Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1887
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1887-04-25
- Erscheinungsdatum
- 25.04.1887
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18870425
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188704257
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18870425
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1887
- Monat1887-04
- Tag1887-04-25
- Monat1887-04
- Jahr1887
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2130 Nichtamtlicher Teil. des Humanismus hatten, wie erwähnt, die Brüder vom gemein samen Leben große Verdienste. Die Hauptsitze derselben, Deventer und Münster versorgten ganz Deutschland mit tüchtig gebildeten Lehrern und die Presse in Münster lieferte die gei stigen Waffen. Diesen Pionieren folgte ein jüngeres Geschlecht, welches sich entweder um die Kirche gar nicht bekümmerte oder aber diese erbittert bekämpfte, ohne jedoch mit Rom zu brechen. Der hauptsächlichste Stützpunkt war Basel. Eine kurze Blüte in Wien, namentlich durch Konrad Celtes und andere deutsche Gelehrte hervorgerufen, schwand rasch dahin. Wie die Gelehrten stammten auch die dortigen Buchdrucker fast alle aus Deutsch land; nur der eine, Joh. Singriener der Jüngere, ist nachweisbar ein Wiener Kind. In Basel war es weniger die Universität, als die vereinte Thätigkeit der Verleger und der Gelehrten, welche ohne jede Unterstützung von außen den Humanismus förderte. Das meiste dazu trug der, lange Zeit im Hause Frobens lebende Erasmus bei, der einen Kreis von wissenschaftlich gebildeten Männern als Textrevisoren und Korrektoren, ja selbst als Setzer dorthin zog. Er war der Herrscher im Reiche des Geistes und wies den wissenschaftlichen Bestrebungen der Buchhändler die Bahn an. Kaum giebt es einen zweiten Gelehrten, der in gleicher Weise anregend auf literarischem Gebiet gewirkt und auf Gelehrte und Buchhändler einen gleich wohlthätigen Einfluß geübt hat. Direkt trug schon der riesige Absatz seiner Schriften zur Hebung des Buchhandels bei; er hatte in seiner wahrhaft staunenswerten litterarischen Thätigkeit unter den Verlegern von Paris, Basel und Venedig nur zu wählen. Seine Sprichwörter sammlung (^.<Za>§ioruM Opus), das Lob der Narrheit (illorias kluoorriium), seine Oolloguig. sg.inilig.ria wurden, wie schon früher erwähnt, in ganz ungewöhnlicher Zahl verbreitet. Außer den eigenen Werken lieferte er noch viele Ausgaben von Klassikern und Kirchenvätern. »Er hatte das Ei gelegt, welches Luther ausbrütete,« war aber doch ein Mann für sich und wollte dies sein. Als die Reformation den ihr von dem Humanismus bereiteten Platz einnahm, zog er sich in sein Studierzimmer zurück, vor einer Bewegung zurückscheuend, welche die Massen zu Bundesgenossen und Schiedsrichtern im Kampfe gegen Rom aufrief. »In revolutionären Zeiten aber muß der einzelne sich in Fragen zweiten Ranges unterordnen und trotz seiner vielleicht besseren Einsicht einer der streitenden Parteien sich anschließen, wenn er nicht von der unaufhaltsam drängenden Bewegung zermalmt werden will. — Ein großer Gelehrter, aber ein schwacher, halber Charakter, so lautet der Wahrspruch der Geschichte über Erasmus.« (S. 369.) Ohne zwei ebenbürtige Geister als Verleger zur Seite, Joh. Froben und Aldus Manutius, würde Erasmus trotz aller Wahrscheinlichkeit kaum den durchschlagenden Erfolg erreicht haben, welcher ihm als Schriftsteller zufiel. Kaum hat es je einen so gelehrten, ideale Ziele so sicher verfolgenden, daneben aber einen ebenso praktischen, selbst den kleinsten Vorteil wahr nehmenden Verleger gegeben wie Aldus Manutius. Trotz seines hohen Ranges als Verleger verschmähte er nicht, als Sor timenter den Detailhandel zu Pflegen. Er war, wie schon er wähnt, auch der erste, der nach einem bestimmten Plan durch geführte Verlagskataloge verbreitete. Wenn auch Italiener, übte er doch einen großen Einfluß auf den deutschen Büchermarkt aus. Damals gab es noch nicht nationale Schranken auf dem geistigen Gebiete; das Lateinische schlang noch sein einheitliches Band um die wissenschaftlichen Bestrebungen aller Völker. Seinem be geisterten Streben ist es hauptsächlich zu verdanken, daß die Mehrzahl der griechischen Klassiker den Völkern des Abendlands zugänglich gemacht wurden. Selbst ein vortrefflicher Philolog und Kritiker, verstand er es die besten