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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.03.1930
- Strukturtyp
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- 1930-03-27
- Erscheinungsdatum
- 27.03.1930
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- Deutsch
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2506 X: 73, 27. März 1930. Fertige Bücher. BSrs-nilatt s. d.DIschn. Buchhandel. Walter setzte sich auf den Kartoffelsack nieder, zog das Taschentuch und rieb sich die Stirn. Wachowiak steckte die Hände in die Hosentaschen und be trachtete ernsthaft die Käschenrolle unter der Glasglocke. Plötzlich sah er sich um und ichnoberte. „Nanu? Wie riecht es denn hier? Käse ist es nich und Hering auch nich. Komisch." Walter stand eilig aus, beinahe erschrocken, weil es nicht ausgeschlossen war, daß Kartoffeln den Geruch annehmcn, er rötete und sagte leise: „Das ist nur ein bißchen Kampfer — das machen sic im Gefängnis so, damit in die aufbewahrten Kleider nicht die Motten kommen. Wenn man sie bei der Entlassung wieder anzieht, dann ist man sozusagen für die erste Zeit gezeichnet. Man kannnirgcndshingchc»,ohnc daß dieLeute anfangcn zu schnuppern, und dann rücken sie von einem ab. Und deshalb hatte ich auch gedacht, daß sich der Geruch hier draußen, wo wenig Menschen sind, dafür aber freie Gottesnatur, leichter verzieht, oder un bemerkter — ja, und dann wollte ich eigentlich mit Ihnen auch etwas Geschäftliches besprechen, bei dem Sie viel Geld verdienen können." Wachowiak tat so, als habe er das Letzte keinesfalls ge hört, er brummte nur unschlüssig: „Von wegen dem Geruch, Mensch, dafür ist Berlin besser. Nich? Was da alles in solcher großen Stadt mufft! Da ver krümelt sich so'n Duft am leichtesten. Und in Berlin, das wirst du ja auch verstehen, da ist man eher gewohnt, daß Leute aus dem Kasten kommen und so riechen — So, Mensch, nun kannst du loelegen." „Es handelt sich, wie ich Ihnen bereits andeutcte, Herr Wachowiak, um ein großes Geschäft für Sie und außerdem um meine Zukunft. Ich habe ja in Bitterfeld nur die gewöhn liche Schulbildung genossen und bin dann in bas Kontor ge kommen. Aber mein Smn stand immer nach etwa» Höherem. Mir schwebte immer als Ideal vor, viel Geld zu gewinnen, aber nicht um cs an den Stätten des Lasters zu vergeuden, sondern um es zum Wohle der ganzen Menschheit anzuwenden. Die Fähigkeiten zu einer hohen, idealen Laufbahn habe ich schon als Knabe in nur gefühlt. Ich habe mich nicht unterkricgen lassen, auch durch die un gerechteste Behandlung nicht. Auch die Beamten haben wohl cingcschen, daß ich keinesfalls so ein gewöhnlicher Strafgefangener war, und der Herr Oberregierungsrat hat mehrmals mir gegen über lebhaft bedauert, mir nicht den Unterricht zuteil werden lassen zu können, den ich wünschte. Ich habe jedes Buch aus der Bibliothek, dessen ich habhaft werden konnte, gelesen, und sie können mich heute fragen, Herr Wachowiak, was Sie wollen — ich kann Ihnen jedesmal antworten. Am liebsten waren mir natürlich die Romane, besonders die modernen, denn sie spiegeln doch das wirkliche Leben wider, von dem ich durch die Kerkcrmauern ausgeschlossen war. Ach, wie oft habe ich wäh rend des Unterrichtes und abends, wenn ich nicht einschlafcn konnte, die Schicksale der Menschen weiter gesponnen, viel kühner, als die Dichter cs vermocht hatten. Daraus ersah ich, daß ich das eigentlich viel besser konnte, was die gefeierten Prominenten versucht hatten, und das Gefühl für meine Berufung ging in mir auf wie eine strahlende Morgenröte. Nur