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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.01.1934
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- 1934-01-06
- Erscheinungsdatum
- 06.01.1934
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- Deutsch
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.X: 5, 6. Januar 1834. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. von Interesse der deutschen Leserschaft auf ausländische übersetzte Autoren gelenkt, aber doch nicht in einem Umfange, daß nicht auch die ausgezeichnetst»! deutschen Erzähler und Dichter in der gleichen Zeitepoche riesige Auslagen erleben konnten, man denke an Bonsels, Bloem, Hauptmann, Paul Keller, Hermann Hesse von Münchhausen, Ina Seidel,, von Molo, Frenssen, deren Auf lagen doch alle über 50 000 waren, das soll also heißen, die Über setzungen ausländischer Autoren haben der Verbreitung guter deutscher Volksliteratur nicht im Wege gestanden und ihr nicht den Aufstieg versperrt. Heute nun finde ich es sogar ausgezeichnet, daß wir die aus ländische Literatur kennen. Wir können heute behaupten, daß sie nicht besser war als die bürgerliche deutsche, und wir vermochten uns darüber ein selbständiges Urteil zu bilden, daß in den anderen Ländern von großer literarischer Tradition die Produktion der letzten Jahrzehnte auch gänzlich jenen absterbenden Charakter trug, der das Europa außerhalb der faschistisch-nationalsozialisti schen Revolution auszeichnet. Man kann es heute mit Bestimmt heit aussprechen und es literarisch belegen, daß aus dieser Art Kunst, Dichtung, Schriftstellerei keine wesentlichen Dokumente der europäischen Rasse mehr hervorgehen werden. Nehmen Sie in England Galsworthy, diese kapitalistische Fregatte, über des sen Familicntragödien heute bereits die Backfische lachen, oder diesen berühmten Lawrence, Erotiker mit Tannenduft, der die Dämonien des Menschen immer an die verkehrten Organe an setzt, oder selbst Joyce, der sein Leben lang diese eine litera rische Methode herunterklappcrt, die ein wirklicher Genialer in einem Buch realisiert und für die Öffentlichkeit klargestellt hätte; — nehmen Sie in Frankreich den alten Gide, der frühere ist be wundernswert, aber jetzt aus der einen Seite ein calvinistischer Puritaner und aus der andern ein pedantischer Exhibitionist; Balery, der es noch genau so mit »den Sinnen« und »dem Geist« hat wie Pascal, eine rein gesellschaftliche Arabeske, ein Nachzügler, der sich in der sublimsten Weise empfindet und sich und uns in der ernstesten langweilt; oder nehmen Sie Jules Romain,duGard,es sind alles dieselben Gesellschaststypsn, dieselben psychologischen Mixer, cs ist dieselbe hochstehende Sub- stanzlofigkeit, es ist Können, aber selbst in diesem Können bleiben sie Zwerge, gegen die Flaubert ein Troglodyt war. Mit einem Wort: cs ist dis europäische Makulatur, und es war vollkommen logisch, daß zu diesem Begriff von Kunst in den letzten Jahren auch die Photographen gerechnet wurden und die Filmoperatsuce, die Feuillctonisten und die Psychoanalytiker. Hierüber ein Urteil zu haben, ist doch für uns heute sehr wichtig, wo sich gerade diese Länder aus angeblichen geistigen und kulturellen Gründen so schroff gegen uns ftellens als ob sie allein die letzten geistigen Mysterien und produktiven Wundenmäle trügen, während am Rhein die Kirgisen beginnen, und wir alle hier in Turnschuhen und unter Kommersgesängen durch die Wälder schlurfen. Dem ist ja nun nicht so, wissen wir heute bestimmt, dort ist das Alte, und aus unseren Erschütterungen entstehen die Züge der neuen Welt. Ich möchte aber auch erwähnen, daß wir den Übersetzungen der Verlage doch auch vieles Positive verdanken: Sie haben immer wieder Hamsun gebracht, dazu den neuen Josef Conrad und den interessanten Ortega. Diese drei in ihrer Aristokratie un beirrbaren ausländischen Granden waren doch ganz außerordent liche Erscheinungen in dem mediocren europäischen Kunstbetrieb, und ich glaube, daß sie einen wesentlich größeren Anteil an der Auflösung des sozialistisch-demokratischen Weltbildes bei uns haben, als man heute sieht. Was die Zukunft angeht, so erscheint cs mir selbstverständlich, daß kein Buch in Deutschland erscheinen darf, das den neuen Staat verächtlich macht. Je strenger, einheitlicher, unerbittlicher dieser Grundsatz in der Richtung des Politischen von Verlegern und Buchhändlern durchgeführt wird, um so weitherziger