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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1926
- Strukturtyp
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- 1926-06-16
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1926
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- Deutsch
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Xr 137, I«, Juni 1S2S. Mitteilungen ans dem Antiquariat, Wenn aber dieses Ziel ans diesem Wege noch nicht sollte er reicht werden können, so müßte bei der fälligen großen Zolltarif- revision eine Regelung angestrebt wxrden, die Bücherlataloge wie der schweizer Tarif ausdrücklich zollfrei erklärt. Der Börsenverein hat bereits vor etwa zwei Jahren dem Reichsfinanzministerium und auch dem Reichswirtschaftsministerium den Wunsch vorge tragen, buchhändlerische Prospekte zollfrei zu belassen, mit der Be gründung, daß zur Förderung des Austausches geistiger Erzeug nisse von Land zu Land der ungehinderte Versand von Katalogen, Prospekten, Werbeschriften notwendig sei. Die Bestrebungen des Börsenvereins waren aber bisher erfolglos. Wenn auch eine völlige Befreiung aller Kataloge von Zoll vielleicht nicht zu er reichen sein wird infolge eines nicht unberechtigten Widerstandes der Buchdrucker, die andernfalls wohl die Vergebung von Katalog herstellungsaufträgen ins Ausland befürchten, so muß eben wenigstens ein Unterschied gemacht werden zwischen dem Import fremder Kataloge, die für Auslandsfirmen im Ausland hergcstellt und lediglich zu vermittelnden Werbezwecken eingeführt werden, und dem Import solcher Kataloge, die für Jnlandsfirmcn im Aus land hergestellt werden. Die Unterscheidung kann nicht schwer fallen, da jeder Katalog die Adresse der'anzeigenden Firma trägt. Während die letzteren mit Zoll belegt werden können, müssen die crsteren zollfrei bleiben, schon um der im Interesse auch des deut schen Handels liegenden Gegenseitigkeit willen. Eine solche Lösung würde auch den Buchhandel von einer Unklarheit und Beun ruhigung befreien, die als überaus lästig empfunden wird. Nodier als Bibliophile. Von Alexander Dumas, Der sranzösifche Romantiker Charles Nobler lI783- 1844», der Oberbibliothekar der Arfenal- bibliothek in Paris war, ist auch heute noch den Literatursreunden wegen seiner phantasievollen Erzählungen bekannt, aber nicht minder den Biblio philen, da die prachtvoll gebundenen Bücher aus seiner Bibliothek zu den gesuchten Seltenheiten gehören, über seine Biicherleibenschast hat Alexan der Dumas, der, obschon jünger, mit ihm befreun det war, eine reizende Plauderei geschrieben, die hier meines Wissens zum ersten Mal ins Deutsche übertragen wird, Tony Kellen. Nodier war ein Mann ohne Laster, aber voll von Fehlern, von jenen Fehlern, die die Originalität eines genialen, freigebigen, sorglosen Menschen bilden. Sein größter Fehler — wenigstens in den Augen seiner Frau — war seine Bibliomanie. Dieser Fehler, der Nodiers Glück ausmachte, brachte seine Frau mehrmals zur Verzweiflung, Alles Geld, das Nodier verdiente, ging nämlich in Büchern drauf. Wie oft ging er aus, um zwei- oder dreihundert Franken auszutreiben, die dringend für den Haushalt benötigt wurden, und dann kam er mit einem seltenen Buche oder gar einem Uni kum wieder! Das Geld -war bei den Buchhändlern Techener oder Guillemot geblieben. Wenn seine Frau sich dann ärgern wollte, zog er den Band aus der Tasche, öffnete, schloß ihn, streichelte ihn mit der Hand oder zeigte feiner Frau einen Druckfehler als Beweis für die Echtheit, und dabei sagte er: »Bedenke doch, meine Liebste, daß ich dreihundert Franken wiederfindcn kann, aber nie mehr ein solches Buch, Frage nur Pixöröcourt!» Pixerscourt, der dramatische Dichter der Boulevardcheater, war der Abgott Nodiers, der fein ganzes Leben lang für das Melo drama schwärmte. Er kam fast jeden Morgen zu Nodier. Der Vormittag war überhaupt bei Nodier für die Biblio philen bestimmt. Da fanden sich ein: der Marquis de -Ganah, der Marquis de EHLt-eau-Gir-on, der Marquis de Chalabre, der Gras de Labödoyöre, Görar-d, der Elzevirsammler, der Bibliophile Jacob, der gelehrte Weiß aus Bsscnwon, der Universalgeist Pei-gnot aus Dijon und endlich die ausländischen Gelehrten, die alsbald nach ihrer Ankunft in Paris sich in jener in ganz Europa be kannten -literarischen Gesellschaft einführen ließen oder -sich selbst dort