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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1920
- Strukturtyp
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- 1920-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1920
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- Deutsch
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94, 3. Mai 1920. Redaktioneller Teil. »örsenölatt s. d. Dlschn. »uchh-ndrt. diese buch seinerzeit unbeanstandet die russische Zensur passiert hätten, antwortete mir dieser Gewaltmensch wiederum nur mit einem: »Schweigen Siel«, und die Arbeit nahm ihren ungestörten Fortgang. Jeder von der Bande hatte sich über eine besondere Abteilung meines Lagers hcrgemacht, und in allen Räumen wurde gleichzeitig gewühlt, sodaß niemand vom Personal zu überwachen vermochte, was dabei in die Taschen verschwand. Nicht einmal mein Tresor im Kassenschrank wurde übersehen, sondern ich mußte öffnen und den Inhalt zeigen. Nur meine Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit retteten mich damals vor »Sibirien«, denn gerade am Tage vorher sand ich zufällig aus meinem Lager eine Karte von Rußland aus der Zeit der lettischen Revolution, auf der die Verbreitung der Deutschen in Rußland in Farben dargestellt war. Diese Karte lag zwischen noch nicht durch gesehenen Katalogen auf meinem Schreibtisch, und da ich, wie alle meine Angestellten, während der ganzen Zeit beobachtet wurde, so war es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, daß es mir gelang, diese Karte unter die schon durchgesehenen Bücher zu schieben; wäre ich hierbei ertappt worden, so wäre mein Schicksal besiegelt gewesen! Alle in Deutschland hergestellten Postkarten mit der Aufschrift »Dor pat« wurden einfach zerrissen, und auf meinen schüchternen Einwand, daß ja auch diese seinerzeit ordnungsgemäß die Zensur passiert hätten, wurde mir zugeschrien: »Ich werde Ihnen schon zeigen, was ,Dorpat heißt!« (Bekanntlich wurde schon vor Jahrzehnten dieser alte deutsche Name unserer Stadt durch »Jurjev« ersetzt!) Als ich mich am Tage darauf beim Chef der Gendarmerie melden mußte, cnipfing mich dieser Herr nach stundenlangem Warten auf der Anklagebank zwar etwas weniger roh, doch sagte er mir hinsichtlich der beschlagnahmten Bücher und Zeitschriften, daß er vorläufig noch nichts herausgeben könne, son dern zuerst eine Entscheidung aus Petersburg abwarten müsse. Daß ich von allen wcggeschleppten Büchern später nie mehr etwas gesehen oder gehört habe, brauche ich wohl kaum noch zu erwähnen. Hätte ich damals nicht gerade einige Tage vorher meine Buchhändler-Konti und Kommissionsgut-Fakturen beiseite geschafft, so wäre wohl nicht nur dieser Teil der Bücher, sondern wahrscheinlich mein ganzes damaliges Lager als »feindliches« Eigentum konfisziert und wären sämtliche Bankeinlagen mit den für die nächste Ostermcßzahlung bereitgehalte nen Summen eingezogen worden. Natürlich beeilte ich mich nun, mein Lager so rasch als irgend möglich auszuverkaufen, was mir auch bis auf einen kleinen, kaum nennenswerten Teil gelang. Diesen Ausverkauf — natürlich nur auf der Basis des damals allgemein geltenden Normalkurses des russischen Rubels (218 deutsch für 100 russische Rubel!) — konnte ich selbstredend nur durch energisches Betreiben erreichen, wobei ich den Rahmen meines ausge dehnten und unsicheren Kundenkredits sehr weit überschreiten mußte. Dieses hat mir nachher sehr leid tun müssen, denn die großen Ver luste, die ich an meinen Kundenkrediten in späteren Kriegsgebieten erleiden mußte, wurden hierdurch noch viel bedeutender. Als die