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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.07.1883
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1883-07-23
- Erscheinungsdatum
- 23.07.1883
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Theil Die Leihbibliotheken und die Autorenrechte.*) Als im Vorjahre auf dem deutschen Schriftstellertage Ernst Wichert die Leihbibliothekenfrage berührte und darauf hinwies, in wie hohem Grade diese Institute dem Buchhandel schädlich sind und infolge dessen das Einkommen der Autoren schmälern, da fand er seltsamer Weise nicht im entferntesten die Zustimmung der Ver sammlung, und heftiger Widerspruch erhob sich vollends, als er Vorschläge machte, welche dahin abzielten, dieser materiellen Schädigung des Buchhandels und der Autoren wenigstens theilweise zu steuern. Das aber erscheint uns um so unbegreiflicher, als die Klage, wie karg selbst das bemittelte deutsche Publicum in seinen Ausgaben für Bücher ist, schon so häufig in den Journalen ventilirt wurde, und der Hinweis auf unsere Nachbarn, die Franzosen, und die Einkünfte ihrer Schriftsteller allein genügt, um klarzulegen, wie berechtigt diese Klage ist. Meines Erachtens wurde übrigens die Frage damals ganz ungebührlich seicht behandelt, und was doch zuerst erörtert werden sollte, der Rechtsstandpunkt ganz außer Acht gelassen. Und doch kann in dieser Angelegenheit überhaupt kein Wort gesprochen werden, ehe nicht die Frage beantwortet würde, ob das Bücherverleihen als Geschäft gesetzlich geschütztoder aber nur geduldet ist, so lange Niemand dagegen Einspruch erhebt. Ich halte dafür, daß nur letzteres der Fall und daß durch das Bücher verleihgeschäft die Frage des geistigen Eigenthums ganz wesentlich berührt wird. Ein Buch kann unmöglich einer anderen beliebigen Waare gleichgestellt werden, sobald es in den Leihbibliothekvertricb kommt. Jeder anderen Waare gleich ist es nur, so lange es ver kauft wird, denn insolange ist es die Waare selbst, das Exem plar, das „Stück", welches in den fremden Besitz übergeht. Der Sortimentsbuchhändler bezieht dieses Exemplar zkt einem fixirten Preis vom Verleger und darf es auch nur wieder gegen einen vom Verleger normirten Preis weiter verkaufen. Die Preis differenz ist sein Gewinn. Ganz anders verhält es sich mit dem Geschäft, das der Leih bibliothekenbesitzer macht. Er handelt nicht mit dem Buche, mit dem einzelnen Exemplar, er handelt mit dem Inhalte desselben, mit der Geistesarbeit des Autors; er setzt sich in den Besitz eines Exemplares und „verleiht" dasselbe nun an hundert, tausend, hunderttausend Leser gegen ein billiges Entgelt; jeder Leser nimmt den Inhalt des Buches in sich auf und bezahlt für diesen Inhalt — nicht für das Exemplar, welches er ja wieder zurück stellen muß. Und je besser das Buch, je mehr ist es verlangt, je größer ist das Erträgniß, welches der Bücherverleiher daraus zieht, ohne auch nur daran zu denken, daß der natürliche Theilhaber des Gewinnes der Autor des Buches ist, ohne daran zu denken, daß er aus einer Sache Gewinn zieht, welche gar nicht sein Eigenthum ist, welche er gar nicht in seinen Besitz gebracht hat. Doch das ginge immer noch an, wenn nur nicht der Gewinn, den erwiderrechtlich aus der Geistesarbeit des Schriftstellers zieht, einen effectiven Verlust für den Autor und seinen Verleger be deuten würde und im Gefolge hätte. Tatsächlich ist ja doch der Verleger Derjenige, welcher dem Autor seine Geistesarbeit abkauft; der Verleger setzt diese Arbeit in Waare um, indem er das „Buch" macht, und von dem Absatz des Buches hängt in erster Linie sein, in zweiter Linie ein weiterer Gewinn des Autors ab. Indem nun aber der Leihbibliothekbesitzer den Inhalt des Buches an so und so viele Menschen verkauft, von denen mindestens jeder zehnte ohne diesen Zwischenhändler das Buch selbst kaufen würde, schmälert er ganz widerrechtlich