war ich natür lich so schlau, keinem Menschen, auch dem Herrn Obcrregierungs- rat nicht, etwas davon zu sagen. Ich erledigte meine lästigen Pflichten weiter, aber im geheimen erhob ich mich weit über die Welt der Verbrecher und Beamten. Und so habe ich meine ganze merkwürdige Lebensgeschichte in Schlagworten zu Papier gebracht — bis auf die Jahre im Kerker natürlich, das will ich erst jetzt, wo ich frei geworden bin, aufschreibcn, rücksichtslos, Herr Wachowiak, das sage ich Ihnen, und werde niemanden schonen, wer cs auch sei! Und damit Sie sehen, daß ich Ihnen nichts vorerzähle, da zeige ich Ihnen hier meine bisherige» Aufzeichnungen. Da!" Er zog ein dukes Notizbuch aus der Tasche, schlug cs knallend auf den Tisch. Zu gleicher Zeit kam Frau Wachowiak mit den» Kaffee und den Stullen, der Alte blätterte ehrfurchts voll in dem Heft und brummte seitlich: „Kannst ein bischen auf den Laden paffen, weil ich mit dem Herrn noch zu verhandeln habe, es wird wohl bald los- gehcn mit die Kundschaft. Und fisch die Gurken nicht immer von unten hoch, die Leute müssen cs nehmen, wies kommt. Wer soll denn nachher die weichen essen, die überbleibcn? — Und das ist nun", wendete er sich an Walter, „det is - ? „Stenographie, ja, Herr Wachowiak, natürlich kann sie nur ein Eingeweihter lesen." „Großartig! Und das haben sie dir alles im Kasten bei gebracht?" „Ja, aber man muß mächtig aufpaffen, und manche kapieren es nie." „Kann ich mir denken. Na, nu iß man. Die Margarine ist von die frische. Labei kannst du ja auch erzählen, wie war das denn nu» mit dem Geschäft?" „Das Geschäft", erklärte Walter kauend, „bängt mit dem Buch hier zusammen. Was ich sagen werde, dürfte jedem Ge schäftsmann einleuchtcn. Ich werbe mich gleich dabei machen und das Buch ins Reine schreiben. Dann werde ich die Er innerungen aus der Kerkerzcit anfügen - später werde ich dann auch eine Reihe von Romanen schreiben, die ich mir schon alle ausgcdacht habe. Aber bleiben wir erst bei diesem Buch. Ich habe mich natürlich über die Preise der Bücher genau orientiert, und mir kann niemand mehr etwas vormachcn. Ich bin heute vormittag, gleich nachdem ich entlassen war, sofort an die Arbeit gegangen und habe alle die Verführungen der Weltstadt abgelehnt. Von Buchladcn zu Buchladen bin ich ge zogen und bin nun sozusagen ganz im Bilde. Und nun passen Sie auf, Herr Wachowiak! Ein solches Buch, wie ich es schrei ben werde, wird zweihundert gedruckte Seiten haben, vielleicht auch ein paar Seiten mehr. In den Buchhandlungen werden die Bücher von zweihundert Seiten mit sechs Mark verkauft, und sie haben einen schönen Umschlag oder Einband aus Stoff. Nun muß man doch annehmen, daß der Besitzer des Ladens, wenn er das Buch verkauft, das bekommt, was man kauf männisch einen Rabatt nennt. Ich habe die Herren geradezu gefragt, wieviel das ausmacht, aber sie haben nur hinterhältig geläcbelt und gesagt, das ist ganz verschieden. Nun ja, nie mand will seine Geschäftsgeheimnisse prcisgcben, ich habe ihnen ja auch nicht gesagt, was ich will. Nicht wahr, Herr Wacho wiak? Ich kann mir ja auch selber denken, was sie verdienen, die Hälfte mindestens." «Ist das nicht ein bißchen ville?", warf Wachowiak ein. „Menn ich so an meinen Kram hier denke —!" „Aber Sie können doch nicht saure Gurken und Käse mit Büchern vergleichen!" „Da hast du auch wieder recht. Du meinst also die Hälfte—?" „Wenn ich ganz vorsichtig sein will, so sage ich, die Herren kaufen das Buch, das sic für sechs Mark verkaufen, für vier
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