wird man im Geistigen sein dürfen. Um so mehr wird man den Künsten jenen inneren Spielraum lassen können, den sie ihrem Wesen nach ja unbedingt brauchen. Die Dichtung braucht eine gewisse Experimentierbreite. Man gesteht der Wissenschaft ohne weiteres zu, daß sie in jahrelangen Experimenten Arbeitskräfte und auch öffentliche Mittel verbraucht, auch wenn von vornherein nicht feststeht, daß ein Resultat dabei herauskommt, ja, man übt keine Kritik daran, wenn sich nach Jahren herausstellt, daß gar kein wesentliches Resultat aus den Arbeitsanstrengungen hervorge gangen ist. Dies kann noch mehr die Kunst verlangen. Sie ist als Erscheinung etwas Problematisches, sie ist ihrem Wesen nach nicht so zielgerichtet und zweckbedingt wie die Wissenschaft, sie ist ja Ent faltung, Durchbruch, schicksalvolles Spiel eben erst beginnender, ungelöster, fragmentarischer Kräfte. Sie ist gewiß auch politisch, ja sogar eminent politisch, aber doch in anderem Sinne, als alle übrigen kulturellen und politischen Äußerungen es sind. Sie ist politisch innerhalb jener tiefsten Seinsschichten, in denen die wah ren Revolutionen entstehen, dort prägt sie um und macht jeden Rückschritt unvollziehbar. Totaler Staat, dieser großartige und neue Begriff, kann daher für sic nicht heißen, daß ihr Inhalt und Thema nur dieser totale Staat sein dürfe. Der totale Staat selbst ist ja ein Abglanz jener Welttotalität, jener substantiellen Einheit aller Erscheinungen und Formen, jener transzendenten Geschlos senheit eines in sich ruhenden Seins, jenes Logos, jener religiösen Ordnung, zu der die Kunst aus sich heraus mit ihren konstruk tiven Mitteln, also aus ihrem eigenen aufbauenden, hinreißen den und reinigenden Prinzip unaufhörlich strebt, die sie verwirk licht, die sie überhaupt der Menschheit erst in Erscheinung brachte. Ich gehe also noch weiter wie Edgar I. Jung, der in seinem Buch »Sinndeutung der deutschen Revolution« über die Kunst sagt: »Je weiter sich ein Lebeusgebiet von der politischen Gesetzmäßigkeit entfernt, je mehr es seiner Eigengesetzlichkeit unterliegt, um so gefährlicher wird die Gleichschaltung—«, ich vertrete die An sicht, daß der Kunst für die Zukunft sehr viel mehr vom Menschen, vom Volk, ja der ganzen neuen Rasse gehören wird als bisher; sic wird Funktionen sowohl des Religiösen wie des Philosophi schen wie des Politischen übernehmen, sie wird wieder jene pri märe anthropologische Einheit der nordisch-hyperboreischen Welt werden, die sie einst war. Man sollte sie also weniger kontrollie ren, als sich ihrer Intuition und Weltgestaltung überlassen. Ulrich Sander: „Wegbereiter der Zukunft." Wenn man selber ein kleiner Bauer ist, trotzdem schreibt und mehr schreibt, als man lesen kann, weil man kein Geld hat, Bücher zu kaufen, so erkennt man erst die Bedeutung des Buchhändlers. Es ist für einen lesehungrigen, aber armen Menschen noch mehr als für einen nicht ganz satt gewordenen Menschen, der mit Wasser im Munde vor einem Fleischerladen steht. Erst in der Armut habe ich dieselbe Sehnsucht nach einem Buch wieder gehabt, wie ich sie in einem fünfeinhalbjährigcn Kriege empfunden habe, in dem man jedes Wort auf die Goldwaage legte und viele einsame Nächte hin durch über einen Satz grübeln konnte. Der Buchhändler ist also für Hunger und Durst noch wichtiger als Brunnen und Bäcker. In den weiten Zielen, vor denen wir heute stehen, wird es keine durchschlagende Wirkung der Volksgemeinschaft geben, wenn sie nicht seelisch, charakterlich und geistig von dem ererbten Kultur gut, von den Kulturströmen der Gegenwart und von dem schwer ringenden Geist der Zukunft eines neu geschöpften Reiches satt werden kann. Der Mittler zwischen altem, gegenwärtigem und zukunststrächtigem Kulturgut ist der Buchhändler. Wenn man nun aber nicht nur hungrig vor dem Bücher fenster steht, hin und wieder vielleicht einmal ein Buch liest, son dern auch selber schreibt und damit sich zu den Dingen äußern will, kann man das nur mit dem gesprochenen Wort in den Ver sammlungen und dem gedruckten Wort in Zeitungen, Zeitschriften und in den Büchern tun. Der Verleger ist die Hebamme, der Buch händler aber das treue Mädchen, das dem Kind auf seinem Lebens weg weiterhilft. Als ich hörte, daß mein Buch »Pioniere« in Schweden und England überall ausläge und in manchen deutschen Städten zeitweise ausverkaust war, habe ich mich ungeheuer ge-
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