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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.03.1930
- Strukturtyp
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- 1930-03-22
- Erscheinungsdatum
- 22.03.1930
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X- 69, 22. März 1930. Redakttoneller Teil. Börsenblatt f. ü. Dtschn Buchhandel. wenn eine rechtskräftige Feststellung über den Schund- und Schmutzcharakter des Werkes durch die Entscheidung der Ober prüfstelle vorliegt. Seltsam mutet die Entscheidung Nr. 85 (vom 3. Dezember 1929) an, in der die Oberprüfstelle eine Entscheidung der Prüf stelle aushebt und die Sache zur andcrweitcn Verhandlung und Entscheidung an diese Prüfstelle mit der Begründung zurück weist, cs fehle dem Urteil der Prüfstelle der wesentliche Teil der Begründung. Wenn auch die Oberprüfstellc unmittelbar in der Sache selbst entscheiden könne, so hielte sie in ihrer Stellung als übergeordnete Verwaltungsbehörde die Zurückverweisung für zweckmäßig und geboten, ungeachtet der dadurch entstehenden unerwünschten Verzögerung gerade dieses Verfahrens. Meines Erachtens hätte die Oberprüsstclle in der Sache selbst entscheiden müssen, allerdings mit einen, deutlichen Hinweis darauf, daß die Prüfstelle wichtigste Grundsätze des Gesetzes nicht genügend hcr- ausgearbeitet hat. Damit wäre allen Beteiligten besser gedient gewesen. II. Jnmatcriellrcchtlicher Hinsicht hat die Ober- Prüfstelle an ihren früheren Grundsätzen (vgl. meinen oben an geführten Bericht über die Rechtsprechung des Jahres 1928) fest- gehalten. I. Bezüglich des S ch u n d charaktcrs einer Schrift hat sich die Oberprüfstellc in der Entscheidung Nr. 48 (vom 25. Januar 1929) mit der Frage auscinandergesctzt, inwieweit die Oberprüf- stelle eine Schrift nach ästhetischen Grundsätzen zu prüfen habe, und sie kommt zu dem Ergebnis, daß jedes Werturteil über eine Schrift, auch wenn es sich nur um die Bejahung oder Ver neinung der Frage der äußersten Mindcrtvertigkoit (im Gegen sätze zu der als Voraussetzung des Schundcharakters geforderten Wertlosigkeit) handelt, vom ästhetischen Gesichtspunkt getragen oder mitgetragen ist. Diesen Ausführungen ist beizusttmmen. Denn erst, wenn auf Grund eines solchen auf ästhetische Gesichtspunkte gegrün deten Werturteils die Wertlosigkeit der Schrift fcststeht, kommt eine Untersuchung nach ihrem Schund- oder Schmutzcharakter überhaupt in Frage. Mit allem Nachdruck bleibt die Oberprüfstellc bei ihrem Grundsätze, daß Werke von irgendwelcher wissenschaftlichen oder künstlerischen Bedeutung unter keinen Umständen auf die Liste gesetzt werden können, ohne Rücksicht da-auf, ob ihre Lektüre für Jugendliche ungeeignet, ja sogar schädlich ist (Entscheidung Nr. 63 vom 28. Mai 1929). Und sie führt in der Entscheidung Nr. 52 (vom 15. März 1929) durchaus folgerichtig aus, daß eine solche Bedeutung entweder in dem Inhalte liegt, also dem Material, das dargestellt wird, oder aber in der Darstellung selbst, d. h. in der Formgebung, auf der ja der urheberrechtliche Schutz beruht. Die literarische Absicht allein genügt noch nicht. Irrig ist dagegen (wie die Entscheidung Nr. 48 vom 25. Ja nuar 1929 cs tut), den Schundcharaktcr einer Übersetzung von der Qualität der Übersetzung abhängig zu machen. Denn hier durch kann eine Schrift vom literarischen Standpunkte aus min- derivertig erscheinen, es kann eine Verletzung des Urhebcrpcrsön- Uchkcitsrechts am Original vorliegen, aber niemals kann hier durch die Schrift zur Schundschrift werden (wie das die Ober prüfstelle auch in ihrer früheren Entscheidung Nr. 26 vom 1. De zember 1928 anerkannt hat). Andererseits aber ist es gleichgültig, ob der Urheber der Schrift, deren Schundcharakter sestgestcllt ist, sonst einen geach teten Autornamen hat (Nr. 76 vom 29. Oktober 1929), ob in ein solches »rein industrielles Machwerk- (Entscheidung Nr. 54 vom 15. März 1929) dürftige geographische und ethnographische Be merkungen eingestreut sind (Entscheidung Nr. 80 vom 22. Okto ber 1929). Daß übrigens ein solcher, in 100 Lieferungen erschei nender Roman in den letzten drei Jahren nach den Feststellun gen der Oberprüsstelle in über 30 000 Exemplaren abgcsetzt wor den ist, dürste den Buchhandel interessieren. Inwieweit eine unter einem Gesamttitel erscheinende Schrif tenreihe (also nicht ein in Lieferungen erscheinendes Werk) als einheitliches Ganzes angesehen werden kann, ist Tatfrage (Ent scheidung Nr. 85 vom 3. Dezember 1929). 