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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.05.1939
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- 1939-05-25
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- 25.05.1939
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das Werk eines großen Dichters, bas noch Uber Gebühr vernachlässigt ist, in seiner Größe und in seiner wachsenden Bedeutung sichtbar zu machen. Der Buchhandel Leipzigs trug das Seine an der Werbung für Paul Ernst bei, indem er sich rege an einem von der Paul-Ernst- Gesellschaft ausgeschriebenen Schaufensterwettbewerb be teiligte. Uber die Teilnehmer an dem Wettbewerb hinaus hatten fast alle Leipziger Buchhandlungen der Reichstagung der Gesellschaft durch besondere Auslagen Rechnung getragen. Als Preis für das beste Fenster war eine Freifahrt nach St. Georgen bei Graz in der Steier mark und ein achttägiger Aufenthalt in Schloß St. Georgen, dem Wohnsitz Paul Ernsts in den letzten Jahren seines Lebens, ausgesetzt. Diesen Preis gewann Fräulein Tottmann in der Buchhandlung Theo dor Herbert Fritsch jun., den zweiten das Fenster der Buchhandlung Alfred Lorentz. Wenn nicht das Fenster der dauernden Buchausstel lung der Firma Koehler L Volckmar außerhalb des Wettbewerbes gestanden hätte, weil es sich ja nur an eine beschränkte Öffentlichkeit wendet, — es machte freilich auf die zur Kantate gekommenen aus wärtigen Buchhändler einen starken Eindruck — so hätte Herr Tärrer den ersten Preis davongetragen. Allerdings wurde auch er durch eine Einladung von Frau Ernst nach St. Georgen ausgezeichnet. Sein Fenster brachte beinah als einziges den politischen Rang des Dichters zum Ausdruck, dessen Andenken man an seinem sechsten Todestag feierte. Denn wenn auch einmal der »Erzähler« Paul Ernst und das andere Mal besonders der »Epiker« zu Wort kam, die ganze Tagung stand doch unter dem Zeichen des »Kämpfers« Paul Ernst. Es war der politische Buchhandel, zu dem hin der Vorsitzende WillVesper am Eröffnungsabend der Neichstagung die Brücke schlagen wollte, wenn er forderte, daß gerade dem Dichter Paul Ernst gegenüber die Aufgabe der Vermittlung seines Wollens an das ganze Volk noch zu erfüllen sei. Diese Eröffnung fand vor den Besuchern des vom Deutschen Volksbildungswerk veranstalteten Abend statt. Die zahlreichen Zuhörer werden zum Teil zum ersten Male mit Paul Ernst in Berührung gekommen sein und daher mit um so größerem Erstaunen vernommen haben, daß in Amerika zahlreiche Freunde Paul Ernsts an der Arbeit sind, das Werk des Dichters dort immer mehr bekannt zu machen. Das ist übrigens nicht nur in Amerika der Fall, sondern vor allem auch in Frankreich. Es gibt nun schon mehrere Länder, in denen einflußreiche Menschen in Paul Ernst die Verkörperung des Deutschen sehen und in ihm einen Zu gang zum neuen deutschen Reich finden. — I)r. Erich Härlen gab in kurzen Worten ein Bild von der Persönlichkeit und dem Wollen und dem Werk Paul Ernsts. Er zeigte, ein wie leidenschaftlich bewegter Denker und aus den Nöten seiner Zeit für die Zukunft des Volkes schaffender Dichter Paul Ernst gewesen ist. Er wies auf die große Spannung hin, die in Ernsts Werk besteht: zwischen den Romanen und dem großen Epos des Kaiserbuches, zwischen den Komödien und Tragödien, zwischen der Kunst der Form und der lebendigsten Wirk lichkeit der Gehalte, — die kraftvolle Spannung einer großen Archi tektur. Er las aus dem Kaiserbuch