270, 22. November 1910. Fertige Bücher. Birsknil»» ». d. Dtschn. Vuchh<m«-L. 14343 Zwei Arteile: Aus Kopenhagen schreibt unser Korrespondent: Karin Michaelis, die bekannte dänflche Schriftstellerin, hat durch ihr mutiges und lebhaft umstrittenes Buch „Das ge fährliche Alter" hier alle Gemüter in Bewegung gesetzt. Das seltsame Buch ist das offene sexuelle Bekenntnis einer Dame im „gefährlichen Alter" zwischen 40 und 50 Jahren. Die Frau, die ihre krankhafte Erotik dem Leser enthüllt, ist bisher eine exemplarische Gattin und Mutter gewesen, nach Erreichung des „gefährlichen Alters" aber in einen derartigen erotischen Sinnensturm hineingeraten, daß sie sich zuletzt nicht anders zu helfen weiß, als daß sie ihren Mann verläßt und ihren Kampf mit sich allein durchkämpft. Das Buch ist psychologisch interessant; es deckt mit mutiger Offenheit krankhafte sexuelle Zustände auf, die sich zweifellos weit mehr, als manche ahnen, in dem „gefähr lichen Alter" der Frauen einstellen. Nach Ansicht von Frau Michaelis handelt es sich nicht um Ausnahmefälle, sondern um eine erotische Sturmperiode, mit der fast alle Frauen in dem „gefährlichen Alter" zu kämpfen haben. „Wenn die Männer manchmal wüßten, wie es in uns Frauen in diesem Alter aussieht, sie würden uns Niederschlagen — wie tolle Lunde!" . . . Diese Worte läßt Karin Michaelis durch die Lauptperson ihres Buches aussprechen. Das Werk hat auch im sonst sehr liberal denkenden Dänemark einen Sturm hervorgerufen, und mehrere Bibliotheken und Lesesäle weigern sich, das Werk auszuleihen und auszulegen. Natürlich bewirkt dies nur eine um so größere Verbreitung des merkwürdigen Romans, dessen Erscheinen als ein literarisches Ereignis ersten Ranges angesehen wird. Frau Karin Michaelis leidet sehr unter den Vorwürfen, die man ihr macht; sie sagt darüber in einem Brief an den Redakteur des „Zeitgeist": „Ich werde gebissen und zerrissen; wir sind hier gegen einander wie Wölfe; bald bin ich ganz gestorben." Demgegenüber erscheint es als Pflicht, auf den tiefernsten Charakter des Buches hinzuweisen. Berl. Tageblatt. Auf die Frage: In welchem Alter ist die Frau sich selbst am gefährlichsten? kam in den letzten Tagen eine geradezu erschütternde Antwort. Da ist ein unheimliches Buch er schienen, das Werk einer Dichterin, und wenn man es liest, so packt einen das Grauen. Karin Michaelis nennt ihren Roman „Das gefährliche Alter". Sie gibt uns die Bekennt nisse einer Frau, die eine furchtbare Wahrheit ausspricht, die in ihrer grellen Tragik noch nie so schonungslos enthüllt worden ist, wie in diesem Buche. Ich meine die Tragik einer Frau, die ihr 40. Jahr erreicht hat, nur äußerlich altert und doch bis tief in den Winter hinein reist, deren Lerz nach Blüte schreit, während ihr Körper schon verblüht. Wo ist der Tragiker, der diesen gewaltigen Konflikt zu behandeln verstände? Werden Karin Michaelis' Schwestern sie nicht steinigen, weil sie es versucht und die Geheimnisse der Frau verrät? Bert. Lokal-Anzeiger. I8S3>