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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1926
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- 1926-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1926
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sfl- 128, 5. Juni 1928, Redaktioneller Teil, gegnung mit einem philosophischen oder religiösen Werl, Solche Berichte sind auch fast immer farblos und trocken oder 'gefühlvoll und unwahr ausgefallen. Die 20 befiel! Arbeiten nennen folgende Bücher (in der Reihenfolge der Prämiierung): Robinson Crusoe; Rilke: Cornet; Zlchy: Das Buch des Einarmigen; Wildenradt: Der Zöllner von Klausen; L, Thoma: Andreas Vöst; Deutsche Götter- und Heldensagen; Odyssee; Münchener Bilderbogen; Hesse: Unterm Rad; E, T, A, Hoffmann: Der goldene Topf; Lagcrlöf: Gösta Beding; König: Literaturgeschichte; Joh, Mül ler: Bergpredigt; Nibelungenlied; Fr, Huch: Pitt und Fox; Joh, Müller: Hemmungen des Lebens; Faust; Maris Stella: Leitfaden zur Erkenntnis der Wahrheit; Herzog: Nur eine Schauspielerin; Eberhard König: Dietrich von Bern, Bei Durchsicht sämtlicher Antworten findet man einige Namen häufiger: an erster Stelle (nach der Bibel) Goethe, und zwar nicht nur mit dem Faust, sondern auch mit seinen gesamten Werken, mit den Gedichten, mit Hermann und Dorothea, Dichtung und Wahrheit, Iphigenie, weiter vielfach Schopenhauer, mehrmals Meysenbug: Memoiren; Dacquö: Urwelt, Sage und Mythos; Lhotzly (Buch der Ehe, Seele deines Kindes); Joh, Müller; Spengler; Thomas a -Kempis; Stifter; Gottfr, Keller; Hesse (Demian, Peter Camenzind); Bonsels (Biene, Maja, Himmclsvolk, Menschenwege); Agnes Günther: Die Heilige und ihr Narr; Jungnickel; Lagerlös (Chri- stuslcgendcn, Gösta Beding); LönS (Wchrwolf) und immer wieder: Karl May, Andersens Märchen, Struwwelpeter, Robinson Crusoe, die Heldensagen, also die Lektüre aus der Jugendzeit, Einiges läßt sich doch nach dieser flüchtigen Übersicht zusam menfassend sagen. Ausfallend ist, daß neue Werke aus den letzten zwei, drei Jahren kaum genannt werden. Bücher, die während des Krieges und in den Nachkriegsjahren erschienen sind, werden schon häufiger angeführt, vor allem Spengler, Vieles aus jener Zeit, wie etwa Keyserlings Reisetagebnch oder Gundolf: Goethe, oder von literarische» Werken Leonhard Frank: »'Der Mensch ist gut- oder Barbusse: -Feuer-, ist scheinbar doch wieder in Ver gessenheit geraten. Noch inehr aber erstaunt inan, daß kein ein ziges Werk oon Gerhart Hauptman-n, Thomas Mann oder Ri carda Huch angeführt wird. Hier macht sich der Mangel an Arbeiten aus den »gebildeten» Kreisen (es sei gestattet, der Ein fachheit halber diesen Ausdruck zu gebrauchen!) sehr bemerkbar. Ältere Werke aus der Klassi-kerzeit und aus der Mitte und zweiten Hälfte des 19, Jahrhunderts werden dagegen überraschend viel genannt. Es sind keineswegs immer künstlerisch oder inhaltlich wert volle Bücher, die gelegentlich einen Wendepunkt -im Leben eines Einzelnen verursachen. Der Sohn eines Arbeiters, »in sehr ärm lichen Verhältnissen geboren», erhält eines Tages, nachdem er früher nur Schundliteratur gelesen hat, von einem Freund den -historischen Roman »Der Zöllner von Klausen», Dies -Buch gibt ihm -den ersten Anstoß zum -weiteren Lesen guter Bücher und vor allem zur Erkenntnis des Unterschiedes zwischen dem bisher ge lesenen Schund und guter Literatur, (Der Schreiber fügt hinzu, daß er später die -Bolkshochschulkurs-e besucht und kürzlich -die Ein« jährigcupvüfung abgelegt hat,) Eine Frau erzählt, wieviel schöne Stunden ihr die Bücher der Marlitt bereitet haben, wie sie ihnen Kenntnis des -Lebens und zugleich Verschönerung des eigenen Lebens verdankt. Solche Fälle sind besonders interessant für die Psychologie deS Lesrpublikums, und der Buchhändler -und Volks- erziehcr, der die Erziehung zum Lesen nur mit hochwertigen Büchern erreichen will, mag sie sich besonders notieren! Es ist noch keine Kulturtat, als Sortimenter zu sagen: wir führen keinen Tarzan oder keine CourHs-Mahler, und damit breite Leserkreise für immer an den Auchbuchhändler zu -verlieren. Die reinsten und stärksten, für das ganze Leben -nachhaltigsten Eindrücke gehen -für sehr viele Menschen vom Kinderbuch aus. Es ist -kaum ein Zufall, daß -der -erste Preis einer Arbeit über Robinson Crusoe -zu-fiel, Die Verfasserin erzählt, -wie dieses Buch -für sie das Lehrbuch des Lebens wurde: »Wir kannten bis dorthin weder Abschiednehmen noch Sterben; Freitag, -die Errettung von Freitags Vater un-d dessen Tod waren das