llncf Osllkll/79 r/NL/'sr sro/Zsn O/cch/er c/s§ H7/kks/<7/ks^L Friedrich Knorr Die mittelhochdeutsche Dichtung Fe/r. eku-a Z.8U, f/r /.e/ne/r e/ma S.SS Dieses Werk bedeutet eine völlige Umwertung der großen Dichtungen unsres Mittelalters für die deutscke GeisteSgesibichte. An Stelle der bisherigen lite- ratnrgeschichtiichen Auffassung, die die einzigartigen Epen des IZ. Iabrhnn- derts als bloße Fortbildungen übernommener Stoffe ansah, gibt Friedrich Knorr eine Auslegung dieser gewaltigen Werke als unmittelbare Zeugnisse deutschen Schicksals in dieser Zeit, wie wir sie bisher überhaupt nicht hatten. An erster Stelle steht der Parzival von Wolfram, es folgen die Dichtungen Hartmanns v. Aue und der Tristan von Gottfried v. Straßburg. In ihnen wird der Kampf um die Klärung der seelischen Mächte auSgctragen, die diese Zeit bewegen. Und selbst das Nibelungenlied findethker seine Ein ordnung, zumal es die Auffassung des Verfassers in ungeahnter Weise bestätigt. Es zeigt sich, daß es den Dichtern um die Gestaltung eines Anliegens von tiefstem Ernst ging, das für die Geschichte unseres völkischen Schicksals von entscheidender Bedeutung gewesen ist. In allen ihren Schöpfungen wird das Grundgefüge menschlichen Daseins ergründet. Aus seiner Tiefe werden die Fragen gestellt nach dem Einzelne» und der Gemeinschaft, nach dem Schuldig werden in der Welt, »ack> der geistigen und politischen Ordnung im Reich. Mit umfassendem Wissen folgt Friedrich Knorr Schritt »m Schritt diese» Gedanken, die in der Gestaltung der Gemeinschaft als Reich abseits von der Kirche ibre abendländische Vollendung fanden. Das gibt diesen Schöp fungen eine Größe und Vollkommenheit, wie sie die deutsche Dichtung seit her nicht wieder erreichte. Nr. 255 Mittwoch, den 2. November 1S38