vvrstellten. Nodier war das Orakel dieses Kreises, Man zeigte ihm Bücher und verlangte von ihm Aufklärungen, -die er stets gerne gab. Nur die Gelehrten des Instituts mieden diese Gesellschaft, weil sie neidisch daraus waren. Bei Nodier war die Gelehrsamkeit mit dem Geist und -der Poesie vereint, und das ist ein Unrecht, das die Akademie der Wissenschaften ebensowenig verzeiht wie die französische Akademie, -Und dann -war Nodier auch manchmal ein boshafter Spötter. Als er seinen »koi cte lioüews et sss-sept cüätsaux« veröffentlicht hatte, dachte man, er habe sich für immer mit dem Institut Überwürfen, aber das -war -durchaus nicht der Fall: die Akademie von Tombuktu brachte Nodier in die, franzö sische Akademie, Unter Kollegen ist man -sich einige Rücksicht schuldig. Hatte Nodier zwei oder -drei -Stunden gearbeitet und -mit flotter Feder zehn oder zwölf Seiten feines -sechs Zoll hohen und vier Zoll breiten Papiers -beschrieben, und zwar mit regelmäßiger gut lesbarer Schrift ohne Korrekturen, -so ging er aus. In den Straßen von Paris wanderte er ziellos umher, aber nieist folgte er dem rechten oder linken Seine-Ufer, -wo die Anti quare aus den -Steinbrüstüngen ihre Bücherkasten ausgestellt haben. Von dort -ging, er in -die Läden der Buchhändler und von diesen -in -die Werkstätten der Buchbinder, Nodier verstand -sich nämlich nicht nur auf den Inhalt der Bücher, -sondern auch auf die Einbände,, Die Meisterwerke, die Le Gascon unter Ludwig XIII,, Dusseuil unter Ludwig XIV,, Pade- löup unter Ludwig XV, und Derome unter Ludwig XV, und Lud wig XVI, geschaffen hatten, waren ihm so vertraut, daß er sie mit geschlossenen Augen, allein durch Befühlen, unterscheiden konnte, Nodier war es, -der die Buchbinderei, -die unter -der Revolution und dem Kaiserreich aufgehört -hatte eine Kunst zu -sein, wieder aufle-ben ließ; er ermutigte und leitete die Wicdcrhersteller dieser Kunst: Thouvenin, Brodel, Nic-dröe, Bozonnet und Legrand, Als Thouvcnin an einem Brustleiden -schon auf den Tod darnieder lag, hob er -sich u-och von feinem Bette auf, um einen letzten Blick auf die -Einbände zu -werfen, die er für Nodier angefer-tigt hatte, Nödiers Spaziergang endete fast immer bei dem Buchhändler Crozet oder Techener, diesen beiden durch die Konkurrenz getrenn ten Schwägern, zwischen denen sein abgeklärter Geist vermittelnd wirkte. In jenen Buchhandlungen kamen Bibliophilen zusammen. Dort sprach man von Büchern, Ausgaben und Auktionen und machte auch -wohl Tauschgeschäfte, Sobald aber Nodier erschien, richteten sich alle Blicke auf ihn, und -sobald er anfing zu reden, herrschte allgemeines Schweigen, Nodier verstand es, über alles Hörer durch seine Paradoxe in Erstaunen zu versetzen, Aben-dZ, wenn er im Kreise -seiner Familie gespeist -hatte, ar beitete er -gewöhnlich noch im Speisezimmer zwischen» drei in Dreieckform aufgestellten Kerzen, und zwar schrieb er immer noch mit Gäuscssdern, denn von Stahlfedern, Gas und all den neuen Erfindungen wollte er nichts wissen. Um 9V- Uhr ging er noch mals aus, diesmal aber nicht die Seine entlang, sondern über die Boulevards, am -liebsten in das Theater der Funambu-les, Jeden Sonntag frühstückte er -bei Pixsrscourt, Hier fand er seine Besucher wieder: den Bibliophilen Jacob, König, -solange Nodier nicht da war, dann nur mehr Vizelönjg, ferner den Mar quis de Gamig und den Marquis -de Chalabre, Der Marquis d e G anay war ein wandelbarer Geist, ein launenhafter Liebhaber, der sich in ein Buch verliebte wie ein Rouö aus der Zeit der Regentschaft in eine schöne Frau, bloß um es zu -besitzen; dann, wenn er es hatte, war er ihm nicht bloß einen Monat lang treu, sondern er war -so begeistert -dafür, daß er es stets -bei -sich trug und seine Freunde auf der Straße anhiolt, um es ihnen zu zeigen, und des -Abends legte er es unter -sein Kopf kissen, und -wenn er nachts erwachte, zündete er eine Kerze an, nicht etwa -um darin zu lesen, -sondern um es zu betrachten. Er war immer eifersüchtig auf die Bücher, die Pixeröcourt -hatte, und dieser trat -ihm keines davon ab, mochte er ihm auch noch so -hohe Preise dafür bieten. Der Marquis rächte sich dafür, indem er -bei der Versteigerung -der Sammlung der Madame de Castcllane ein Autograph, auf -das Pixörscourt -schon seit zehn Jahren spekulierte, diesem -wegschnappte.
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