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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.09.1938
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- 1938-09-06
- Erscheinungsdatum
- 06.09.1938
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- Deutsch
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IZI^IlZlZIZlZIZIZlZlZlZlZlZ^lZlZlZlZl^lsilZlZlZlZIZlZlZlZlZlZlZlZlZIZlZlZlZlZlZlZlZlZ Darf ich töten? zu einem holländischen Arztroman Ein Arztroman der holländischen Dichterin LvCo r - sari. Der Titel ist „D er Mann ohne Unlio r m^? das Thema „Darf ich tötend Ly Eorsari vätte ihr Buch ruhig s o nennen sollen; der Gedanke, daß wir alle unsicht bare Uniformen tragen und nur selten rein als Menschen reagieren und handeln, ist ein unnötiger Umweg (Holle K Eo. Verlag, Berlin, 402 S., geb. 6,50 Mark). Der Roman ist sehr lesenswert. Und es macht wertig aus. daß mehrere Themen sich durchkreuzen: die Ent wicklung eines Menschen von der frühesten Jugend in einem holländischen Landstädtchen bis zu seinem Tod als anerkannter Arzt und Forscher, die Gewissenskonflikte dieses Arztes, der sich für berechtigt hält, todgeweihten Patienten das Leiden und den letzten Kampf durch ärzt liche Mittel abznkürzen, und der Verzicht des Arztes auf eigenes Leben und Glück, auf Familie und Freundschaften um der wissenschaftlichen Forschung willen. Ein Ent wicklungsroman. eine Problemdichtung, ein Lebensschick sal — das gibt selbstverständlich Reibungen, aber man erträgt sie, denn der alles beherrschende Mittelpunkt bleibt Remco de Naai. Rcmco ist Jahre alt. er soll beten. Er tut es auch, aber als Gewohnheit ist es ihm zuwider. Das bleibt so das ganze Leben. Er denkt, deshalb ist er ein schlechter Schüler. Für Konventionen und Redensarten hat er keinen Sinn, er will alles selbst verantworten. Lieber ein Verbrechen begehen, als feige sein. Der Vater stirbt früh, die Mutter läßt ihn gewähren. Halt gibt ihm der Arzt des Landortes. Dr. Jourens, ein Sonderling, der sich das Leben schwer werden läßt, weil er kein Bürger ist wie die anderen. Remco verdankt ihm die entscheiden den Eindrücke seiner Jugend und die entscheidende Wen dung seines Lebens: er will auch Arzt werden. Amsterdam, höhere Schule, Freundschaften, Liebeleien, über allem die herzliche und offene Beziehung zu seiner Mutier. Beginn des Studiums in Leiden. Dr. Jourens stirbt an Krebs; Rcmco. erschüttert durch den Tod, arbeitet Jahre bei seinem Onkel Arend de Naai im Labora torium für Krebsbekämpfung. Trotz Begabung und Er folg läßt er diese Spezialisierung wieder fallen, macht Examen und wird praktischer Arzt. Er will nicht wie Arend auf alles verzichten und ein Sklave der Wissenschaft werden, er will leben. Rcmco läßt sich in Amsterdam nieder und hat bald eine große Praxis. Sehr ereignisreich ist das Leben nicht, er wohnt bei seiner Mutter, sieht Freunde, auch einmal Frauen, der Hauptinhalt bleiben die Patienten. Und Remco sieht das Dasein jetzt unter wenig erfreulichen Perspektiven. Er arbeitet von früh bis in die Nacht, Hilst, so viel er kann, leidet unter dem Unverstand und der Gedankenlosigkeit der Mitmenschen und am meisten unter ihrer Feigheit, alles dem Schicksal und dem lieben Gott zu überlassen. Warum nicht unter eigener Verant wortung handeln? Warum, wenn doch nichts zu machen ist, den Unheilbaren leiden lassen und durch ärztliche Kunst ihm das Leben verlängern? Rcmco wird in einen Prozeß verwickelt: Ein an gesehener Amsterdamer Kaufmann Eduard