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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1926
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- 1926-06-16
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- 16.06.1926
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x° 137, 18, Juni 1926, Mitteilungen aus dem Antiquariat. »Macht nichts!» sagte Pixöröcourt wütend, »ich krieg' es doch noch!» »Was kriegen Sie noch?« fragte der Marquis de Ganay, »Ihr Autograph!» »Wann denn?» »Na, nach Ihrem Tode!» Und Pixsräcourt hätte wahrhaftig fein Wort gehalten, wenn der Marquis de Ganay ihm nicht den Streich gespielt hätte, länger am Leben zu bleiben als er. Was den Marquis de Chalabre betrifft, so hatte er nur einen Ehrgeiz: eine Bibel zu besitzen, die außer <hm k e i n e r h ä t t e, Sein ganzes Sinnen war darauf gerichtet. Er quälte Rodler 'so sehr, ihm ein Unikum anzugeben, das; dieser ihm sogar ein Exemplar angab, das überhaupt nicht existierte. Der Marquis de Ehalabre fing nun an, Nachforschungen nach dieser Bibel anzustcllcn. Nie hat Christoph Columbus auf der Fahrt nach Amerika sich eifriger nach den fernen Ländern gesehnt, nie hat Vasco da Gama ausdauernder nach Indien gesucht als der Marquis de Ehalabre nach seiner Bibel, Aber Amerika lag wirklich zwischen dem 70," nördlicher Breite und dem 53," und 54," südlicher Breite, und Indien lag tatsächlich diesseits und jenseits des Ganges, während die Bibel des Marquis de Chalabre unter keiner Breite zu finden war, weder diesseits noch jenseits der Seine, So kam es, daß Christoph Columbus zwar Amerika ent deckte und Vasco da Gama Indien wiederfand, aber der Marquis weder im Norden noch im Süden, weder im Osten noch im Westen seine Bibel entdeckte. Aber je mehr die Bibel unauffindbar war, desto hartnäckiger erwies sich der Marquis, Anfänglich hatte er 500 und 1000 Fran ken dafür geboten; dann bot er 2000, 5000 und 10 000 Frauken, Alle Bibliographen bemühten sich, diese Bibel ausfindig zu machen. Man schrieb nach Deutschland und nach England, aber alles um sonst, Wenn es sich bloß um eine Anfrage des Marquis de Cha- labrc gehandelt hätte, so hätte man sich nicht viel Mühe gcniacht und einfach geantwortet: »Gibt's nicht». Aber wo es sich um eine Angabe Nodiers handelte, war die Sachlage eine ganz andere. Wenn Nodier sagte: »Es gibt eine solche Bibel», so mußte es eine solche geben. Der Papst konnte sich irren, aber Nodier war un fehlbar. So dauerten die Nachforschungen drei Fahre, Jeden Sonn tag sagte der Marquis de Chalabre, wenn er mit Nodier bei Pixsrocourt frühstückte: »Nun, mein lieber Charles, die Bibel, . ,», »Was ist mit der Bibel?» »Sie ist nicht zu finden», »tzuoers ot invsoie«» (Suche und du wirst finden), antwortete Nodier, Immer wieder fing der Bibliomane neue Nachforschungen an, bis ein Antiquar ihm eines Tages eine Bibel brachte. Sie entsprach zwar nicht genau den Angaben Nodiers, aber in der Erscheinungszeit war nur ein Jahr Unterschied, und sie war auch nicht in Kehl gedruckt, sondern in Straßburg, aber dieses liegt ja nur eine Meile davon. Es war auch kein Unikum, denn es war noch ein zweites Exemplar bekannt, aber dieses befand sich im Libanon in einem Drusenkloster, Der Marquis de Chalabre ging mit der Bibel zu Nodier, um ihn über seine Meinung zu befragen, Nodier sah wohl, daß der Marquis verrückt würde, wenn er nicht bald seine Bibel bekäme. Deshalb sagte er zu ihm: »Mein lieber Freund, nehmen Sie nur diese Bibel, da man die andere nicht finden kann». So kaufte denn der Marquis die Bibel für 2000 Franken, ließ sie kostbar einbinden und in eine eigene Kassette legen. Später vermachte der Marquis seine Bibliothek Fräulein Mars, der berühmten Schauspielerin, Nach seinem Tode bat Fräulein Mars, die gar keine Leidenschaft für Bücher hatte, den Juristen Merlin, die Bibliothek klassifizieren und versteigern zu lassen. Und nun erlebte sie noch eine seltsame Überraschung, Als Mlerlin nämlich die Bibel, die fast ein Unikum war, näher unter suchte, fand er in dem prachtvollen Einband eine Art Portefeuille, das