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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.05.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-05-25
- Erscheinungsdatum
- 25.05.1912
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- Deutsch
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120, 25, M-i 1S12, Nichtamtlicher Teil, Neid, und manches wertvolle Buch hatte er damit auf den Armen getragen. Da konnten Fürstlichkeiten, wie der Graf v, Flandern oder der Duc d'Elchingen, Enkel des Warschaus Ney, kommen, Prälaten und erlauchte Herren erscheinen, das war ihm gleichgültig, er empfing jeden mit derselben Höflichkeit und in demselben Gewände, Nur für die sogenannten »Lang weiler« hatte er nichts über, die mehr schnüffeln als zahlen wollten. Dabei riß ihm sehr bald die Geduld, er verfügte sich wieder in seinen Lehnstuhl und überließ es seinen Angestellten, mit den Käufern oder Nichtkäufern fertig zu werden, »Ein netter Mann«, wenn er schließlich doch zahlte, »ein ekliger Kerl«, wenn er mit einem »guten Tag« wieder abschob. Eine schreckliche Arbeit war das Zusammenrücken, das in der stillen Sommerzeit vorgenommen wurde. Brr, der Staub! Wir fingen mit Nr, 1 an und schoben so nach und nach zirka 30 000 Bände wieder zusammen, um die eingerissenen Lücken zu ergänzen. Das war bei 20" Hitze wirklich kein Vergnügen, denn die Räume waren eng und hoch. Fiel mal ein Buch herunter, so erhob sich unten eine mächtige Staubwolke, aus der unser Chef dann heraussah wie der Herrscher im Donner gewölk Zeus, Er schalt dann Wohl, aber mehr wegen seiner Bücher als wegen der Wolke, denn an dergleichen ist ja der Antiquar gewöhnt, wie denn geschrieben steht: Staub sollst du fressen, wie meine Muhme die Schlange, Es war ein glückliches Familienleben im Hause Völcker; Vater, Mutter und Sohn hingen mit großer Liebe aneinander. Kam mal Streit vor, so war Theodor sehr bald bereit, - diesen beizulegen. Er eilte in das nächste Zigarrengeschäft und kaufte seinem Filius eine Kiste Zigar ren (Zishgarrn) und brachte durch solch Rauchopser alles wieder ins Gleiche, Niemals hat es unter diesen gut herzigen Menschen eine häßliche Szene gegeben; Frau Völcker wußte mit ihrem »Hammelche« und ihrem Schorsch immer gut auszukommen. Im Spätsommer 1885 war in Homburg v, d, H, Kaiser manöver, und der vornehme Badeort sah dort eine Menge Fürstlichkeiten, die sich um den alten Kaiser Wilhelm versam melten. Infolgedessen pilgerte alles, was Beine hatte, nach dem Taunus, um den ehrwürdigen Herrscher mit seinen Pala dinen mal zu sehen. Auch Theodor Völcker zog es dahin, und als billig denkender Mann ging er zu Fuß, um das Fahrgeld zu sparen. Seine goldene Uhr ließ er zu Hause und nahm dafür eine alte silberne mit. Er bekam von den hohen Herr schaften nicht allzuviel zu sehen, denn das Gedränge war zu groß. Man nahm keine Rücksichten auf ihn. Das Volk staute sich, mit Hurra fuhren Hunderte von Armen in die Luft, an denen sich Theodor Völcker satt sehen mochte. Sehr herumge- stoßcn und indigniert über das rücksichtslose Betragen von »dene Leut«, suchte der würdige Antiquarius schließlich ein Restaurant auf, um seinen inneren Menschen wenigstens wieder in Ordnung zu bringen, und ließ sich sein Beefsteak gut schmecken. Als er aber bezahlen wollte, merkte er, daß ihm Taschendiebe im Gedränge die Börse mit 60 gestohlen hatten. Er griff nach der Uhr, die alte silberne Glocke war da, aber die goldene Kette hatten ihm die Halunken abgekniffen. Nun saß er da. Anstatt sich zu legitimieren, ritz er aus, ließ seinen Hut im Stich und wanderte barhaupt nach Frankfurt zurück. Ob der Kellner noch nachträglich sein Geld erhalten hat, kann ich nicht sagen. Der Alte behauptete, er wisse nicht mehr, wie die Wirtschaft geheißen hätte. Wegen dieses Schwabenstreiches wurde »das Vatterche« in der Familie sehr geneckt. Für das Personal war dieser Vorfall eine Quelle großen Ver gnügens, Die Firma Völcker Pflegte damals einen Geschäftszweig, der meines Wissens zuerst von derElwertschenBuchhandlung in Marburg in Betrieb genommen worden