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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1943
- Digitalisat
- Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig
- Strukturtyp
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- 1943-12-02
- Erscheinungsdatum
- 02.12.1943
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- Deutsch
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 177 (R. 65) Leipzig, Donnerstag den 2. Dezember 1943 110. Jahrgang Was lesen unsere Soldaten im fünften Kriegsjahr? Durch meine vor kurzem erfolgte Einsetjung als Offizier für die geistige Betreuung einer Division konnte ich mir u. a. erst malig einen Einblick in Lesemöglichkeit und -bedürfnis eines größeren Truppenvefbandes verschaffen. Außerdem gewann ich ein Bild von der inneren Haltung vieler deutscher Soldaten. Nicht zuletjt vermochte ich mich von dem erschwerten Bücher nachschub zu überzeugen. Während der Überleitung in einen neuen Operationsraum unter schwierigsten Gebirgs-, Straßen- und Versorgungsverhält nissen, in ständiger Abwehrbereitschaft, unter belastenden Ein wirkungen eines subtropischen Klimas — Sonnentemperaturen von 55° C waren die Regel —, bestand bei uns zunächst weder ein Verlangen noch war es angängig, sich in kurzen Raststunden unter schattenarmen Bäumen durch Lesen zu entspannen. Gün stigstenfalls schwang man sich auf, nach tagelangen Vormärschen — die einen Beweis für die Leistungsfähigkeit der Führung wie der Truppe, ihrer Kraftwagen, Fahrzeuge und Pferde lieferten— einen Gruß in die Heimat zu senden. — Erst als die Einweisung in die unbekannte Landschaft beendet war, traten vorüber gehende Ruhezeiten ein. Jetjt konnte die von den Kompanien, Batterien usw. in bescheidenem Ausmaß mitgeführte Bücherkiste, der ein ganz bestimmter Platj in den genau ausgelasteten Fuhr werken zugewiesen ist, frei gemacht werden. Bei dem Kisten inhalt handelt es sich übrigens um vorwiegend gute Werke aus der „Rosenberg-Bücherspende für die Wehrmacht“, die aller dings den Nachteil hat, daß sie innerhalb der Einheiten nur selten ausgewechselt werden kann, was wiederum taktisch be dingt ist. Der Lesehunger von Offizieren und Mannschaften ist groß. Diese Feststellung ist bei den meisten einmal aus dem gesunden und natürlichen Empfinden herzuleiten, sich am guten Buch zu zerstreuen, denn Ablenkungen durch Film, KdF.- oder Musik vorführungen in Stunden der Muße zählen im rauhen Feldleben zu Seltenheiten, die zivilen Sonntagen gleichzusetjen sind. Zum andern wird das Lesebedürfnis in einem Lande krasser Gegen säge aus der Sehnsucht nach dem fernen Zuhause geschürt. Des halb werden auch Nachrichten von Angehörigen, Freunden und Bekannten — selbst, wenn sie vierzehn Tage und länger unter wegs sind —, vor allem aber zugesandte Bücher, Zeitungen und Zeitschriften mit einer gewissen Gier erwartet und gelesen. Um den brennenden Wunsch aller Divisionsangehörigen nach einem starken Bindemittel zwischen Feld und Heimat — in diesem Falle ist es das Buch — einigermaßen gerecht zu wer den, betrachtete ich die Errichtung einer Frontbuchhandlung so wie die Herausgabe einer Feldzeitung als meine vordringlichste Aufgabe. Der entsprechende Vorschlag wurde vom Kommandeur gebilligt. — Ich sehe davon ab, an dieser Stelle zu berichten, unter welchen für den Buchhändler im Reich unvorstellbaren Umständen es gelang, von der zwei Tagereisen entfernt liegen den größeren Stadt über Land und Meer vorerst 2000 Bücher heranzuschleusen. Nach Ordnung dieses „Reichtums“ in sechs Gebiete (1. Politik, Krieg; 2. Dichtung, Besinnung; 3. Liebes-; 4. Spannungsromane; 5. Humor; 6. Aus Natur und deutschen Landen) und Verpackung in Kisten fuhr der Frontbuchhändler — ein Bibliothekar im Zivilberuf — auf einem unserer zwischen verschiedenen Stütjpunkten für den Nachschub (Verpflegung, Munition usw.) verkehrenden Lastkraftwagen zu den Einheiten hinaus. Nach drei Tagen tauchte er bereits wieder auf mit der Meldung: „Ausverkauft!