etwa 40 000 Franken in Banknoten enthielt, und Merlin, der ehrlichste Mensch der Welt, beeilte sich, Fräulein Mars das Geld zu überbringen. Eines Tages fragte ich Nodier: »Weshalb haben Sie sich eigentlich diesen Scherz mit dem armen Marquis de Chalabre erlaubt? Das ist doch sonst Ihre Art nicht», »Weil er sich ruinierte, mein Freund, In den drei Jahren, wo er nach der Bibel 'suchte, hat er an nichts anderes gedacht, und zuletzt hat er 2000 Franken dafür bezahlt. Hätte ich ihn nicht auf die Fährte gÄockt, so hätte er in den drei Jahren 50 000 Fran ken verschwendet». ^ curriosz. »Es erben sich Gesetz und Rechte Wie eine ew'ge Krankheit fort». Das Durchlesen von Antiquariatskatalogen hat seine Eigenen Reize, und von besonderer Würze sind häufig die kritischest An merkungen, die selten eigenes Gewächs, sondern zumeist von frühe ren Vorbildern abgeschrieben sind. Hat sich ein solches Vorbild einmal eingenistet, dann ist es kaum mehr auszurotten, auch wenn die Tatsachen das Gegenteil beweisen, und an einigen Beispielen möchte ich 'zeigen, wie gedankenlos oft verfahren wird. Gewiß, der Antiquar soll und darf sich nicht darauf beschränken, das alte Buch lediglich als Ware zu betrachten. Er muß, faßt er seinen Beruf richtig auf, versuchen, und sei es auch nur ein klein wenig, in den Inhalt cinzudringen. Geschieht dies, dann wird man oft genug Entdeckungen machen, die nicht nur von aus schlaggebender Bedeutung für die Preisbestimmung, sondern auch sehr förderlich für den Verkauf sind. Jedoch muß er sich hüten, ohne zu prüfen abzuschreiben und mitzuhelfen, Seltenheitswerte zu schaffen, die bei näherer Betrachtung Schall und Rauch sind. Als Muster eines gut illustrierten Buches des 19, Jahrhun derts ist die mit den Holzschnitten von Adolf Menzel gezierte Kuglerschc Geschichte Friedrichs des Großen zu betrachten. Wie hier die kleine Exzellenz mit ihrer großen Kunst sich in den Rah men des Buches einfügt, sodaß Druck und Illustration ein harmonisches Ganzes bilden, das ist kaum zu übertreffen, und viele neuzeitliche Buchillustratoren könnten an diesem Vorbilds lernen. Dies hindert jedoch nicht, daß der Kugler-Menzel In der gesuchten Erstausgabe (Leipzig 1840) ein recht häufiges Buch ist, wenn auch in den Antiquariatskatalogen vielfach die Seltenheit hervorgehoben wird. Außerdem heißt es aber stets »Mit den meist fehlenden, später unterdrückten zwei Holzschnitten auf S, 44 und 45», die Bilder aus dem Aufenthalt Friedrichs bei August dem Starken in Dresden wiedergeben, Dutzende Exemplare sind schon durch meine Hände gegangen, und alle hatten sie die beiden »meist fehlenden Holzschnitte», aber noch kein einziges habe ich besessen, in dem sie nicht enthalten waren, wenn ich auch zwei Exem plare in Händen hatte, die sie nicht enthielten, und zwar das eine bei einem mir befreundeten Sammler in Stuttgart, das andere, das mir einmal bei Martin Breslauer in Berlin vor der Nase weggekauft wurde. Es kann demnach mit Fug und Recht be hauptet werden, daß der Kugler-Menzel von 1840 ohne die fraglichen Holzschnitte viel seltener ist als mit diesen. Ganz ähnlich liegt der Fall mit der Erstausgabe der Gedichte von Friedrich Schlegel (Berlin 1809), bei denen in der Regel ge sagt wird »Die Berliner Zensur ließ das letzte Blatt Seiten 387 bis 388 mit dem Gedicht Gelübde ausschneiden. Nur wenige voll ständige Exemplare waren schon in Leipzig ausgegeben worden, daher sind solche mit den Seiten 387—88 selten». Abgesehen da von, daß diese Gedichte gar keinen besonderen Preis haben, habe ich noch nie ein Exemplar ohne das letzte Blatt in Händen gehabt, und ich war oft genug versucht, das »zensurierte« Blatt wegzu schneiden, um auf diese Weise eine Seltenheit zu schaffen. Ein ganz entzückendes Buch ist Brentanos Gockel, Hinkel, Gakeleia mit den 14 Strixnerschen Lithographien (Frankfurt 1838), In den Katalogen ist meist zu lesen »Eines der seltensten und gesuchtesten Bücher der Romantik», Gesucht ja, selten nein, denn ein halbes hundert Exemplare habe ich davon mindestens 31
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