war, denHandel mit alten Städtebildern, Wir erwarben zu meiner Zeit eine Sammlung, wie sie später in größerem Umfange nur noch einmal vom Anti quarium F, A, Brockhaus gebracht wurde. Das Katalogisieren dieser alten Ansichten hatte sehr viel Belehrendes und hat mich veranlaßt, als ich selbständig wurde, auch diesem Zweige des Antiquariats meine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es ist mir nur leider nie gelungen, derartige größere Samm lungen anzukaufen. Man sing in den Sammlerkreisen an, sich zu spezialisieren, und so kam man denn ganz von selbst in das Provinzielle hinein, woraus denn sehr bald das Spezial geschäft für Brunsvicensien erwuchs. Wie billig waren doch damals die Blätter! über 10 ,/k kam selten ein Stich, — und heute?! — Schmerzlich war es, wenn solche interessanten Arbeiten durch grobe Handlangertätigkeit unterbrochen werden mutzten, als da sind Pakete packen und borridils-ckicta nach der Post zu schleppen, wenn Jean zu viel fortbringen mußte. Auch an das Ballenpacken mutzte man mit heran, und je größer solch Un getüm war, desto größer die Freude vom alten Faktotum, denn dann mußten die Stifte jedesmal mithelfen, wobei es an allerlei Hansbunkenstreichen nicht fehlte. Je mehr der Jean geuzt wurde, desto größer war die Freude der alten guten Seele. So ging die Zeit hin. Zwei Lehrjahre waren verstrichen, und nun sollte es Taschengeld geben, aber das kostete erst einen kleinen Streik meinerseits, bis sich Theodor Völcker dazu herbei ließ. Nicht als ob er etwas an mir auszusetzen hatte, o nein, aber in Geldsachen war der sonst herzensgute Mann etwas bedachtsam. Erst als er seine eingegangene Verpflich tung vor Augen hatte, bequemte er sich zur Zahlung, Georg tälius war die Angelegenheit peinlich, nachher wuchs Gras darüber; ich hab's meinem Chef nie nachgetragen. Im Herbst des letzten Jahres kam Trauer ins Haus, Der alte Herr hatte sich etwas unpäßlich gefühlt und sich hingelegt. Seine treue Gattin saß neben ihm, um ihm Gesellschaft zu leisten, wobei sie seine Hand fest umschlungen hielt. Er schien zu schlummern. Da merkte sie plötzlich, daß die Hand ihres Mannes kalt wurde. Sie beugte sich über ihn und sah, daß neben ihr ein Toter lag. Ein schönes Sterben! Ohne Schmerz und Todesqual war Theodor Völcker abgerufen, ein leichter Herzschlag endete sein Leben, Dadurch kam das Regime in die Hände des Sohnes, mit dem ich zwei Jahre bereits Pult an Pult gearbeitet hatte und der mir immer freundschaftlich gesinnt gewesen war. Ein halbes Jahr waren wir noch beisammen und kauften in dieser Zeit die sehr schöne Bibliothek des Fürsten von Jsenburg- Birstein, Sie kam am Weihnachtsabend 1885 an, und ich ver brachte diesen Abend damit, — wegen der Trauer war keine Christfeier in größerem Stil — die Kisten zu öffnen und die Herrlichkeiten auszupacken. Viele Kostbarkeiten waren darunter, Bücher in schönen alten Lederbänden, Kuriositäten mancher Art, von denen mir ein Stück besonders in Erinnerung ge blieben ist: Weiland, die Rheinbundstruppen, Völcker ver kaufte es nach kurzer Zeit für 600 Jetzt wird es mit 2000 ^ wohl mindestens bezahlt, Anfang März 1886 ging es heimwärts. Mit Trauer nahm ich von meinem kleinen Stübchen Abschied, in dem ich so manche Abendstunde hinter meinen Büchern vergraben gesessen hatte. Sie waren alle freundlich und herzlich zu mir, die »Gnädige«, der Schorsch und der treue »Tschang«, als ich Lebewohl sagte, und ein gutes Lehrzeugnis hatte ich in der Tasche, »Es, es, es und es, es ist ein harter Schluß, weil, weil, weil und weil, weil ich aus Frankfurt muß«, hatten wir in der Abschiedskneipe der »Novi tät »Verein jüngerer Buchhändler«, gesungen; der harte Schluß war da, und ich dampfte in die Ferne, um mein Glück weiter zu versuchen, Georg Völcker hat mich später einige Male in Braunschweig besucht, und ich habe diese Besuche im Frühling 1909 erwidert, Gut, daß ich es nicht weiter aufschob, ein halbes Jahr darauf wurde der rüstige Mann nach kurzer Krankheit den Seinen entrissen, Rogniescat in xace! 8«s»
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