erst« Heimweh, die erste erschütternde Wiedersöhenssreu-de, -der -erste Trenmnngs- schmerz, den wir erlebten«, und -sie fügt später hinzu: »Das Buch 710 (Robinson) ist eigentlich eine Menschheitsgeschichte», Oder etwas anderes: Eine Mutter von einem Mädel und drei -Buben, die bis dahin nur Gefallen an Büchern wie »Die blutige Hand» und der gleichen fanden, und für die es schon »ein Fortschritt in -der Menschwerdung»' war, als sie »vom Raufen zum Lesen über gingen«, liest ihren Kindern aus -den »Deutschen Götter- und Heldensagen» vor, und »-das Wunder war vollbracht: aus vier Rangen waren vier Seelen -geworden, die ein Paradies entdeckt hatten, in das sie immer flüchten konnten«. Wie oft wird der unverwüstliche Karl May genannt, wie oft -die Märchen von An dersen, Hauff und den Gebrüdern Grimm! Zuweilen vermittelt das mit den ersten selbstverdienten Groschen erstandene Recl-am- hcft -lebenswichtige Eindrücke, Es ist ja selbstverständlich: für die so empfängliche, so gar -nicht überfütterte Kinderseele ist das erste -Buch ein -ungeheures Ereignis, eine ganz neuentdeckte Welt. Nicht umsonst -weist deshalb Fritz Schnabel immer wieder eindring lich -die Buchhändler darauf hin: fangt -bei den Kindern mit eurer Propaganda an! Daß die Beurteilung -ausschließlich nach dem überzeugenden Inhalt geschah, wurde schon gesagt. Fast die Hälfte der Einsen dungen scheidet hiernach aus. In vielen Fällen wird das gestellte Thema zu -schülermäßig -beantwortet. Der Schreiber -zählt an den Fin-gern her, -weshalb erstens, zweitens und -drittens ihm das oder jenes -Buch von großer -Bedeutung war. Das Ganze ist dann schön -überlegtes, aber spindeldürres Geschreibsel, Ein anderer erzählt lang und breit den Inhalt »seines» Buches und -sagt dann, dieses -Buch habe ihm den größten Eindruck -gemacht, über die Gründe a-ber schweigt er -sich aus, , Am schlimmsten verrennen sich die Leute, wenn sie ins Philosophieren über -den allge meinen Wert des Buches kommen. Dieser Gefahr sind sehr viele Einsender nicht entgangen. Selbst in solchen Antworten, in denen sich der -Verfasser glücklich noch zu seinem Verhältnis zum Buch hindurchrettet, geht es -doch ohne eine theoretische Ein leitung nicht ab. Sicher hängt dies mit der -schlimmsten Krank heit unserer Zeit zusammen, überall Probleme zu -suchen, wo gar keine sind, öder Probleme lösen zu wollen, deren Durchdringung -und Lösung für den Durchschnittsmenschen viel zu schwierig sind. Für -die Unklarheit im Erfassen -des Wesentlichen eines -Gegen standes, für die Unklarheit im Denken überhaupt stellen diese Schreiben oft einen erschreckenden Beweis dar. Eine klare, frische Darstellung, -der unverfälschte, wahrheitsgemäße, persönliche Bericht über ein wirkliches -Erlebnis mit einem -Buch können die einzige Antwort auf die Frage sein. Die meisten Menschen sehen auch hier den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es ist vielleicht die größte Auf gabe der B-olkserzieher, den noch unreifen Leser mit der richtigen Lektüre zu versehen und immer wieder zu -betonen: lest nicht Spengler oder Dostojewsky, wenn ihr -ihn noch nicht versteht. Neben -den vielen völlig untauglichen Arbeiten liegt aber auch wieder so viel vollwertiges Material vor, daß die Entschei dung -für die Preisrichter nicht leicht war. Gar mancher, -der sich über -sein Innerstes vielleicht keinem Mitmenschen gegenüber ausspricht, tut es hier. Immer wieder wird erzählt, wie das rechte Buch -gerade -in einer SchicksalAag-e sich einstcllt, in der selbst die Menschen nicht -helfen können. In Zeiten großer und schwerwiegender Schicksale, wie etwa -im Kriege, findet der Mensch deshalb auch besonders oft -den Weg zu einem Buch, das für ihn lebenswichtig wird. So erzählt ein Offizier, wie Rilkes »Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke» richtunggebend für sein ganzes Leben wurde. Der Cornet ist ihm -Verkörperung des »absoluten Soldatentums», das im Weltkrieg unter der Ver änderung der -Verhältnisse -fast völlig -verschwunden war: »jene Freiheit schlechthin, die Unabhängigkeit von Haus und Hof, von Heim und Familie, -ja -selbst von Volk und Nation», Der Cornet wird ihm Vorbild und -bewahrt ihn davor, der allgemeinen Er starrung a-nhcimzusallen. Die Berichte, -wie ein Buch Begleiter -den ganzen Krieg hindurch war, wiederholen -sich immer wieder. In solchen Zeiten ist d-ic Erle-bnisfähi-gkeit -des Menschen unend lich gesteigert und bereiter denn sonst, starke neue Eindrücke in sich auszimehmen.
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