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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.11.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-11-23
- Erscheinungsdatum
- 23.11.1906
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- Deutsch
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- Saxonica
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12008 Nichtamtlicher Teil. ^ 272, 23. November 1906 herauszulesen Lavnter hat diese Bedeutung des Bildnisses einmal in einem Brief an Goethe in die Worte zusammen gefaßt: »Menschengesicht ist mir mehr als alle Erzählungen und Urkunden«. Die universelle Stellung des Porträts in der Geschichte der Kunst und im Zusammenhang der ganzen Kultur- entivicklung hat zu eigentlich praktischen Ergebnissen erst in der Neuzeit geführt. Erst die Möglichkeit der mechanischen Reproduktion der Bildnisse durch die Photographie, d. h. ihrer Nachbildung im Sinne ihrer Urheber und ohne die ver mittelnde Hand eines reproduzierenden zweiten Künstlers (Stechers, Holzschneiders), ferner die hierdurch gewonnene Möglichkeit einer leichten und billigen Nachbildung, die Mög lichkeit des Vergleichens und Zusammenstellens — erst diese durch die Riesenfortschritte der modernen mechanischen Re produktionsverfahren gewonnenen Möglichkeiten werden uns in den Stand setzen, aus der Geschichte des Porträts die Ergebnisse im oben angedeuteten Sinne zu ziehen. Die verschiedenen Gedanken, die in den vorstehenden Zeilen angedeutet worden sind, waren es, die sich uns un gezwungen ergaben, als wir das große, von der Photogra phischen Gesellschaft in Berlin herausgegebene Porlrätwerk durchzublättern Gelegenheit hatten. Die Bedeutung einer Sammlung, wie sie hier in Hunderten von mustergültig ver vielfältigten Bildnissen vorliegt, ist nicht in wenigen Worten zu erschöpfen. Betrachten wir sie in ihrer Wichtigkeit für den Kunsthistoriker, der in erster Linie in jedem Porträt das künstlerische Erzeugnis der betreffenden Zeit erblickt und erst in zweiter Linie nach Namen und Stellung des Dar gestellten fragt, so ist zum Teil schon jetzt in der geschickten Auswahl das Material vereinigt, das sich als Grundlage einer Geschichte des Porträts, wie wir sie eingangs als ein Bedürfnis der Forschung gekennzeichnet haben, verwenden lassen würde. Da die Sammlung stetig vermehrt wird und der Verlagshandlung Nachweise betreffs neu aufzunehmender Bildnisse willkommen sind, so ließe sich nach unsrer Meinung im Laufe der Jahre ein großes »Lorpns iws^ivam« zu sammenstellen, das sich direkt als Jllustrationsmaterial für den Text einer Geschichte des Bildnisses in seiner künstle rischen Entwicklung verwenden ließe. Vor der Hand liegt indessen die Bedeutung und der Schwerpunkt der Sammlung auf einem andern Gebiete. Die Verlagshandlung erinnert mit Recht an die Worte: »Große Männer und Frauen sind unsere wahren Erzieher: ihre Bild nisse sollten uns wie die unserer besten Freunde vertraut sein«. Dieser Wunsch setzt freilich zweierlei voraus: einmal, daß Bildnisse von den betreffenden Persönlichkeiten vorhanden und nachweisbar sind, zweitens, daß sie hinreichend beglaubigt sind und geschichtliche Treue besitzen. Diese Forderungen be ginnen sich aus bekanuten Gründen im allgemeinen erst mit dem Zeitalter der Renaissance zu erfüllen. Aus dem Mittel- alter sind uns wenige Bildnisse überliefert, die ikonographisch brauchbar sind, denn bis in das dreizehnte Jahrhundert hinein kann im christlichen Abendlande, abgesehen von einigen Skulpturen für kirchliche Zwecke, von einer Bildniskunst kaum die Rede sein Sehr schlecht sind wir beispielsweise mit den Bild nissen der deutschen Kaiser daran, wenn wir die Porträts der Siegel, die nur wenig sagen, als ikonographischc Quelle außer acht lassen. Die Hauptforderung für die Bildnisse geschichtlich her vorragender Persönlichkeiten bleibt, daß sie authentisch, d h. Originaldarstellungen der betreffenden Persönlichkeiten aus ihrer Zeit sind Treue und Wahrheit eines Bildnisses im geschichtlichen Sinne und damit dessen Brauchbarkeit wird nur durch diese Forderung