274 Bon ganz besonderer Bedeutung sind die Grenzfälle (vgl. Entscheidung Nr. 63 vom 28. Mai 1929), wenn beim Vorliegen des typischen Schundmerkmales diese im Verhältnis zum Ganzen nur in geringem Umfange auftreten, sodaß nur eine unmcrkliche Beeinflussung des Ganzen vorliegt, oder ein besonderer Gegen wert eine Feststellung der Wertlosigkeit der Schrift verunmög licht. Hier müssen die Gcgemverte fcstgestellt und in ihrer Be deutung für die Schrift gewürdigt, auch ihre den Charakter der Schrift bestimmenden Werte gegenüber dem Schundmerkmal ab gewogen werden (Entscheidung Nr. 85 vom 3. Dezember 1929). 2. Auch an der Begriffsbestimmung der S ch m u tz schrift wird festgehalten. So wird eine Zeitschrift als Schmutzschrist auf die Liste gesetzt, weil ein organischer Teil des Inhalts jeder Einzelnummer, die »Sprechstunde-, den typischen Charakter einer Schmutzschrift trägt (Entscheidung Nr. 76 vom 29. Oktober 1929), und in der Entscheidung Nr. 71 (vom 23. Jul! 1929) wird darauf verwiesen, daß eine Schmutzschrift im Sinne des Gesetzes nicht unzüchtig im Sinne des 8 184 Ziff. 1 St.G.B. zu sein braucht, da der Begriff der Schmutzschrift der weitere ist, andererseits aber auch »scxualparfümierter Schund- noch nicht als Schmutz unzuschcn ist (Entscheidung Nr. 48 vom 25. Januar 1929). 3. Immer und immer wieder weist die Oberprüfstelle dar auf hin, daß eine Gefährdung der Jugend vorliegen muß, tvcnn die Schrift auf die Liste gesetzt werden soll (zu den von Hellwigin Nr. 166 des Börsenblattes vom 20. Juli 1929 hierzu geäußerten Bedenken hat die Oberprüsstelle noch keine Stellung genommen), wobei gloichgiltig ist, daß die betr. Schrift in anderer Beziehung durch Hinweis auf Mißstände irgend >vel- chen Nutzen gehabt haben mag (Entscheidung Nr. 64 vom 28. Mai 1929). Der Schund- oder Schmutzcharakter für sich allein recht fertigt diese Maßnahme nicht. Diese Gefährdung ist darin zu er blicken, daß die Schrift z. B. objektiv geeignet ist (Entscheidung Nr. 80 vom 22. Oktober 1929), die Phantasie nicht anzureizen, sondern aufzupeitfchen, sodaß junge Menschen durch solche Kost für gute Literatur verloren sind, oder wenn — nicht ganz unbe denklich — der Held -der Schrift sich bewußt außerhalb der Normen der Gemeinschaft stellt. Bei Schmutzschristcn insbeson dere besteht die Gefährdung der Jugend darin (Entscheidung Nr. 81 vom 13. Dezember 1929), daß die Jugendlichen durch die Schrift, in der sich alles nur um das Sexuelle dreht, zu der Meinung gebracht werden, als ob dieses und nur dieses der Angelpunkt menschlichen Einzel- und Gemeinschaftslebens sei. Insbesondere wird die Gefährdung der Jugend bei Anzei gen, die ganz offenkundig auf die Anknüpfung homosexuellen Verkehrs gerichtet sind, darin erblickt, daß Homofcxualitiät, namentlich bei der Jugend im Pubertätsstadium, sehr häufig erst durch den Verkehr mit Homosexuellen und durch Lektüre homo sexuellen Inhalts erweckt wird, und daß solche Ansteckungsgefahr ganz besonders bei schwärmerisch veranlagten jungen Mädchen gegeben ist (Entscheidung Nr. 68 vom 10. September 1929). Dagegen wird die Gefährdungsmöglichkeit verneint, wenn die betr. Nummern einer Zeitung vom Markt verschwunden sind. Anders dagegen bei Zeitschriftennummcrn, bei denen man mit der Möglichkeit rechnen muß, daß Rcstbeständc sich noch bei Sor timentern, Kioskvcrkäufern usw. vorsinden, da ja eine Kontrolle eines Zeitschriftenverlags darüber, ob alle beim Einzelhändler nicht verkauften Exemplare zurückgclaugt sind, nicht möglich ist (Entscheidung Nr. 66 vom 22. Oktober 1929 und Nr. 73/75 vom 10. September 1929). Ist dagegen das Erscheinen einer periodischen Sammel schrift — und zwar nicht nur vorübergehend — eingestellt wor den, ist eine Gefährdung der Jugend nicht mehr zu besorgen (Entscheidung Nr. 64 vom 28. Mai 1929). Die schntzbedürftige Jugend ist dabei aber nicht gleichzu- stcllen mit den die Bekämpfung von Schund und Schmutz von sich aus energisch übertreibenden Jugendorganisationen; d. h. nicht darum, weil diese Jugendorganisationen die Gefährdung der Jugend für gegeben sehen, muß diese Gefährdung auch tat sächlich gegeben sein (Entscheidung Nr. 63 vom 28. Mai 1929).
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