimischung von Bitterkeit gewesen sein, sehr be rechtigter Bitterkeit, denn das, was an Nietzsches Buch das wertvolle und Bleibende ist, hatte Spittelcr neun Jahre vorher schon in seinem Werke gegeben. Nietzsches Luch ist eine Darockausgabc des Spittclcrsche» Werkes. Spittelers Riesengleichnis wirkt wie ein altägypti sches Bildwerk. Es ist aus dem härtesten, sprödesten, unzugänglichsten Stoff gehauen; aber das eisenharte Synitgesrcin ist so geschickt bearbeitet, so peinlich ge schliffen, daß cs weich und rund dastcht und von seinen spiegelglatten Hlächen Hülle von glänzenden Lich tern zurückwirft. Man sicht keine Spur des Meißels, keinen Strich der Heile, keine Schrunde des Polier sandes an dem Bildwerke, keine Unvollkommenheit verrät die Geheimnisse seiner technischen Entstehung. Es ist vollendet, cs ist vollkommen, es steht jenseits der Rritik, wie ein Werk der Natur. Es ist von unheim licher Reife, von unmenschlicher Höhe. Es hat alle Herbheit und Strenge der Größe und alle ihre Weich heit lind Süßigkeit. Es erfüllt die Horderung des Rri- tikcrs ipskar wilde: „Die Runst zu offenbaren, de» Künstler zu verbergen, das ist der Zweck der Runst." Es verkörpert Paul Schad-Roffas, des Malers, hartes Wahrwort: „Runst ist der Gegensatz zur Natur", denn cs ist für sich Natur, eine andere Natur als die gegebene. Und so mußte es notwendigerweise unbeachtet blei ben. Denn es ist eine Unwahrheit, wen» man sagt: „Dem Verdienste seine Rrone." „Dem Verdienste seine Dornenkrone", das ist die Wahrheit. Die großen Rünstler wurden nicht berühmt, weil sie groß waren, sondern trotzdem sie groß waren. Der Durchschnitts mensch im höheren Sinne will in dem Rünstler eine verbesserte Auflage von sich selbst sehe», aber nicht einen Riese» aus der anderen Welt, nicht ein Wesen, das mit ihm weiter nichts gemein hat als die gleiche körperliche Erscheinung. Zur allgemeinen Anerkennung in kurzer Zeit kan» nur das Talent kommen, das Genie nicht, was Goethe wirklich ist, das wissen heute ganz wenig Menschen, am allerwenigsten die, die den Mund rund machen und „G—ö—ö—the" sagen. Das tüftelt am „Haust" herum und deutet und denkt, und vergißt, daß Goethe nur verstanden werden kann, wenn man mit offenen Sinnen vor >h» tritt. Aller großen Dunst Äcnnmarkc ist die Leichtigkeit der Hot»! und die Durchsichtigkeit des Inhaltes. Runst so» auf die Sinne wirken, nicht mit dem verstände begriffen werde». Dunkle Tiefe ist immer verdächtig; Nietzsches Dunkelheit ist Schwäche und Unvollkommen heit; Ibsens Dunkelheit ist Zielbcwußtscinslosigkeit, ist Mangel an Richtungsgcfühl. Ein Mann wie Rlmger, dessen Werke zum Denken zwingen, ist kein Rünstler nn strenge» Sinne; er ist ei» Grübler, der sei» Gesicht mit falschem Material und darum ,n falscher Horm wicdcrgibt. „Ernst ist das Leben und heiter die Runst." Das Wort hat einen tiefe» Sinn; das Leben des Rünstlers sei ernst, das, was er schafft, heiter, das beißt, leicht in der Horm und rund in der Technik, so rund, daß die Horm jede Erinnerung an die Technik vergessen lägt. So ist Spittelers großes Werk. Wer mit gefurchter Stirn und düsteren Augen »ach Horschcrweisc davor tritt, dem wird es abgründlich tief und mitternächtlich dunkel erscheinen, wird ihm ein siebenfach versiegeltes Buch sei», wer es heiter genießt, sich harmlos daran freut, wie a» einer hübsche» Blume, an einer schönen Hrucht, an einem edlen Gesicht, de» läßt cs in unermeß liche Tiefen sehen und in unbegrcifbare Weiten blicken, cs gibt ihm für sein Leben lang Schönes zu träume» und Hohes zu denken, wer cs einmal in stiller Muße las, der mag die Einzelheiten vergesse» und sich kaum noch des Inhalts erinnern, aber cs wird in ihm eine reine Hrcude sein, denkt er nur an das Blich, wie an eine schöne Singweise, an den Älang einer geliebten Stimme, an das Bild des Heimatlandes; er wird et was Greifbares, positives, Reales aus dein Bliche Eine Probe aus dem von Or. wilb. Deimann aus dem Lönsschen Nachlaß herausgcgebenc» Buche „Gedanken und Gestalten". Ganzleinen M. 4-dd Bestellzettel anbei. Adolf Gponholtz Verlag/ G. in. b. H. / Hannover
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