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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.11.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-11-22
- Erscheinungsdatum
- 22.11.1910
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- Deutsch
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270. 22. November 1S10. Nichtamtlicher Teil. Dürers Vorliebe hat nach seiner Lebensbeschreibung (von Thausing) entschieden an der Renaissance-Antiqua gehangen; er hat die einmal vorhandene gebrochene Schrift nur zu bessern versucht; die von ihm geschaffene Texturschrist war nach seiner eigenen Angabe nur »für bauleut und maler« zur Verwendung an Häusern bestimmt. Daß Luther als Kind jener Frakturzeit diese Schrift wie jeder andere an wandte, ist selbstverständlich; was Kant anbelangt, so ist dieser schon damals von W. v. Humboldt hinsichtlich der Gewöhnung der Augen an die Antiqua eines Besseren belehrt worden, und derselbe Gelehrte tat den Ausspruch: »In Deutschland braucht man hundert Jahre, um eine Dummheit einzusehen, und hundert Jahre, um sie zu beseitigen«. Klopstock hat später eine genau entgegengesetzte Äußerung getan, indem er die Fraktur »ganz undcutsch« nannte. Die persönliche Liebhaberei der alten Frau Goethe kann man ihr nicht übel nehmen; aber ihr großer Sohn hat viele seiner Werke in Antiqua drucken lassen und besonders in seinem späteren Alter, als er doch gewiß zu einer abgeklärten Erkenntnis über solche Dinge gekommen sein mußte, sich auch persönlich viel der Altschrist bedient. Die Herren in Leipzigs können einen Beweis hierfür sogar in Auerbachs Keller einsehen, wo unter anderen ehr würdigen alten Schriftstücken an einem Pfeiler auch ein Brief des Dichters aus dem Jahre 1814, also der Zeit der Befreiungs kriege, unter Glas und Rahmen ausbewahrt wird. Das ist um so bemerkenswerter, denn gerade in jener Zeit gaben die Patrioten Jahn, Fichte usw. die Parole aus: »alles nur deutsch«, und das übertrug man irrtümlicherweise auch aus die Schrift. Als wenn die Antiqua französisch wäre! Nach Rcinecke müßten alle anderen, die Altschrist ver wendenden Völker kein völkisches Selbstbewusstsein haben, weil sie keine eigene Schrift besitzen! Die Wahrheit ist, daß sie in Nationalstolz, Vaterlandsliebe und politischer Reise uns Deutschen ein Vorbild sind und daß sie die Bruch schrift, die sie im Gegensatz zur Antiqua nach ihrer eigenen Nation benannten, längst in die Rumpelkammer geworfen haben. Merkwürdig ist auch, daß ein anderer Kronzeuge Reineckes, Wieland, einen genau entgegengesetzten Ausspruch getan hat! Was den Allgemeinen deutschen Sprachverein anbelangt, so ist vom Vorstand hauptsächlich der Schrist- leiter, der auch die erwähnte Besprechung des Buches von Reinecke durchließ, ein Bruchschristler; die größte Zahl der Vorstandsmitglieder, darunter hochangesehene Schulmänner, sind dagegen Altschristsreunde. In dem neuen Buche Reineckes steht nichts, was irgendwie von epochemachender Bedeutung wäre oder den Reiz der Neuheit hätte, und nichts, was noch nicht widerlegt wäre! Über die Entstehung und Entwicklung der Fraktur unterrichtet jedes Konversationslexikon den Tatsachen gemäß und zwar zu unseren Gunsten. Es ist unglaublich, daß man sich über diesen längst erledigten Punkt heute noch streiten muß und daß, eben wegen dieses unglaub lichen Irrtums, die dringend notwendige Schriftreform auf so großen Widerstand stößt! Trotz allen Schristtafeln von Reinecke steht die Tatsache fest, daß andere Völker die ge brochene Schrift gleichzeitig mit uns besessen haben, und diese gemeinsame Schristmode ist erklärlich, wenn man berücksichtigt, daß die Klöster, aus denen damals die bedeu tendsten Schriftwerke hervorgingen, untereinander in regem Verkehr standen. Einzelne gebrochene Schichten, z. B. die irische, Weichen von der im allgemeinen angewandten Ecken schrift ab, aber sie alle weisen die Brechung auf, die Reinecke bisher und immerdar als etwas Germanisches beansprucht! Ich sowohl wie Herr Hölscher verstehen die Eigenschaften des gebrochenen Baustiles zu