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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.02.1939
- Strukturtyp
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- 1939-02-18
- Erscheinungsdatum
- 18.02.1939
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- Deutsch
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kraft des Zugs in seiner Tiefe beharrlich in der Richtung seines Anfangs blieb. Als Sohn eines Apothekers, der sich daneben als Botaniker einen in Fachkreisen noch heute unvergessenen Namen ge schaffen hat, wurde Reinhold Geheeb am 23. November 1872 zn Geisa in der Rhön geboren. Er absolvierte das Gymnasium in Eisenach und studierte dann romanische Sprachen. Gleich »ach dem Staats examen und der Promotion lernte er in München den ebenfalls noch jungen, aber schnell zn Ruf gelangten Verleger Albert Langen kennen und wurde am 1. August 1897 von ihm angestellt, womit, wie sich nachher gezeigt hat, das Los für seine Lebenszeit gefallen war. Er hat seitdem die wechselnden Geschicke des Langenverlagcs mitge-. macht. Sein klarer Verstand, sein sicheres literarisches Urteil, sein von vornehmem Takt gelenktes Geschick, mit künstlerischen Menschen umzngehen, und feine unbedingte Zuverlässigkeit stellten ihn bald nach seinem Eintritt in die Front der führenden Persönlichkeiten des Verlags. Er wirkte seit 1901, zn Anfang neben Ludwig Thoma, den aber die eigentliche NedaktionSarbeit nur wenig ansprach, als Hauptschrifleiter des »Simplicissimns«, daneben nach Albert Langens frühem Tod im Jahre 1909 als literarischer und künstlerischer Mit leiter des Bnchverlags, seit 1924 nur noch als solcher. Als 1918 der Langcnverlag in den Besitz des Kuratoriums überging, dem Albert Langen die Wetterführung seines Werkes testamentarisch über tragen hatte, wurde er Teilhaber der Firma, was ihm, wie übrigens auch mir, mehr Sorgen als Bereicherung eintrng - Kauflente im eigentlichen Sinne waren wir ja beide nicht. Nach der Verschmelzung unseres Verlages mit dem Georg Müller Verlag hat Neinhold Geheeb als Geschäftsführer der neuen Firma an deren Ruf und Ansehen maßgebend mitgebant und, wie in seinen früheren Ämtern, ohne Ermatten pflichttreu und segensreich gewirkt, bis ihn vor wenigen Wochen eine tückische Krankheit ans das Lager streckte, das sein letztes werden sollte. Mit einem besseren Gewissen als er hat wohl nicht oft ein Mensch dem Tod begegnen können; so war nach schweren Schmerzenstagen, die er dnrchznmachen hatte, am Schluß sein Scheiden sanft. Und ich gedenke seiner lauteren Menschlichkeit, die mich durch mehr als vierzig Jahre immer wieder wie vor einem Wunder stehen und mich fragen ließ: »Gibt es das heute noch?« Für Leser dieser Zeilen, die nichts von mir wissen, will ich hier betonen, daß ich, wie mein Berns dies leider mit sich bringt, eher ein Skeptiker als ein Schwärmer bin. Man braucht mithin von diesem meinem Urteil über Neinhold Geheeb nichts als zu überschwänglich abznziehen. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mir zum erstenmal entgegen trat. Albert Langen hatte ihn eingestellt, als ich in einem Urlaub war. Bei meiner Rückkehr an die Arbeit fand ich zunächst in unseren damals noch sehr bescheidenen Räumen niemand als diesen Fremden vor, wobei ich gleich bemerken möchte, daß bis zu seinem Tod Geheeb des Morgens stets einer der ersten im Verlage war. Der neue Mann, groß und derb kräftig von Gestalt, mit Schmissen im Gesicht, in seiner Haltung und der Art, sich zn bewegen, vom Scheitel bis