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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.08.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-08-12
- Erscheinungsdatum
- 12.08.1930
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- Deutsch
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VorsMMMmDtlMm VnMaM Nr. 185 (N. 96). Leipzig, Dienstag den 12. August 1930. 87. Jahrgang. RÄMLomIler Teil Aus der guten alten Zeit. Von Robert Voigtländer. »Die gute alte Zeit», da noch Sitte und Einfachheit walte ten, da es noch all die Nöte und Plagen nicht gab, die die böse Gegenwart verwirren — wer dächte nicht manchmal an sie zurück! Wer hörte oder läse nicht gern von ihr, wenn auch nur zuweilen, zur Erholung! Auch wenn er Verleger oder Sortimen ter ist. Hat ihm nicht Vater Börsenverein dazu eine eigene Reihe von Erholungs- oder, wenn man will, Studienbüchern geschaffen: das »Archiv für Geschichte des deutschen Buch handels». Die Gegenwart hatte seiner beinahe vergessen. Bis zum Jahre 1899 waren 20 Bände erschienen, dann ein Menschen- altcr hindurch keiner mehr. Das Jahr 1930 endlich brachte den 21. Band (Ladenpreis M. 7.50). Und ihn soll ich im Börsen blatt »rezensieren--. Gerne. Aber — man gestatte mir es — nicht nüt dem eigentlich dazugehörigen Amtsgesicht, das mir garnicht zukommt, sondern mit einem freien Blick, der Mensch liches menschlich zu verstehen sucht, der in der »guten alten Zeit« nicht nur ihre Güte, sondern auch ihre llngllte oder unfreiwillige Komik zu sehen vermag, eingedenk und hoffend, daß kommend« Geschlechter unsere Zeit, unsere Gegenwart, ebenso zu schätzen und zu verstehen fähig fein mögen. Der Band 21 des »Archivs für Geschichte des deutschen Buch handels« enthält zwei Beiträge: 1. Zensur-undPreßauf- sicht in Leipzig 1830 —1848, von vr. Rich. Walter Franke in Leipzig; 2. Göttinger Gelehrten buchhandlungen, von vr. Wilhelm Ruprecht in G ö t t i n g e n. Beide Arbeiten sind hochwertig. Beide beruhen durchaus aus eingehendem, umfassendem urkundlichem Studium, beide sind nicht dm Wust des Stoffes erstickt, sondern stehen über ihm. Die Verfasser haben ihn gemeistert und aus ihm lesbare, oft unterhaltende Zeitbilder zu formen verstanden. Frankes Quellen-Nachweis umfaßt 4V- Seiten und darunter Gewichtig keiten wie die Akten des Ratsarchivs, der Kreishauptmannschaft und des Hauptzollamts zu Leipzig, des Ministeriums des In nern zu Dresden und noch viele andere. Ich sage das voller Respekt vor dem Fleiß und -der Ausdauer, mit der diese Allen bergs so emsig durchforscht worden sind. — Ruprecht hat das Archiv seiner Firma Vandenhoeck L Ruprecht und das der Uni versität Göttingen benutzt. Nun könnte ich mich wohl verbreiten über das, was Franke gesagt hat in seinen Hauptabschnitten: I. Sachsen und seine Beziehungen zur Preßgcfctzgebung des deutschen Bundes, n. Die sächsische Preßgcsetzgebung 1830—48 in ihren Beziehun gen zu Leipzig und Sachsens Streben nach einer Reform der Bundcspreßgesetze. III. Die Organisation der Zensur in Leipzig. IV. Die Wirksamkeit der Zensur in Leipzig 1830-—1848. Wer nein! Beim aufmerksamen Lesen dieser gewissenhaften, verständ nisvollen Abhandlungen gestaltete sich mir unwiderstehlich das Bild eines Menschen, eines von der Mit- und Nachivelt ge fürchteten, verspotteten, gehaßten, verachteten Menschen, des jenigen, von dem die Stuttgarter Schwabenmädle im Jahre 1848, vor der Revolution, sangen: »Lieber noch nähm' ich 'nen Schinderknecht, Schinderknecht, als einen Censor zum Mann! Schindet der Schinder das l-iabe Vieh, liebe Vieh, schindet der Censor den Geischt!