Bearbeiter, Korrektoren, Grammatiker und Abschreiber ausfindig zu machen. Sein glück lichster Gedanke war die Schaffung der handlichen Klassikeraus gaben, mit welchen er eine förmliche wissenschaftliche Revolution ^ 93, 25. April 1887. veraulaßte. Dies galt namentlich in Deutschland, wo die Mehr zahl der Studierenden, welche aus den ärmeren Ständen hervor- ging, auf Grund der teuren Bücherpreise bis jetzt mühsam das geistige Handwerkzeug sich durch Abschreiben hatte schaffen müssen. Von seinen zahlreichen litterarischen Verbindungen hat keine eine größere Bedeutung als die mit Erasmus. Bereits im Jahre 1500 war dieser Mitglied der von Aldus in seinem Hause ge stifteten litterarisch - geschäftlichen Association, der bisoaoacksmia. Auch mit Reuchlin stand Aldus in regelmäßigem Verkehr. Be kannt ist, daß letzterer sich keines entsprechenden pekuniären Er folges seiner unermüdlichen Anstrengungen im Interesse der Wissenschaft zu erfreuen hatte. Sehr schädigte ihn der im Jn- und Auslande großartig betriebene Nachdruck seiner Ausgaben, gegen welchen ihm weder die von der Republik Venedig noch die vom Papste (unter Androhung von Exkommunikation der Nachdrucker) erteilten Privilegien hinreichenden Schutz gewährten. Ein, Aldus an Geist und an Verdienst um die Wissenschaft ebenbürtiger deutscher Verleger war Johannes Froben in Basel. Seit dem Jahre 1513 und bis zu seinem Tode 1527 war er mit Erasmus in inniger und ungetrübter Freundschaft, lange Zeit auch durch Hausgenossenschaft verbunden. Die ersten von Erasmus emendierten Verlagsartikel Frobens waren das erste griechische Nene Testament und die umfangreiche Ausgabe des heiligen Hieronymus, die ein großes Ereignis in der ge lehrten Welt bildete. Einen Nachteil für Froben hatte das Verhältnis zu Erasmus: er konnte sich mit dem Druck (Nach druck) lutherscher Schriften nicht abgeben, durch welchen sein Kon kurrent Adam Petri sich bereicherte. Nächst Basel erlangte Erfurt eine hervorragende Bedeu tung für den Humanismus und damit für den Buchhandel. Die Verhältnisse lagen hier sehr günstig; denn die reiche Universitäts stadt war ein alter Sitz der Formschneidekunst und vieler tüch tiger Schreibstuben. Auf der mit einer gut fundierten Bibliothek versehenen Universität, einer Schöpfung der freien Bürgerschaft, siegte der neue Geist bald. Hier erschien unter allen deutschen Städten zuerst ein mit griechischen, wenn auch accentlosen, Schriften gedrucktes Buch. Der dortige Verlags- und Sortimentshandel gewann bald einen großen Umfang, der jedoch wieder sank, da der Mehrheit der dortigen Vertreter des Humanismus später die Kraft fehlte, fest zu Luther zu stehen, infolgedessen die ent- schiedneren Geister unter ihnen nach Wittenberg übersiedelten. Die letzte Phase des Humanismus, die polemische, entwickelte sich, wie bereits angedeutet wurde, in Köln, hervorgerufen durch einen getauften Juden, Johann Pfefferkorn, der Mit dem, den Renegaten gewöhnlichen Fanatismus gegen seine früheren Glau bensgenossen loszog und in seinen Bestrebungen, die ganze jüdische Litteratur durch Feuer zu vernichten, auch die kölnischen Dominikaner, welche auf Grund päpstlicher Vollmachten seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ein oberstes Zensurrecht in Deutschland beanspruchten, auf seiner Seite hatte. Unter den vielen wissenschaftlichen Opponenten hiergegen war Reuchlin der bedeutendste. Seine polemische Schrift »Der Augenspiegel« wurde von dem Kommissar des Churfürsten von Mainz verboten, und das Verbot später durch den Kaiser be stätigt. Nun drehte sich der Kampf nicht mehr um die jüdischen Schriften, sondern um das Verbot des Augenspiegels und die Befugnisse der Kirchengewalt. Scheinbar unterlag zwar Reuchlin, denn sein Buch wurde durch päpstlichen Beschluß der Vernich tung übergeben und er selbst zum ewigen Stillschweigen ver urteilt; in den Augen der Mehrzahl des deutschen Volkes aber stand er als Sieger da, während die kirchliche Autorität eine empfindliche Schlappe erlitten hatte. Zu Reuchlins moralischem Sieg hatte namentlich die Schrift »spistolus obsvuroruw virorum« beigetragen, eine unsterbliche Satire in karikiertem Mönchslatein verfaßt, welche in der schonungslosesten Weise die mit dem päpst lichen Gewände umhüllte Rohheit und Schamlosigkeit der Sitten des Klerus geißelte.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder