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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.07.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-07-31
- Erscheinungsdatum
- 31.07.1915
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1915
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Redaktioneller Teil. ^ 175, 31. Juli 1915. In seiner italienischen Reise schildert Goethe seine Sehnsucht nach Rom; als er sie endlich erfüllen konnte, heißt es: ». . . . den Mittelpunkt zu suchen, nach dem mich ein unwiderstehliches Be dürfnis hinzog. Ja, die letzten Jahre wurde es eine Art von Krankheit, von der mich nur der Anblick und die Gegenwart hei len konnte. Alle Träume meiner Jugend sehe ich nun lebendig Und Grillparzer, dessen Gefühle sich selten in stürmischen Äußerungen entladen, schreibt, als er zum ersten Male Venedig sieht: ». . . . Wer nicht sein Herz stärker klopfen fühlt, wenn er auf dem Markusplatze steht, der lasse sich begraben, denn er ist tot, unwiederbringlich tot « Der Buchhandel hat auch unter dieser neuen Phase des Krieges zu leiden. Der Bahnverkehr mit dem Süden ist stellen weise unterbrochen, und die Sortimentsbuchhandlungen am Meere, in Istrien und Südtirol, die sonst in diesen Monaten regen Absatz hatten, sind durch das Ausbleiben des Bade- und Reise publikums empfindlich geschädigt, was selbstverständlich auch die Wiener Verleger und Kommissionäre zu beklagen haben. Es war ja in den letzten Jahren modern und wurde als hygienisch ange sehen, die südlichen Orte aufzusuchen und sich dort durch die Sonnenstrahlen die vielbewunderte dunkelbraune Gesichtsfär bung zu holen. Heuer dienen die Strand- und Sandbadeorte nicht ihrem ursprünglichen, sondem vielleicht militärischen Zwe cken. — Wie sehr der Buchhandel von der ungehinderten Tätig keit der Verkehrsanstalten abhängt, haben wir noch nie so stark wie jetzt empfunden. Leider scheinen viele reichsdeutsche Ver lagsbuchhandlungen keinen richtigen Begriff von den tatsäch lichen Zuständen zu haben; es wirkt beinahe komisch, einen Brief aus Leipzig, Berlin oder Hamburg mit einer Schlußnotiz zu erhalten, in der eine bestimmte Maßnahme, z. B. die Ein sendung einer Bestellung für einen gewissen Termin gefordert wird, der bei Eintreffen bereits stark überschritten ist; die Briefe sind nämlich manchmal 8 bis 10 Tage unterwegs, sie bleiben offen bar infolge von Truppentransporten oder bei der Zenfurbehörde so lange liegen. Es wird praktisch sein, gegenwärtig für eine Antwort keinen kurzen Termin sestzustellen; man kann nämlich nie mit Sicherheit wissen, wann der Brief am Bestimmungsorte zuge stellt wird. Kürzlich ist das sonst täglich unter Kreuzband ein treffende Börsenblatt mehr als eine Woche lang ausgeblieben; sodann wurden auf einmal acht Nummern in acht einzeln auf gegebenen Kreuzbändern zugestellt. Bahnsendungen aus Süd deutschland waren vier Wochen unterwegs, zur Verzweiflung der Sortimenter, die von ihren Kunden wegen der sonst wöchentlich ausgegebenen Lieferungen bestürmt wurden; schließlich traf — ich möchte sagen, selbstverständlich — die später abgegangene Sendung früher ein, als die ältere, so daß der vielgeplagte Sorti menter wiederum Beschwerden wegen der entstandenen Lücke in den Lieferungen zu erdulden hatte. Durch eine neuerliche Verfügung der Post ist jetzt hier die Versendung von Drucksachen unter Kreuzband nach dem neutralen Auslande — also nach der Schweiz, Holland, Dänemark — unzulässig, der Himmel weiß, aus welchem Grunde. Fragt man einen Amtsherrn, der es wissen sollte, so zuckt er die Achseln und sagt: Ja, der Weltkrieg ! In meinem jüngsten Briese hatte ich die Hoffnung ausge sprochen, daß die wirtschaftlichen Schäden, die der Weltkrieg un vermeidlich zur Folge haben mutz, vom Wiener und österreichischen Buchhandel ohne große Schwierigkeiten werden überwunden wer den. In der Tat haben sich, im allgemeinen gesprochen, Zah lungsverzögerungen meist nur insoweit gezeigt, als sie durch das Moratorium und durch die Verordnung über die Geschäftsaufsicht eine gesetzmäßige Grundlage hatten. Allerdings wurden zwei große Betriebe, ein modernes und ausgedehntes Sortiment aus belebtestem Posten und ein alter, umfassender Verlag, der seiner zeit unter seinem Begründer eine hervorragende Rolle gespielt hat, je in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandclt, wo