Feerma hat seine Frau erschossen, weil er sie nicht länger leiden sehen konnte, und wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Als Hausarzt wird Remco zur Zeugenaussage gezwungen. Hätte er das Unglück verhüten können? Hätte er als Arzt eingreifen sollen? Es gibt andere Fälle wo Patienten nur deshalb unnötig lange am Leben erhalten werden, weil Familie und Verwandte mehr an sich als an den Kranken denken. Ter Egoismus kleidet sie in die vorteilhaftesten Gewänder, und man unterläßt nichts, um den Tod so kummervoll wie möglich zu machen. Remco ist von der eigenen Verantwortung mehr überzeugt als vom Glauben an Gott, er ist nicht gefühllos, aber sachlich und sauber und ringt sich zu der Ueberzeugung durch, als Arzt den Tod erleichtern und das Leid abkürzen zu dürfen. Remco hat inzwischen geheiratet, hat Kinder, ist glück lich, soweit er als Privatmensch empfindet, aber un befriedigt als Arzt. Er hat schon einmal während des Studiums auf dem Gebiete der Krebsbekämpfung mit- aearbeitet, jetzt, wo er die verheerenden Wirkungen dieser Krankheit sieht, jetzt, wo sein Onkel Arend de Naai selbst krank und der Arbeit nicht mehr gewachsen ist. packt ihn der Wunsch, an der Krebsforschung wieder teilzunehmen, erneut und stärker denn je. Er gibt seine Praxis aus, arbeitet vier Jahre obne sichtbaren Erfolg, aber doch mit der gewissen Hoffnung, weitcrzukommen. geht mit der Familie nach Tokio, um dort mit einem japanischen Kollegen gemeinsam Versuche zu machen: der kleine Sohn stirbt, die Frau kehrt nach Holland zurück. Remco bleibt. Er ist besessen von seinen Versuchen, veröffentlicht, besucht Kongresse, forscht. Die Familie tritt, ohne daß er es will, ganz zurück, und als die Frau dieses Leben nicht mehr erträgt und die Scheidung vorschlägt, willigt Remco ein. Er wird ganz einsam, die Mutter stirbt, die Tochter heiratet, Freunde sieht er gar nicht mehr; der einzige, der ihn besucht Felix, tötet sich nach einem aufregenden Gespräch mit Rcmco. die erste Freundin seiner Jugend, seit 15 Jahren hoffnungslos rückenmarkleidend, erklärt ihm zu seiner Ueberraschung. daß diese Jahre die wesent lichsten ihres Daseins gewesen seien. Rcmco ist wirklich nur noch ein Sklave der Forschung, aber er bleibt ihr treu, sogar als er an Kehlkopfkrebs erkrankt und den sicheren Tod vor Augen sieht. Er hält durch und weiß in der Stunde des Todes, daß er zu seinem Teil dazu beigetragcn bat, diese Geißel der Menschheit zu bekämpfen. Es ist sehr merkwürdig, daß der Roman trotz der wissenschaftlichen Problematik, der Fachlichkeit und kühlen Strenge bis zum Schluß fesselt. Es sind nicht nur die Menschen oder das Schicksal Rcmcos, es ist. so paradox das klingt, gerade die sachliche Einstellung der Verfasserin, zum Thema und ihre Begabung, den Leser au den qual vollen Bemühungen und Opfern eines geborenen Wissen schaftlers und Fachmanns teilnchmen zu lassen, die unser Interesse erzwingen. Man.gerät als Leser immer mehr in den Bann eines Menschen, dessen Konsequenz und Tapferkeit uns Achtung abnötigt, auch wo wir welt anschaulich nicht mitgehen, und man erlebt eine Tragödie, die ebenso aktuell wie ewig ist. Der Kampf mit dem Tod um das Leben wird immer ungleich bleiben, aber der Ausgang braucht auch in dieser Welt nicht ohne Ruhm für uns zu sein. VV. 0 rotimaun Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 381 vom 17. 8. 38 Uri NOI.I.LLcO. ^ !SI lZI 438« Nr. 207 Dienstag, Len 6. September 1638
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