“ Unsere Jäger in den Bergen, die Nachrichter in den Tälern, unsere Pioniere an den Brücken, die Artilleristen in den Weit vorgeschobenen Küstenstellungen, die Spezialeinheiten in den rückwärtigen Diensten hatten den Front buchhändler bestürmt und ihm seine „Schäfje“ buchstäblich aus den Händen gerissen. Der Preis spielte für sie dabei — bezahlt wird in deutschem Geld — überhaupt keine Rolle! Und nun die Antwort auf meine Frage: Was lesen unsere Soldaten im fünften Kriegsjahr? Dazu einige nüchtern-stati stische Feststellungen aus dem Bücherverkauf, denen ich die vor erwähnte Unterteilung zugrunde lege: ii) Politik, Krieg b) Dichtung, 1 c) Liebes- d) Spannungs romane e) Humor f) Aus Natur u. deutsch.Landen Besinnung romane Zahl der Bücher = 304 = 414 = 388 = 407 = 218 = 173 Prozent. Anteil = 16 = 21,7 = 20,4 = 21.3 = 11,4 = 9,2 Gesamtverkauf an Offiziere und Mannschaften =* 1904 Bände. Wenn man diese Statistik — die allerdings unvollkommen sein muß, weil nur ein Teil der Bücherwünsche erfüllt werden konnte — aufmerksam betrachtet, so sind aus ihr vorwiegend erfreuliche Tatsachen zu entnehmen: Das Interesse an den verschiedenen Buchgruppen ist ver hältnismäßig ausgeglichen. Das ist ein Beweis dafür, daß sich unsere Männer in fünf Kriegsjahren der Heimat nicht entfrem deten, daß keine innere Absonderung eintrat und das geistige Gesicht somit durchaus klar blieb. Sie versuchen, sich vielseitig abzulenken, sind also bemüht, ihre Allgemeinbildung zu ver tiefen. - Eine ebenfalls interessante Feststellung — die aus der Statistik nicht ersichtlich ist — sei in diesem Zusammenhang er wähnt: Unsere Offiziere neigen weniger zum Lesen von Span nungslektüre, wohl aber zur Dichtung und damit zu einem aus gereiften Weltbild. Am ausgeglichensten ist die Wahl der Lite ratur bei Feldwebeln und Unteroffizieren. Geradezu auffallend sticht im Gesamtverkauf der hohe An teil der Gruppe „Dichtung und Besinnung“ (b — 21,7 v. H.) ab. Erst dann folgen Spannungs- bzw. Kriminal- und Liebesromane. Der Soldat will sich also gar nicht nur an einer vorübergehenden, kurzlebigen Unterhaltung und Belustigung ergötzen, sondern er hat das Verlangen nach einem die Gegenwart überdauernden, verpflichtenden Schrifttum. Er wünscht Bücher, die es verdient haben, daß man ihnen die knapp bemessene Freizeit zwischen einsatjharten Tagen schenkt, Bücher, die man für immer besitjen möchte, um sich an ihnen nach der ersten Erbauung erneut see lisch zu bereichern und innerlich zu sammeln. Erstaunlich hoch ist auch die Nachfrage nach politischem und Kriegs-, d. h. zeitnahem Schrifttum. Es erscheint mit 304 Verkäufen — das sind 16 v. H. des Gesamtabsatjes — schon an vierter Stelle und ist damit nur 5,7 v. H. weniger verlangt als die Spitjengruppe „Dichtung, Besinnung“. Das starke Inter esse an politischer Literatur ist zweifellos in Einklang mit der Neigung zu ernster Einkehr zu bringen, die in der Vorliebe für die Dichtung zum Ausdruck kommt. Der Soldat, der sich zu ge schichtlich-politischen Büchern bekennt, lebt also auch in dieser Beziehung nicht ohne Überlegung in den Tag hinein. Er unter nimmt einen geistigen Vorstoß in die Zusammenhänge kontinen taler Auseinandersetjungen. Er will den deutschen Auftrag im gewaltigsten Ringen der Völker untereinander, an dem er als aktiver Kämpfer beteiligt ist, klar erkennen. Beim Versenken in Bücher genannter Art bezieht dieser Mann zweifellos sein Leben ein, um den eigenen Standpunkt zu festigen, dem oberflächliche Kameraden manchmal entgleiten. Aus der statistischen Zusammenstellung geht endlich hervor, daß Bücher humoristischen Inhalts und solche, die sich mit der „Natur und deutschen Landen“ (e und f) befassen, am wenig sten begehrt wurden. Womit dies hinsichtlich der ersten Gruppe
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