Revolution in Rußland ausbrach und die sinnlose Ver folgung des deutschen Buches abflaute, konnte mir aber aus dem Um schwünge kein beachtenswerter Vorteil mehr erwachsen, denn der Nest des damals noch unverkauft gebliebenen KommissionSlagcrs war in zwischen auf kaum noch ein Hundertstel des ursprünglichen Bestandes zusammcngeschrumpft. Mit den Verkaufspreisen ging auch ich nun etwas in die Höhe, weil bei der revolutionären Mißwirtschaft und durch unkontrollierten Druck der russischen Rubelnoten der Kurs dieser in den neutralen Staaten stetig zu fallen begann, aber diese Differenz konnte natürlich bei dem Endergebnis nicht mehr ins Ge wicht fallen. Das Hökern mit russischen Büchern konnte mich für den Ausfall deutscher Erzeugnisse, deren Bezug für mich nach wie vor hermetisch verschlossen blieb, in keiner Weise entschädigen, sondern hat höchstens die Gesamtverluste in dieser Zeit um ein weniges verringert. Nachdem im Februar 1918 die deutschen Truppen hier eingczogen waren und alles freudig aufatmete, glaubte auch ich, baß nun doch end lich die Leidenszeit vorüber sei und ich vor allem sogleich die so lange anfgcschobcne Abrechnung O.-M. 1915 würde erledigen können, um dadurch in die Lage zu kommen, wieder eine geordnete Verbindung mit dem Buchhandel Deutschlands zu haben. Leider erwies sich diese Freude sehr bald als eine Fata morgana, denn kurz darauf verfügte das deutsche Armce-Obcr-Kommando 8 eine Banksperre, die auch meine, für die Mctzzahlung bestimmten Summen festlcgte. Außerdem wurde durch eine Zwangsvorschrift der Kurswert des russischen Rubels von 216 Mark (deutsch) für 100 Rubel russisch (NormalkurS vor dem Kriege!) auf nur 125 Mark herabgedrückt und festgesetzt. So viel zahlte übrigens auch nur die offizielle Wechselstube der deutschen Armccverwaltnng, während die Banken, denen wohl anch trotz der Sperre das Recht zugcstanden wurde, ausnahmsweise Guthaben in russischen Rubeln mit deutschem Ober-Ost-Gelöe in bescheidener Höhe »zu beleihen«, den Rubel nur mit 1 — deutsch — (statt 2.16 Frie ¬ denskurs!) berechneten und sich außerdem noch auf den Standpunkt stellten, daß sie nach Aushebung der Sperre die Ein lagen nur in russischen Rubeln, wie seinerzeit eingezahlt, auszahlen könnten und würden, ganz abgesehen davon, welchen Kurswert der russische Rubel alsdann auf dem Weltmärkte haben würde. In Berücksichtigung des sen, daß doch die ursprüngliche Herausgabe des deutschen Ober-Ost- Rubels nur den Sinn haben konnte, dem zeitlichen Mangel an rus sischen Rubeln in den von den Deutschen okkupierten Gebieten abzu helfen und also den russischen in seinem vollen Wert zu ersetzen, und da ich wußte, daß beim Einzüge der Deutschen in Kurland der Kurs wert des Ober-Ost-Rubels (— 2 — 1 russischer Rubel festgesetzt worden war, so durste ich an meinen Depots natürlich nicht rühren, sondern mußte abwarten, was weiter geschehen würde; jedenfalls konnte ich unter solchen Umständen an die beabsichtigte Lstermeß- Zahlung nicht Senken, weil durch diese Bestimmungen die zur Meß zahlung bercitliegenden und, zum Normalkurse berechnet, völlig aus reichenden Gelder in russischen Werten nicht einmal mehr die Hälfte der nötigen deutschen Valuta ergeben hätten. Wer von uns Buchhändlern hier nicht in der besonders glücklichen Lage war, von früher her in Deutschland noch Geldwerte zu besitzen, konnte also ein fach n i ch t b e z a h l e n ! In meinem hierauf schriftlich erhobenen Protest beim deutschen A.-O.