den Gewinn des Verlegers und des Autors, indem er den Ankauf des Buches auch solchen Lesern „erspart", welche die Mittel hierzu besitzen und ohne diesen Zwischenhändler unter hundert Fällen achtzigmal das Buch selbst in ihren Besitz bringen würden. Obgleich nun aber das alles sonnenklar ist, so besteht das Leihbibliotheken-Geschäft heute noch zu Recht, und zwar fußt es auf der Annahme, welche ziemlich allgemein verbreitet ist, daß der Ankauf eines Buches zu jeder beliebigen Verwendung, — also auch zur geschäftlichen Ausnützung desselben, was seinen Inhalt betrifft, ermächtigt. Diese Anschauung aber ist uns so ins Blut übergegangen, daß ich trotz der einleitenden Klarstellung des Rechts standpunktes in dieser Sache es dennoch für nöthig erachte, einen adäquaten Fall anzuführen, um die Richtigkeit meiner Ausführungen außerZweifel zusetzen.SowieheutzutagenochdiewiderrechtlicheAus- nützung der Geistesarbeit durch den Bücherverleiher als zu Recht bestehend erkannt wird, so war es bis vor etwa dreißig Jahren mit der widerrechtlichen Ausnützung der Geistesarbeit durch den Theaterdirector der Fall. Es hing mehr oder minder von dem guten Willen eines Theaterdirectors oder Intendanten ab, ob er dem dramatischen Dichter für die Aufführung seines Werkes auf der Bühne etwas zahlte oder nicht. Der Ankauf eines Exemplares des betreffenden Stückes war in tausend und abertausend Fällen die einzige pecuniäre Leistung des Theaters gegen den Autor des Stückes. Der Ankauf des Exemplares ermöglichte dem Director die Ausnützung seines Inhaltes auf der Bühne, — und damit war auch schon die Berechtigung dieser Ausnützung gegeben, ganz ebenso wie für den Leihbibliotheken-Besitzer heute der Ankauf eines Exemplares die Berechtigung der Ausnützung seines Inhaltes durch das Verleihen in sich schließt. Und es währte lange, ehe man die Widerrechtlichkeit dieses Vorganges begriff und ihr durch das Gesetz entgegenarbeitete. Daß man endlich darauf kam, hatte aber seinen Grund hauptsächlich in der Augenfälligkeit des großen mate riellen Vortheiles, welchen die Aufführung eines Stückes dem Theater bringt. Man sah das bis zur Decke gefüllte Haus, man erfuhr, daß dieses oder jenes Stück dem Director allabendlich so und so große Summen bringt, und daneben sah man den Dichter, dessen Werk dies ermöglicht und zu Wege gebracht hatte, — darben. Und die Augenfälligkeit dieses Kontrastes regte zum Nachdenken an, sie ergab in letzter Linie das Resultat, daß der Dichter gesetz lichen Anspruch habe an den Gewinn, welchen die Darstellung seines Werkes einbringt. Und dieser Erkenntniß verdanken die dramatischen Autoren heute das reiche Erträgniß ihrer Werke, ihren verhältnißmäßigen Wohlstand, im Vergleiche zu welchem die Einnahmen selbst der renommirten Romanschriftsteller karg genannt werden müssen. Doch das findet man bei uns heute noch ganz natürlich, obgleich es nur eine traurige Folge der wider rechtlichen Ausnützung des geistigen Eigenthums durch die Bücher verleiher ist. Und nur weil diese Ausnützung nicht so augenfällig ist, wie die der Theaterdirectoren, nur darum schreitet man nicht dagegen ein. Sie ist aber in ganz unverhältnißmäßigem Grade nachtheiliger für den Autor, und das wird sofort klar werden, wenn ich einen scheinbar ganz exorbitanten Fall annehme, welcher aber thatsächlich gar nicht exorbitant wäre. Ich nehme an, Friedrich Spielhagen schreibe einen neuen Roman und wahre sich bei Veröffentlichung desselben ausdrücklich sein geistiges Eigenthumsrecht dahin, daß er den Leihbibliotheken für das erste Jahr nach Erscheinen des Werkes den Vertrieb desselben untersagt. Die erste Folge wird sein, daß die Leihbibliotheken besitzer gegen dieses Verbot Protestiren oder zuwiderhandeln wer den, und daß das Gericht ihnen die Befugniß absprechen *) Aus der „Frankfurter Zeitung".
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