einen Abschnitt, welcher die un ruhige Zeit Heinrich IV. heraufbeschwor, die balladenhafte Geschichte von »Gebhard Nimmernüchtern«. Tilla Schmidt-Ziegler erzählte einige Geschichten von Paul Ernst aus den »Deutschen Geschichten«, den »Heiratsschwindler« und zwei »Komödiantengeschichten«. Es war schön, wieder einmal zu erleben, daß das freie Erzählen selbst eine große Versammlung von Zuhörern zu fesseln, aufzulockern und auf zuheitern vermochte. Die Paul-Ern st-Feier des Standortes Leipzig derHI. gehörte zu den wichtigsten Veranstaltungen einer Tagung, die dem zukunftsträchtigen Werk eines völkischen Dichters gewidmet war. Paul Ernst hat gerade unter den jungen Dichtern der Hitler jugend dankbare Schüler gefunden. Einer von ihnen, Eberhard Wolfgang Möller, sprach zu seinen Kameraden über ein Thema, welches im Angesicht des Schicksals, das der Dichter hatte, der im Mai 1033 starb, sich anbieten mußte: über das Verhältnis von Volk und Dichter, wie es sein soll. Denn Paul Ernst lebte und starb als Einsamer, und als ihn 1933 die Jugend rief, konnte er nur mit einem »Zu spät« antworten. In dem Augenblick, wo mit der politischen Revolution ein neues Verständnis für »Bildung« geschaffen würde, müßte auch der Dichter seinen alten Platz inmitten des Volkes wieder gewinnen. Trüge doch gerade die Kunst des Dichters zur inneren Bildung eines Volkes entscheidend bei. Es könne Ernst freilich nicht mehr mit einer späten Ehrung aus seiner Einsamkeit befreit werden, aber sein Werk könne uns heute zu einer echten Bildung, zur Volk- Hastigkeit und zu höherer Freiheit verhelfen. — Neben Worten des politischen Denkers Ernst und einigen Zeugnissen für sein Selbstver ständnis kam auch diesmal wieder das Kaiserbuch zu Wort. Erich Härlen las den Bericht vom Tode Heinrich I. Mit ihrer musikalischen Einleitung und dem gemeinsamen Schluß gesang war diese Stunde der Hitlerjugend ebenso sehr ein Zeichen neuer Feiergestaltung wie die von der Studentenschaft veranstaltete Morgenfeier am Sonntag. Hier kam der politische Denker eindrücklich zur Geltung. Man spürte aus den vor getragenen Stellen, daß Paul Ernst eine Neuordnung des Volkes im Zusammenhang mit einem neuen Weltbild und einer neuen deutschen Frömmigkeit schaute. Der Zuhörer mußte die tiefe innere Einheit zwischen den höchsten dichterischen Bildern aus der Gedichtsammlung »Beten und Arbeiten« und aus dem Schluß des Heilandbuches, die vr. Leonhardt Blaß vortrng, mit den von Paul Finohr vorgelesenen Gedanken, die den Politiker Paul Ernst in der großartigen Arbeit »die Grundlagen der Neuen Gesellschaft« und in den Aufsätzen des »Credo« bewegten, lebendig spüren. Das Theater hatte die Komödie »Pantalon und seine Söhne« wieder in seinen Spielplan ausgenommen und bot damit wiederum das Beispiel einer echten Komödie, in der der Dichter über das Menschenwescn mit einem gütigen, verzeihenden Lächeln spricht. Nicht das bunte Geschehen einer Verwechslung steht im Vordergrund der Dichtung, wenn es schon im Vordergrund der Bühne steht, son dern das ewige Ereignis der Liebe, wie es sich in den verschiedensten Menschen spiegelt. Wichtiger war, daß an der Leipziger Bühne der Tragiker Ernst zur Wirkung kam, und zwar mit seiner gro ßen T r a g ö d i e »D e m e t r i o s«. Der Beifall, der am Schluß nicht anfhören wollte, galt neben den Schauspielern, dem Spielleiter und dem Bühnenbildner vor allem dem Dichter, der in seiner Tragödie Dinge darstellt, die für