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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.05.1887
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- 1887-05-23
- Erscheinungsdatum
- 23.05.1887
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nicht mehr hemmen, so lange der Staat sich nicht hilfreich der Kirche zur Seite stellte. Trotz aller Bullen entwickelte sich eine täglich kühner herausfordernde Fluglitteratur, welche das ganze Volk der Opposition gegen das Papsttum zuführte. Die Heftig keit und Rückhaltlosigkeit der Angriffe nahm selbst seitens der hervorragenden Häupter der Reformation einen Charakter an, der sich, wenn auch der Unmut ein vollberechtiger war, doch nicht mit den heutigen Begriffen von Bildung und litterarischer Würde in Einklang bringen läßt. Erst als Kaiser und Papst sich zur Unterwerfung des Denkens und Glaubens, wie sie ihren Ausdruck durch die Litteratur fanden, die Hände reichten, wurde die Lage eine bedenkliche. Diese Einig keit trat in dem Edikt von Worms vom 8. (faktisch vom 26.) Mai 1521 zu Tage, in welchem die römische Politik einen ihrer glänzendsten Siege feierte. Die Grundsätze der staatlichen Censur für die folgenden Jahrhunderte waren nunmehr festgeschlagen, so daß diese nur etwas mehr Methode in die Ausübung wie in die Verfolgung der Presse zu bringen hatten, wobei mehr oder minder gelungene Experimente einander ablösten Noch weiter, als das Edikt von Worms griff der Reichs tagsabschied von Nürnberg 1527 ein. Wenn jenes sich nur gegen lutherische Schmähschriften und vergiftete Bücher richtete, so verlangte letzteres, daß »Schmähschriften und -Gemälde gänzlich abgethan« werden sollten. Ein Jahr nach dem Nürnberger Abschied wütete der Bauernkrieg mit allen seinen Greueln. Vergeblich suchte der Speyersche Reichstagsabschied von 1529 der Flut durch ein vorläufiges Censurgesetz zu steuern, in welchem Fürsten und Stände im Prinzip die Censur anerkannten. Die nähere Aus führung für die Handhabung lieferte der Abschied zu Augs burg von 1530, die Strafbestimmungen wurden in die peinliche Halsgerichtsordnung des Kaisers Karl V. von 1532 unter Artikel 110 ausgenommen. Mit der fortschreitenden Niederwerfung der Revolution wurden die Bestimmungen auf dem Reichstage zu Nürnberg 1541 verschärft. Im Jahre 1548 wurden in Augsburg der Presse noch neue Fesseln angelegt; selbst unschuldige Besitzer eines ver botenen Buches konnten bei Anwendung der Folter befragt, event. bestraft werden. Widerspenstige Drucker verloren das Recht des Gewerbebetriebes und mußten schwere Geldstrafen zahlen. Den Kurfürsten, Fürsten und Ständen war die Pflicht der sofortigen Veröffentlichung und strengen Ausführung der Preßpolizeiordnung auferlegt. Es half aber alles nicht, und selbst nach der Niederlage der Protestanten bei Mühlberg 1547 blühte die Schmähschriften- litteratur fort und erreichte um 1549 ihre höchste Reife. Weder gütliches Zureden noch schroffe Drohungen halfen. Die Macht stellung, welche die Presse im Leben der Völker einnahm, stand fest. Der Gewinn aus den verbotenen Schriften war zu verlockend; überall entstanden Buchdruckereien, deren Überwachung Tag für Tag schwieriger wurde. Dem suchte der Reichstagsabschied von Speier 1570 abzuhelfen, indem er die Anlegung von Buch druckereien auf fürstliche Residenzen, Universitätsstädte und auf die ansehnlichsten Reichsstädte beschränkte. Die Zulassung des Buchdruckers wurde von vorheriger Prüfung seiner Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit abhängig gemacht, auch unerwartete Visita tionen wurden angeordnet. Große Beachtung fanden indessen diese Bestimmungen ebensowenig, wie die früheren; nur der Kurfürst August von Sachsen betrieb die Sache mit Ernst und Energie. Kaiser Maximilian II. war ein milder Herr, der gern den Dingen ihren Lauf ließ und keinen Gefallen an Verfolgungen hatte. -Doch machte er hiervon eine Ausnahme, als er 1567 persönlich durch eine Schmähschrift: »die Nachtigall« angegriffen wurde. Da ward er bös und verfuhr sowohl gegen die Betei ligten als gegen den Rat zu Frankfurt mit großer Strenge, bis letzterer endlich auf das richtige Mittel verfiel, den Kaiser wieder gnädig zu stimmen durch ein Darlehen auf