zur Sohle Tübinger Francone, trat auf mich zn, gab mir die Hand und sagte: »Habe ivohl den Vorzug mit Herrn Holm? Doktor Geheeb mein Name! Herr Langen hat mich als Hilfskraft für Sie engagiert. Ich werde mir alle Mühe geben, es zn Ihrer Zufriedenheit zn sein«. Er schnappte plötzlich ab, sein krampfhaft fest gewesener Blick ver schwamm in Schüchternheit. Ich, der die Monate vorher mit »Hilfs kräften« ähnlicher Art schwere Enttäuschungen erlebt hatte, dachte bei mir: »Wo hat denn Langen den da wieder ausgetrieben? Zur Abwechslung ein Korpsstudent von Dnrchschnittsmaß hat gerade noch gefehlt!«. Wie sehr mich meine Menschenkenntnis da im Stich gelassen hatte, erkannte ich aber bald. Denn erstens saß bei Geheeb der korpsstudentische Lack nur an der Oberfläche und splitterte bald ab, nnd was darunter zutage kam, war angeborene, ganz ungezwungene Vornehmheit, und zweitens sollte hier äußerliche Strammheit auch ersetzen, was diesem jungen Mann an richtigem Vertrauen zu der eigenen Leistung fehlte. Er ging an ihm noch neue Aufgaben mit einiger Zaghaftigkeit heran. Nnd hier bei uns war ihm ja alles neu. Infolgedessen arbeitete er sich anfänglich nur langsam ein. Der äußerst lebhafte und entsprechend ungeduldige Albert Laugen ver zweifelte denn auch nach kurzer Zeit daran, daß er je brauchbar für uns werden könnte. Aus einem längeren Urlaub, den er wenige Monate später antrat, schrieb er mir, ich solle, um ihm Peinlich keiten zu ersparen, Geheeb schonend davon zu überzeugen suchen, daß er als Deutschlehrer au einem rumänischen Gymnasium besser am Platz sein würde als bei uns. Am liebsten fände er ihn bei seiner Rückkehr ins Geschäft gar nicht mehr vor. Nun war mir aber während Langens Abwesenheit Geheeb menschlich sehr nahgckommen. Den Mittler zwischen uns hatte, wie ich ohne Erröten eingestehe, der Alkohol gemacht, der ja nach meiner Erfahrung überhaupt nicht immer nur eiu Weg zu alleu Lastern und einem frühen Ende ist, sondern gar oft auch seine ganz entschiedenen Verdienste hat. Kurz, dieser Zungenlöser hatte eines Abends bei Geheeb die Hemmungen hinwcggeschwemmt, ihn plötzlich aus sich herausgehen lassen und mir den Blick in seinen seinen Geist, sein warmes Herz und seine zarte, saubere Seele weit aufgetan. Nicht aber etwa, daß das in selbst entblößend rührseliger Form geschehen wäre — dazn war dieser Mensch, wenn ich das Wort gebrauchen darf, zn keusch - , nein, es ging dabei der Form nach äußerst fröhlich zu. Auch später hat Geheeb sich immer eher derb als sentimental in seiner Aus drucksweise und manchmal sogar polterig gezeigt nnd mir damit doch mehr von seinem liebenswerten Inneren enthüllt, als wenn er dieses, wirkungsvoll hiugebreitet und dick mit dem Puderzucker »edler« Redensarten überstreut, wie auf dem Präsentierbrett vor sich her getragen hätte. Jedenfalls habe auch ich ihn seit jener »besoffnen Gaudi«, wie er es neunen würde, geliebt und war ihm Freund. Und da nnn zwischen uns das Eis gebrochen war, hatte sich mir im An schluß daran ein ganz besonderes Talent der neuen »Hilfskraft« offenbart, das ganz allein genügt hätte, Geheeb zu einer wertvollen Stütze des Verlags zu machen. Im Gegensatz zu allem früheren Brauch hatten wir beim »Simplicissimns« von Anbeginn der Mehr zahl unserer Zeichner nicht etwa fertige Texte übergeben und ihnen Illustrationen dazu abverlangt, sondern hatten sie, weil uns dabei viel Frischeres herauszukommen schien, nach Lust und Laune zeichnen lassen, wozn es sie gerade trieb. Passende Unterschriften dazu