schätzen; aber es ist doch Tatsache, daß dieser in Nordfrankreich entstanden und von den Jta- Börsenblatt für dri, Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. lienern spottweise »gotisch« wegen seines »barbarischen« Ein- drucks aus sie benannt worden ist. Denn mit den alten Goten hat die Bruchschrift doch wirklich nichts zu tun, die Schrift dieses germanischen Volkes war eine Mischung von griechischen, römischen und Runen-Zeichen. Andererseits steht fest, daß die Schaffung der Klein buchstaben vor allem deutschen Schreibern verdankt wird, und karolingisch wäre die zutresfendste Bezeichnung für eine Schriftart, von der nur die Großbuch st aben römischen Ursprungs sind. Da nun selbst der runde, romanisch genannte Baustil von Reinecke als echtdeutsch beansprucht wird, so könnte er doch auch nichts gegen die diesem Stil durchaus entsprechende runde Schrift einzuwenden haben! Jeder hat seinen Geschmack, wer aber die gewöhnliche zopfige Fraktur und die steifleinene, spitzwinklige Schreib schrift schön findet, kann nicht viel Schönheitssinn besitzen. Merkt man denn irgendeinen erziehlichen Einfluß dieser Schrist auf unsere Volksschuljugend, deren Benehmen und äußeres Wesen doch wahrlich eckig, steis, unordentlich und wenig an sprechend genug ist? Sie hat heute Notwendigeres zu lernen als jene mittelalterliche, spießbürgerliche Schreibschrift, die jedem Schulkinde an die 350 saure Schul st unden kostet; denn es sind wegen der Verschiedenheit der Zeichen säst ganze acht Abc zu lernen, und welche erbärmliche Hand schrift haben die Kinder nach achtjährigem Unterricht, welche erbärmlichen Kenntnisse im Deutschen? In jedem Fall ist zu verlangen, daß der Schreibleseunterricht mit der Altschrift beginnt, die infolge der Übereinstimmung von Groß- und Kleinbuchstaben so wie der Druck- und Schreib schrift bedeutend leichter ist; denn bei der heutigen Methode wird der pädagogische Fundamentalsatz »vom Leichteren zum Schwereren« vollkommen auf den Kops gestellt. Auch schreiben die Kinder die runde Schrift viel lieber als die eckige, spitze. Daß die Ausländer Schwabacher Druck u. dgl. Arten nicht lesen könnten, hat niemand behauptet, aber wie viele wissenschaftliche deutsche Bücher werden denn so gedruckt? Als Brotschrift ist sie ihnen zuwider, sie muß überhaupt ihrem ganzen Charakter nach als Zierschrist behandelt werden, und als solche wollen auch wir sie bestehen lassen. Wie kann man aber solche Zierschriften, wie die gebro chenen es sind, für den Alltagsgebrauch, für jeden Wisch und jedes Hest, verwenden und dadurch vollkommen entwerten wollen? Die spitze (deutsche) Schreibschrift kann ein Aus länder überhaupt nicht lesen, und viele mit »deutscher« Aus schrift versehene Briefe gehen zudem jährlich verloren, was von unsern Konsuln bestätigt wird. Nun zu den Zweckmäßigkeitsgründen. Wäre die versuchte Beweisführung mit dem mittelbaren und unmittelbaren Sehen und der größeren Geeignetheit der Bruchschrift zu treffend, so würde man z. B. die Antiqua wegen ihrer größeren Lesbarkeit im öffentlichen und Geschäftsverkehr nicht überall und fast ausschließlich verwenden. Die berühmtesten Augen ärzte haben sich für die Antiqua ausgesprochen, ich nenne nur Namen von internationalem Ruf wie Best, Mooren, Winkler, Fuchs, Nobis, Schweigger, ferner auch Esmarch, Pirchow. Unser Anhänger, Geheimrat Professor Hermann Cohn, auf den sich Reinecke in seinem Buche beruft, hat sich in einem Punkte geirrt: die wirkliche Typenhöhe ist bei der Fraktur größerals bei der Antiqua des gleichbenannten Typenkegels. Daher das unrichtige Ergebnis Cohns. Nichts hindert jedoch, die Antiquatypen ebenso hoch und schmal zu schneiden wie die Fraktur. Im übrigen ist die spitze Schreibschrift s ch ä d l i ch e r als die Druckfraktur. Die Altschrift hat weniger Takte, Druckstellen und Ab setzungen und ist daher bedeutend schreibflüchtiger, wie sich jeder durch Versuche selbst überzeugen kann. Das lange k ist da, man braucht es nur anzuwenden, eventuell noch mit I8S«
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