Was sollte dieser auch von einem alten Türkenschreck und dessen Hausehre zu scheuen haben? Stiefgroßmutter Dora, pergamenten, still, klar und klug, gab der geborenen Juritsch an Umriß und Färbung wenig nach, und er selbst hatte andere Majestäten, er hatte die Geister und Gespenster Europas ge schaut. Manchoftmal, wenn er dabei sein durfte, hörte der Enkel den alten Herrn lebhaft von einem gewissen Goethe und dessen brennklaren braunen Augen, häufiger noch von einem gewissen, sehr faulen und gefräßigen, sehr gescheiten und witzig wortkargen Talleyrand, dann wieder von einem gewissen Arndt, von einem gewissen Metternich, von einem Menschen namens Friedrich Wilhelm der Vierte, von einer sogenannten Paulskirche mit unendlich vielen Leuten darin, von einem Bruder Heinrich und einem Bruder Fritz, von Erz herzog Johann und vom Kaiser erzählen. Doch auch für den Kleinen, wenn er den „Wiener Großpapa" sehr darum nergelte, fiel aus dem unergründlichen Schatz eine Geschichte ab. ) I cht Jahre später, da saß eines Frühherbsttages am Tische, von dem schon ein Größerer, einer in langslachsseidenwallender nordweißblondcr Meistermähnc, Theodor Mommsen Brot und Salz des Hauses gegessen hatte, ein kleiner unbekannter Korporal des deutschen Forschergeistes, gedrungen, mehr südgemütlich, krainisch-heimisch, von Antlitz mit rötlichem graudurchflocktem Haarschopf und dickem Kurzschnurrbart mehr verwettert als olympisch und akademisch verklärt, von ganzer Erscheinung mehr chthonischer sch ollen verbun dener Gamascheninspcktor als Antiquarius: Alfons Müllner, Professor und — früher — Konservator, jetzt Kustos am „Rudolsinum", dem schönen krainischen Museum, und als solcher Nachfolger des berühmten Descbmann; mit seinem gepflegten bequemen landärztlichen Dachwägelchen, dazugehörigem strammen Doppelpony und Sattel nebst Zaumzeug im eisernen Gepäck un ermüdlich unterwegs, den Landesbestand an Funden, Inschriften, Erinnerungen zu überwachen, zu ergänzen und neu aufzunehmen. Kein öder, Welt- und naturfremder entrückter Spezialist — wie solch einer später einmal eigens wegen eines neugefundenen hübscben Votivaltars von der Wiener Universität gekommen war — sondern ein handfester, dabei gründlicher Generalkenner seines räumlichen Gebietes, ein polyhistorischer Provinzgelehrter, der sich aber darum nicht scheute, selbst gegen den übergroßen Mommsen, wo dieser ihm zu irren schien, kampflich in die Schranken zu treten. Da wurde eine Inschrift nicht nur abgeklatscht und gedeutet, es wurde auch sogleich der Stein der Tafel oder Stele bestimmt, es wurde der betreffende, vielleicht uralt verschüttete und überwucherte Steinbruch besucht und genau durchschnüffelt, es wurde bei dieser Gelegenheit gleich auch noch auf Mineralien und Fossilien