uns erlebte Wirklichkeit und zum Teil über wundenes Leiden sind. Wir können heute (anders als die Menschen von 1903, unter denen Paul Ernst sein Trauerspiel schrieb) nur mit tiefster Erschütterung den Sturz eines Königs sehen, der zur Führung seines Volks berufen war, der aber scheiterte, weil er kein Volk mehr antraf, das seine Gefolgschaft hätte bilden können, und der umgekehrt kein Volk mehr schaffen konnte, weil er an seiner Führcrausgabe an gesichts eines Chaos von Parteien und widerstreitenden Interessen verzweifelte. Paul Ernst schrieb sich mit dem »Demetrios« die Last, welche seine Zeit ihm auflegte, von der Seele. Er schuf mit seiner Dichtung wieder eine wirkliche Tragödie, weil in ihr die großen Mächte Volk und Staat. Macht und Recht, Gewalt und Herrschaft, Sklaven und Herren, edle und unedle Nassen, weil Götter und Men schen in einen großen, vernichtenden Konflikt geraten. Der politische Kämpfer Paul Ernst, dem die Tagung gewidmet war, sprach ein drücklich von der Bühne herab. Es sprach ein großer Dichter, d. h. aber auch eine große Persönlichkeit. Uber ihr Verhältnis zur heutigen Bühne und über die Beziehung, die unser Theater zu Paul Ernst hat, haben kann und haben muß, sprach der Neichsdramaturg vr. R a i n e r S ch l ö s s e r. Der Dichter, der eine große Persönlichkeit ist, wirkt, wie immer seine poetischen Mittel sein mögen, durch die Kraft seines geschlossenen, großen Weltbildes. Er geht sehr oft über die Verstehensmöglichkeit seiner Zeitgenossen hinaus, er wirkt weit über seine Zeit hinaus. Der große Dramatiker wartet nicht darauf, daß ihn das Theater aufführt, er schilt nicht, wenn es ihn nicht auf führt, — er schafft sich durch die Gewalt seines Werkes die Bühne, die ihm gemäß ist, wenn erst dies Werk die Herzen des Volkes zu bewegen beginnt. Daß die Tragödie Ernsts dazu auf dem Wege ist, bewies dieser »Demctrios« auf der Leipziger Bühne. Der Sonntagnachmittag vereinigte die Mitglieder der Paul- Ernst-Gesellschaft im Gohliser Schlößchen noch einmal um den Erzähler Paul Ern st. Die Heiterkeit der Erzählungen, welche wiederum von Tilla Schmidt-Ziegler vorgetragen wurden, war nur ein zarter Schleier für die tiefen und bedeutungsschweren Gedanken, die hier wie in allen Erzählungen Ernsts zu leicht faßlichen Bildern wurden. Zum ersten Male erklangen vier von Johannes Her mann Müller vertonte Spruchgedichte Paul Ernsts. Mit Musik von Händel und Mozart wurde diese schöne Nachmittagsstunde be gonnen und beschlossen. Der Abend sah noch einmal eine große Zuhörerschaft, die gekom men war, um die größte und volkstümlichste Dichtung Ernsts im Fest saal des Neuen Rathauses zu hören. Will Vesper las aus dem Kaiserbuch ein größeres, zusammenhängendes Stück. Hier stand der Märchenerzähler Ernst, der alle hell auflachen machte, neben dem wortgcwaltigcn Epiker, der einen der größten Kaiser der deutschen Geschichte hcraufbeschwor, den letzten Hohenstaufen Fried rich II. Der Dichter hebt in diesem Abschnitt die Gestalt des deutschen Königs und Herrschers von den einzelnen historischen Erscheinungen ab —, hinauf in den Bezirk der Sage und damit in das Herz des Volkes. Der Dichter des Kaiserbuches ist es, dem der Buchhändler vor allem seinen Dienst widmen muß. — Diese Schlußfcicr wurde ver schönt durch den Thomanerchor, der eine Reihe heiterer Madrigale sang. Eberhard Ter-Nedden Nr. 119 Donnerstag, den 25. Mat 1939 439
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