gewährleistet. Auf diese Weise kann es allerdings leicht geschehen, daß ein Kunstwerk von anerkanntem künstlerischen Wert und von großer monumen taler Wirkung durch ein äußerlich unbedeutendes Werk der Kleinkunst in den Hintergrund gedrängt wird. Man denke nur an das berühmte Bildnis Kaiser Karls des Großen von Albrecht Dürer in Nürnberg — ein Kaiserbildnis von höchster Würde und Monumentalität, das aber ikonographisch ein Phantasiestück ist und als authentisches Zeugnis nicht heran reicht an die kleine, denselben Kaiser darstellende Metzer Bronze, die uns als Bildnis vielleicht enttäuscht, die aber als geschichtlich-ikonographische Quelle jenes Bildnis aus- schließt Treue und Wahrheit eines Bildnisses sind in der Ver vielfältigung durch moderne Reproduktionsverfahren aber auch in einem andern Sinne zu erstreben: zahlreiche gemalte, so wie manche als Skulpturen ausgeführte Porträts sind früher bekanntlich in Stich vervielfältigt worden. Solche Stiche sind mit den modernen Mitteln der Technik leicht zu vervielfältigen, und es liegt nahe, sie für die Reproduktion als Vorlage zu benutzen, da die meisten Kupferstichkabinette über ansehnliche Porträtsammlungen verfügen. Vor solchen gestochenen Bild nissen ist, weil sie immer nur eine sekundäre, eine abgeleitete Quelle darstellen, so lange eindringlich zu warnen, als es nicht gelingt, die Originalvorlage — das gemalte oder als Bildwerk ausgeführte Porträt — nachzuweisen und für die Nachbildung heranzuziehen. Erst dann, wenn die ursprüngliche Quelle aus der Zeit, der die betreffende Persönlichkeit angehörte, versagt, wird man sich an die abgeleiteten Typen (Stiche, Schnitte, Lithographien) und an Vorlagen halten dürfen, die nicht in dem angedeuteten Sinne authentisch, wohl aber insofern noch brauchbar sind, als etwa der Dargestellte dem Künstler persönlich bekannt gewesen ist, ohne von ihm aber nach dem Leben ge malt worden zu sein. Als Beispiel hierfür diene das begehrteste aller Bildnisse von Schiller, das von Gerhard von Kügelgen, das der Künstler nach dem Tode des Dichters auf Grund der Totenmaske und mit Hilfe seiner persönlichen Erinnerungen geschaffen hat. Die Forderung der Authentizität kann es frei lich auch mit sich bringen, daß in einer Sammlung wie in der der Photographischen Gesellschaft von großen und sehr popu lären Männern nur Bildnisse vorhanden sind, die auf den ersten Blick deshalb enttäuschen, weil sie in Größe und Aus führung wenig bedeutend erscheinen oder gar dem Typus des Dargestellten, wie er seit langer Zeit im Volke feste Gestalt angenommen hat, widersprechen. Es wird hier von den Heraus gebern selbst daran erinnert, daß z B. von Mozart außer den bekannten viel verbreiteten, aber unzulänglichen Phantasie bildnissen als authentisches Porträt nur eine feine, aber kleine Bleistiftzeichnung von Dora Stock (der Tante von Theodor Körner) existiert. Es bedarf aber nicht des Nachweises, daß ein solches nach dem Leben geschaffenes Bildnis allen Phantasieschöpfungen, die sich meist nur an die Schaulust, aber nicht an das Verständnis des Publikums wenden, un bedingt vorzuziehen ist. Besonders lehrreich ist der Vergleich verschiedener Bildnisse, die dieselben Persönlichkeiten, wenn auch in verschiedenen Lebensaltern, darstellen Auch hier bietet die Sammlung der Photographischen Gesellschaft ein ungemein vielseitiges ikonographisches Material Es sei an die Bildnisse von Luther, Schiller und Goethe erinnert, von denen die beiden letzteren, in besonderen Mappen vereinigt, typologisch uns teilweise Probleme aufgeben — so bei Goethe —, teilweise aber auch die äußere Entwicklung des Menschen — so bei Luther, in beschränkterem Maße bei Schiller — anschaulich zur Dar stellung bringen. Hat man hier aus der Fülle des Gebotenen die Auswahl, so werden erfahrungsmäßig die meisten zu dem Bildnis greifen, das die betreffende Person in den reiferen Mannesjahren, vielleicht sogar kurz vor dem Tode wiedergibt; »denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten«, sagt Goethe von Winckelmann. Des-
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