« Da ist denn doch der Leipziger Zensor, wie wir ihn nun urkundlich vor uns haben, ein anderer, besserer Mensch gewesen. Ich will versuchen, ihn so zu schildern, wie er wirklich einmal in Leipzig gelebt, gearbeitet hat und zur Erholung »um die Prome nade«, die jetzigen Oberbürgermeister-Ringstraßen, und im Rosen tal herum gewandelt sein mag. Also: Censor Täubchen. Sinnend saß der neugebackene Univer-si-tätsprofdssor und Cen sor Täubchen in feinem Arbeitszimmer, 4 Treppen hoch, in der Reichsstraße zu Leipzig. Er war eigentlich Mathematiklehrer an der Nikolaischule, aber auch sonst vielseitiger Gelehrter und Literat, darum auch bis jetzt Privatdozent an der Universität. Die Bestellung zum Censor hielt er in der Hand. Lange hatte er cs sich überlegt, ob er solch Amt annc-hmen solle oder nicht. Dem Ministerium war cs schwer geworden, bei der allgemeinen Anti pathie gegen die Censoren einen angesehenen Mann für das verwaiste Amt zu finden. Endlich hatte er sich bereit erklärt, doch unter der Bedingung, um seine Stellung gegenüber den Schriftstellern zu heben, zum Professor ernannt zu werden. Das hatte er aber nur auf feine literarische Tätigkeit begründet -wissen wollen: °->Jch möchte NM der Würde der hohen Regierung und meiner eigenen Ehre nicht, daß schmähsüchtige Gegner das Gerücht verbreiten könnten, die Regierung habe einen Privatdozenten zum Censor gemacht, um in einem Menschen, dessen Zukunft sie noch ganz in Händen habe, ein recht gefügiges Werkzeug der Willkür zu gewinnen.« Aber nun war es ihm doch etwas -schwer zumute. Zwar war er von sich aus stets ein besonderer Feind -der »Skribenten«, der Tagcsschriftstellcr gewesen; »diesen -ganzen erbärmlichen Misch masch halte ich unmaßgeblich für unzulässig zum Druck», hatte er oft gesagt. Und dabei gehörte es förmlich zum Geschäft und zur Kunst dieser Skribenten, -die -böslichsten und härtesten Dinge so zu schreiben, daß der Censor nichts daran aussetzen könne und daß es doch viel schlimmer wirkte, als -wenn sie -ehrlich frei von der Leber weg geredet hätten. Diesen schlimmen Geist »des bösen Maules« hatte noch kein Censor aus den Zeitungen herauskratzen können, und nun -sollte Täubchen es tun. Und -was das hohe Ministerium gar von der Eens-ur erwartete, -war für einen Mathematiklehrer an -der Nikolaischule reichlich genug. Was stand -da alles in seiner Instruktion! Der oberste Grundsatz hieß: Der Masse des Volkes muß alles ferngehalten werden, was Verwirrung in den Köpfen -anrichten könnte. Sah man doch das Volk als ein unmündiges Kind an, über dessen Wohlergehen und Betragen man -sorgfältig wachen müsse. Groß war -die Be sorgnis vor dem Einfluß der kleinen Schriften, Zeitungen und Flugschriften; sie könnten Verwirrung in einfältigen Gemütern anrichten, Unzufriedenheit wecken, Unzufriedenheit fördern und Revolutionsgelüste wecken. Das Volk dürfe -sich nicht Halbbil dung aneignen, durch die cs z-mn Schlechten verführt werde. Es sei Aufgabe -der Censur, das bunte, schriftstellerische Leben zu bändigen und die geistigen Produkte nur in einer Form erscheinen zu lassen, die dem Staate zulässig erschien. Schriften, die in leidenschaftlichem Ton den Unmut gegen die Bundesverfassung anfachcn oder nähren -wollten, seien unbedingt zu verbieten. Unter den innerpolitischcn Rücksichten stand die Rücksicht auf das Königshaus obenan. Anzüglichkeiten seien rück sichtslos zu streichen, z. B. solche, wie die einmal vorgekommene: »Zu Fürsten solle man nur die besten Menschen wählen«. Strenge sei um so nötiger, als in letzter Zeit eine ziemlich große 761
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