unbestimmte Zeit — zu deutsch ein Geschenk — von 30 000 Goldgulden. Die Reihe der Preßanordnungen fand mit der »refor- mirten und gebesserten Polizeiordnung von 1577«, welche ihre Giltigkeit bis über das sechzehnte Jahrhundert hinaus behielt, einen vorläufigen Abschluß. Und in der That war auch ein Erlaß neuer Gesetze nicht notwendig. Um die mißliebige Presse mit Stumpf und Stiel auszurotten, genügten die vor handenen vollkommen, wenn überall so getreue Handhaber und Handlanger den Regierungen zur Seite gestanden hätten, wie sie der kleinliche, bigotte Rudolph II., der nur das eine Ziel verfolgte: vollständige Vernichtung des Protestantismus, in den Jesuiten fand, die in der ganzen protestantischen Presse selbstverständlich nur Schmähschriften und Famoslibellen erblickten. Den kleineren Fürsten und den Städten diente die Reichsgesetzgebung zwar als Vorbild, jedoch mit Modifikationen, je nach den geistigen Strö mungen auf den einzelnen Gebieten. In der letzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts wurde die Gesetzgebung gleichmäßiger, indem die Jesuiten mit großer Schlauheit die Fehler der Prote stanten benutzten, welche, statt wie ein Mann sich dem gemein schaftlichen Feind gegenüberzustellen, sich in Unfrieden und Zank, Wortklauberei und Mißgunst gegenseitig zerfleischten, wovon die Häupter der Reformation leider nicht auszunehmen sind. Das allgemeine Bild der preßpolizeilichen Zustände, welche uns Kapp vorführt, vervollständigt er durch eine Reihe von Detail skizzen, gleichsam Randzeichnungen um das Hauptbild, aus den verschiedenen Landesteilen und Städten. So wichtig jede dieser Einzelschilderungen auch als Illustration für die Kulturgeschichte des Zeitalters sein mag, so dürften sie hier zu zahlreich und für die geplante Anlage des Werkes viel zu umfangreich sein. Uns erlaubte schon der für eine Besprechung statthafte Raum nicht, auf Details einzugehen; wir beschränken uns deshalb auf einige kurze Bemerkungen über die Handhabung der Censur in den ver schiedenen Teilen des Reichs. Selbstredend war diese am strengsten in dem katholischen Süden. An Strenge allen voran gingen Österreich und Baiern, und zwar gebührt die Palme Baiern, dessen Regenten in erster Linie eigensüchtig ihre Hausinteressen verfolgten, daneben aber noch die der römischen Kirche im Auge hatten. Jahrhunderte lang war Baiern mehr als eine Provinz Roms denn als ein deutscher Staat zu betrachten. Es galt einen vollständigen Vernichtungskrieg gegen den Protestantismus zu führen, in welchem die 1557 gegründete Universität Ingolstadt einen stark befestigten Waffenplatz zugleich das Ausfallthor der Jesuiten bildete, von welchem aus sie den Kampf auf Leben und Tod unterhielten. Als 1564 der erste römische lacksx libroram probibitoram erschien, ließ Herzog Albrecht V. sofort denselben Nachdrucken und verbreiten. Ein Mandat von 1565 verordnete, daß katholische Schriften nur in München und Ingolstadt gedruckt, und daß von außerhalb Baiernserschienenen Schriftcnsnurdie auseinigenwenigen Städten stammenden öffentlich feilgehalten werden durften, über haupt wurde die Anschaffung von Büchern sehr erschwert, sodaß selbst Prälaten nur die von dem Juquisitionsgericht gutgeheißenen kaufen und lesen durften. Bei Todesfällen wurde in dem Nach laß streng nach verbotenen Büchern gefahndet, und die Erben hatten bei etwaigem Vorfinden solcher die Strafen zu verbüßen. Österreich hatte zwar dasselbe Ziel wie Baiern: seine dem Glauben abtrünnig gewordenen Unterthanen diesem wieder zu gewinnen und war ebenfalls nicht wählerisch in der Anwendung der Mittel. So gebot ein Mandat des Kaisers Ferdinand vom 24. März 1528, vierzehn Tage nach der Verbrennung Hubmayers (vgl.Artik. IV), daß Buchdrucker, welche sektiererische Schriften ver legten, sowie Buchführer, die sie verbreiteten, ohne weiteres er tränkt, die Bücher aber verbrannt werden sollten. Jedoch ver folgte Österreich, als mächtiger Staat, seine eigene Politik, die nicht selten mit der Roms in Kollision kam. Dies und ein tretende große politische Ereignisse, z. B. die unglücklichen Türkcn- kriege, hatten wenigstens zeitweilig Erleichterungen für die Presse
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