bei, wie dies ja üblich ist, die wesentlichen Gläubiger die Be träge ihrer Forderungen als buchmäßige Einzahlung mitgebracht 1094 haben. Von mancher Seite wurde ein Klagelied darüber ange stimmt, daß die kapitalistischen Betriebsformen nun auch im Wie ner Buchhandel Eingang fänden, und es wurde in ironischem Sinne von »Buchfabriken« gesprochen. Meines Erachtens ist zur Besorgnis keine Veranlassung, da im Buchhandel die Per sönlichkeit — un: nicht zu sagen: Individualität — stets eine maß gebende Rolle spielen wird. Aus der großen Anzahl der in den letzten Jahren im Deutschen Reich, speziell in München und Ber- lin, erfolgten Neugründungen von Verlagshandlungen durch junge, tatkräftige Buchhändler ist zu ersehen, welch weiter Raum neben den Aktiengesellschaften noch für den Unternehmungsgeist des Einzelnen frei bleibt. Namen zu nennen ist Wohl überflüssig, da sie auf den nächsten Seiten dieser wie jeder anderen Nummer des Börsenblattes zu finden sein werden. Im Anschluß an den auch im Börsenblatt (Nr. 128 u. 146) er wähnten Streitfall des Herrn Otto Ernst mit den »Leipziger Neuesten Nachrichten« dürste nachstehender kleiner Vorfall aus meiner eigenen Praxis interessieren, und es wäre aus ihm haupt sächlich die Moral zu ziehen, daß der Zeitungsleser bei traurigen oder rührenden Mitteilungen aus den Schützengrabenkämpfen oder aus dem Lagerleben mit seinem Mitgefühl recht vorsichtig sein sollte und gut täte, immer zu denken: vielleicht ist es gar nicht wahr! Der Wunsch, einem wichtigen Teil der Kricgsfür- sorge, der Speisung der Arbeitslosen, eine kleine Ein nahme zu schaffen, veranlatzte mich in den ersten Mo naten des Krieges, meine Zeitungslektüre zur Auswahl von Kriegsgedichten und namentlich Kriegshumoresken zu benutzen, und diese, zu einer kleinen, leicht lesbaren Sammlung vereinigt, herauszugeben. Vorerst ersuchte ich einige Schrift steller, deren humoristische oder satirische Gedichte mir besonders gefallen hatten, um Gestattung des Abdrucks. In den meisten Fäl len wurde er mir mit der größten Bereitwilligkeit und ohne jeg lichen Anspruch freigestellt; die Minderzahl begehrte eine beschei dene Vergütung, die ich ohne weiteres zugestand. Den Rest des Bändchens — dem ich den Titel »Vom Lachen und Lächeln im Kriege« gab, und das, von der Presse freundlich besprochen, dem genannten Wohltätigkeitszweck bereits ein Sümmchen verschafft hat — füllte ich mit allerhand humoristischen Kriegsnotizen, wie sie zum Kriegsbeginn aus den verschiedenen Heerlagern von den Zeitungen gebracht wurden; auch fügte ich einige Momentbilder aus früheren Kriegsjahren bei. Einige Monate nach Erscheinen des Buches erhielt ich «inen kategorischen Brief eines süddeutschen Schriftstellers des Inhalts: ich hätte unberechtigterweise ein Geschichtchen aus seiner Feder im Umfang von einer Druckseite in meine Sammlung ausgenom men, ich solle nur soundsoviele Kronen bezahlen, sonst werde der Schutzverein einschreiten Ich stellte den Sachverhalt fest und war ob meiner Naivität tief beschämt: ich alter Zeitungs leser hatte eine Notiz über eine Episode in einem Schützengraben für die Schilderung eines Mitkämpfers, für die Darstellung einer wahren Begebenheit gehalten, aber sie war am Schreibtisch ent standen, das Produkt einer auf den Krieg eingestellten Phantasie, einer witzgewohnten Feder entsprossen. Selbstverständlich hätte ich sie nicht ausgenommen, wenn mir ihr Wesen bekannt gewesen wäre, denn meine Absicht ging doch nicht dahin, erdichtete Schützen grabenerlebnisse zu bringen. Ein gründlicher Kenner des Gesetzes versicherte mir, daß an kurzen Notizen der Tagesblätter ein Ur heberrecht nicht bestehe. Da aber der Dichter seinen Anspruch we sentlich ermäßigte und, was hauptsächlich in die Wagschale siel, seine Lage als ungünstig schilderte, honorierte ich nachträglich auch ohne Verpflichtung. Der gute, alte Stettenheim hatte seine Sache doch viel offener gemacht; Wippchen von Bernau war weit hin als Kriegskorrespondent vom Schreibtisch bekannt; jetzt schei nen sich manche Herren auf die fabrikmäßige Erzeugung von Kriegserlebnissen zu werfen, und dem Zeitungsleser kann nicht genug Vorsicht und Zweifelsucht empfohlen werden. Wie sehr namentlich auch am Redaktionstische Vorsicht gegen über den täglich einstürmenden Einsendungen am Platze ist, beweist
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