wurden dann erst im Verlag erbrütet. Von selbst versteht sich wohl, daß dies Verfahren nur für Bilder unpolitischer und nicht aktueller Natur anwendbar war. Mir, der ich mich sonst vielleicht für nicht unwitzig halten darf, versagte bei diesem Geschäft der Witz, und es war meistens nur geguältes Zeug, was ich mir da mühsam aus den Un tiefen des Verstandes pumpte. Geheeb hingegen löste solche Auf gaben, ich will nicht sagen: spielend leicht — denn dazu nahm er seine witzigen Legenden, wie jede Arbeit, viel zu ernst —, aber doch mit dem größten Glück. Durch ein Vierteljahrhundcrt hat er all wöchentlich am Tag vor Redaktionsschluß ein paar Zeichnungen mit heimgenommen, die häufig nur einen Herrn und eine Dame in nicht sehr wechselnden Situationen darstellten, nnd hat am nächsten Morgen zn jedem dieser Blätter nicht nur einen Text, sondern deren gleich zwei, drei oder gar vier mit auf die Redaktion gebracht und uns zur Auswahl vorgelcgt. Und unter ihnen lief ganz selten einer mit, der nicht des Druckes würdig schien. Fast alle waren sie nicht nur so geistreich oder drastisch zugespitzt, daß man hellauf lachen mußte, sondern auch so meisterlich und knapp geformt, daß jedes Wort mit einer Selbstverständlichkeit an seinem Platze saß, die die vorausgegangene Feilarbeit nicht durch die kleinste Schramme mehr verriet. Hält man die Bildlegcnden im »Simplicissimus« jener Tage gegen die der früheren Witzblätter, dann geht es einem auf, wieviel von seinem künstlerischen Range unser Blatt der völlig anonym gebliebenen, ganz ohne Frage schöpferischen Tätigkeit Gehcebs zu danken hatte. Nicht wenige seiner schlagenden Witzprügungen leben bis auf deu heutigen Tag im Volksmund fort, und keiner, der nicht mit dabei war, weiß, aus wessen Kopse sie entsprungen sind. Mithin wird es wohl niemand wundern, daß ich damals Langen auf seine Weisung, diesen Neuling in aller Höflichkeit, doch schleunigst, wieder auszubooten, schrieb, ich dächte nicht daran und würde ihm die Gründe meiner Weigerung mündlich auseinandersetzen. Für diese Widersetzlichkeit hat Langen mir später oft gedankt. Geheeb ist ihm, wie das ja wohl auch nicht gut anders kommen konnte, einer der seinem Herzen am nächsten stehenden Mitarbeiter geworden. So saß der neue Mann nun fest bei uns im Sattel. Wir hätten ihn nicht mehr missen mögen, und seine Treue hat niemals gewankt. Lockende Gehaltsversprechuugeu vo» anderer Seite, darunter eine geradezu phantastische des damals großmächtigen August Scherl, dem Geheeb durch dessen »Leibarzt«, einen Jugendfreund von ihm, empfoh len war, ließen ihn völlig kalt. Wer glaubte, ihm um Geld etwas abkaufeu zu können, täuschte sich sehr. Die Sache war ihm immer wichtiger als sein eigener Vorteil. Mehr und mehr verwuchs er so im Lauf der Jahre mit dem Verlag und wirkte bei allem, was den anging, entscheidend mit. Ein Mensch bleibt dem Gesetze untertan, nach dem er angetreten ist, so änderte sich auf die Dauer nichts daran, daß er für ihm neue Dinge immer erst einen längeren Anlauf brauchte, doch hat das höchstens ihm selbst, nie dem Verlag das Leben schwer gemacht. Denn war die Hemmung einmal überwunden, tat er nach sehr gewissenhafter Über legung immer klug das Nichtige. Und eben diese Seite seines Wesens erhielt ihn innerlich so jung, wie er es bis zuletzt geblieben ist. In einundvierzig Jahren sammelt sich bei einem Verleger eine Summe von Erfahrung an, und es besteht natürlich die Gefahr, daß daraus 143
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