-K. 8, in dem ich auch die Lage des hiesigen deutschen Buchhandels ausführlich geschildert hatte, bat ich darum, die Banken zu veranlassen, bei nötig werdenden Vorschüssen auf meine Guthaben doch wenigstens den Wechselstuben-Kurs (1.25 für Len russischen Rubel) zu berechnen und sie vor allem zu verpflichten, nach Aufhebung der verhängten Sperre die durch die Verordnung fcstgcleg- ten, von mir seinerzeit eingezahlten russischen Werte Loch minde stens zum jetzt fe st gesetzten offiziellen Kurse in deutscher Valuta auszuzahlen, damit durch fortschreitende Entwertung des rus sischen Rubels die Verluste nicht noch größer werden könnten, und be tonte dabei, daß ja doch gerade reichsdeutsche Forderungen von dieser Verfügung schwer getroffen worden seien. Auf diese Bittschrift hin erhielt ich nur die lakonische Antwort, daß das A.-O.-K. den Ban ken als Privatinstituten derartige Vorschriften nicht machen könnte. Bei meiner hierauf persönlich bei der Militärverwaltung wieder holten Bitte um Schutz dieser doch zur Deckung reich sdeutschcr Forderungen in den Banken bereitliegenden Summen, tröstete mich die Verwaltung mit dem Bemerken: »Die deutsche Reichsbank werde später gewiß wohl Mittel und Wege finden, für solche Forderungen einen gerechten Ausgleich zu schaffen!« Als die deutschen Truppen hier abzogen und die Bolschewisten herrschaft wieder ihren Einzug hielt, wurde es noch schlimmer, denn alle Einlagen in den Banken wurden jetzt als »Allgemeingut« betrach tet, und in jeder Bank saß ein »Kommissar«, der nur in dringenden Fällen äußerster Not die Herausgabe geringfügiger Summen monat lich gestattete, und zwar nur in wertlosen sogenannten »Kerenski«- Noten, die zum vollen Werte die seinerzeit eingezahltcn Zaren-Nubel ersetzen sollten. Vor dem später erfolgten Abzüge der Bolschewisten wurden dann noch die Banken ihrer Barbestände beraubt, nachdem zu vor von jedem Einlagenkonto zugunsten der »Sowjet-Negierung« noch eine »Steuer« erhoben worden war. Auf diese Weise hatten meine Konti statt der kaum nennenswerten damaligen Giro-Zinsen sehr be deutende Abzüge zu tragen. Als unsere jetzige Eesti-Negierung ihre Tätigkeit begann, wurde die von der deutschen Okkupationsgewalt verhängte Banksperre weiter ausgedehnt, und sie dauert noch bis heute an. Hierzu kam noch, daß auch das während der deut schen Okkupationszeit von mir vereinnahmte und In den Banken bis dahin dispositionsfähig deponierte deutsche Ober-Ost-Geld, das damals mein einziges sehr beschränktes Betriebskapital bildete und neben der estnischen Mark in Umlauf geblieben war, gemäß einer Verfügung vom 2. Mai 1919 nicht mehr ausgezahlt werden durfte, sondern die Banken mußten solche Einlagen abführen und dür fen den Einlegern, wenn sie überhaupt in der Lage dazu sind und wollen, diese Depots nur in Eesti-Währung auszahlen. Es wurde zugleich ein offizieller Kurs für solche Umrechnungen vorgeschricben, und zwar nur 1-^Eesti —1-^deutsch —1 russ. Zaren-Rubel. Inzwischen hatten aber Handelsbeziehungen zwi schen Deutschland und hier begonnen, und zur Beschaffung notwen diger Bedarfsartikel wurden unter der Hand für 100 deutsche Mark bis 300 .F Eesti bezahlt. Dadurch, und weil dazu noch bis heute ein Ausfuhrverbot für jegliche fremde Valuta besteht, dessen ausnahms weise Aufhebung für meine Zwecke ich bis heute, trotz wiederholter an die Ministerien gerichteter Bittschriften, noch nicht erlangen konnte, ist es mir also auch nicht einmal möglich geworden, wenigstens den jenigen Teil meiner Schulden zu bezahlen, der im Jahre 1918, durch die rücksichtsvolle weitere Kreditgewährung einzelner Verleger, zu Sen alten unbeglichenen noch hinzugekommen war. — Für den Buchhandel 431
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