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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.01.1934
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- 1934-01-16
- Erscheinungsdatum
- 16.01.1934
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13, 16. Januar 1934. Redaktioneller Teil. v-rs«nblatt f. b.Dtschn vuchhanbrl. fast lückenlosen System geschäftlicher Bindungen gegenüber, er hatte kaum noch die Möglichkeit, vor einem größeren Kreis von Lesern das Wort zu nehmen. Schuldig waren einige Unternehmer, die an Stelle des Buch- Verlages das Buchgeschäft entwickelten. Das alte Verlegertum sah sich und seine ehrwürdige Tradition bedrängt von der Buch fabrik, die nach rein kommerziellen Grundsätzen geleitet wurde. Es entstand so eine neue Kunstgattung, die literarische Konfektion. Da nun die einzelnen Verlagsunternehmungen zwar dem An schein nach und für das uneingeweihte Publikum selbständig, in Wahrheit aber untereinander weitläufig verbunden waren, da sie außerdem einen großen Teil der Presse und damit der öffentlichen Meinung beherrschten, konnten sie für jede »Saison- einen lite rarischen Artikel samt der dazugehörenden Modeströmung plan mäßig erzeugen. Manches derartige Machwerk wurde mit allen Mitteln der Reklame zu phantastischen Auflageziffern Hochge trieben, und erst, wenn das Publikum den Schwindel zu bemerken begann, verschwanden Buch und Autor für immer. Das Geschäft war gemacht. Auch rechtschaffene Verleger sahen sich genötigt, dieses Schlagcrunwesen mitzumachen, einmal, weil sie ein kleiner Kreis von bibliophilen Außenseitern ja nicht über Wasser Hallen konnte und schließlich, weil auch die besten Bücher so kurzlebig geworden waren, daß ihre Wirkung kaum noch ein halbes Jahr überdauerte. Der Schlager beherrschte den Markt. Nicht die Qualität eines Buches, sondern die Geschicklichkeit, der Einfluß, die Finanzkrast des Unternehmers entschieden den Erfolg. Zwischen diesen Mächten eingekeilt, versah nun der Buch händler sein Amt. Presse und Kritik bestimmten die Meinung seiner Kundschaft so sehr, daß es sinnlos war, dagegen anzukämp fen, — sofern er sich überhaupt selbst jenen Einflüssen zu ent ziehen vermochte. Obendrein gab ihn die zunehmende wirtschaft liche Not mehr und mehr dem Unternehmertum Preis. Es ist wirklich nicht einzusehen, wie der Buchhändler von sich aus einciir so allgemeinen und tief verankerten Übel hätte abhelsen können. Wollte er nicht zugrunde gehen, so mußte er eben die Bücher führen und verkaufen, die ihm geliefert wurden und die ein wohl präpariertes Publikum verlangte. Er hatte die Ware weiterzu geben und wurde nach Prozenten entlohnt, so lange, bis ihm durch neue Formen der Rationalisierung, durch Verlagsbuch handel und Buchgemeinschasten auch diese Erwcrbsform be schnitten wurde. Bei dieser Sachlage ist es schon viel, wenn er so zusagen für sich, aus privater Liebhaberei und für einen kleinen Kreis treuer Kunden den verschütteten Schatz echter Dichtung hütete und bewahrte. Denn das muß gesagt werden: Es ist nicht zuletzt ein Verdienst des Buchhändlers, daß die deutsche Dichtung diese Periode des Verfalls überstand. Ich weiß viele zu nennen, die sich mit fanatischer Hingabe für Totgeschwiegene und Angefeindete eingesetzt haben, für Carossa, für Stchr oder Wiechert oder Schnack, und das in einer Zeit, die das Werk dieser Dichter mit dem Ausdruck »landwirtschaftliche Literatur- abzutun wagte. Gegen den redlichen Willen des deutschen Buchhandels ist auch heute kein Zweifel zulässig. Soll dieser Wille fruchtbar wer den, so müssen die Voraussetzungen von außen her geschossen wer den. Vor allem bedarf die literarische Kritik einer gründlichen Reform. Erfolgreiche Versuche, sie unabhängig von jeder finan zielten Bindung sachlich und würdig zu gestalten, werden bereits gemacht. Hier wäre durch die deutsche Dichtcrakademie noch große Arbeit zu leisten. Der Buchhandel hätte sich enger und umfassen der, als es bisher geschehen ist, ständisch zusammenzuschließen, der alte Gildengeist müßte wieder wach werden. Dann würde seine Tätigkeit nicht mehr jo ausschließlich durch die Interessen der Unternehmer bestimmt. Der Buchhändler fände wieder den Mut, eine eigene Meinung zu haben und durchzusetzen, selbständig zu sichten und zu werten, verständnisvoller Sachwalter des Dichters, verantwortlicher Berater des Lesers zu sein. Gegenwärtig fehlt ihm diese Freiheit noch in mancher Beziehung. Ist es nicht trost los, wenn in jeder beliebigen deutschen Stadt fast alle Buchhand lungen genau dieselben Bücher mit genau gleicher Aufmachung im Schaufenster zeigen? Es liegt bestimmt nicht im Plan der natio nalen Regierung, daß der Buchhändler kritiklos jedes dilettantische Machwerk übernehmen und vertreiben soll, wenn ein Hakenkreuz auf den Deckel gedruckt ist. Der Buchladen muß wieder zur Heimstätte aller geistig Inter essierten werden. Vom Buchhändler aber erwartet man, nach einem Wort von berufener Seite: »gerades, freies Bekenntnis zur Volksgemeinschaft, zum gesamten dichterischen Schassen der Nation in seiner ganzen Tiefe und Weite, aber auch zum einfachen Volks genossen, der ein Buch will, weil er eben als Deutscher Bücher braucht, uin leben zu können-. Lakob Schaffner: „Oer neue Äuchhändler." Daß der heutige Buchhändler sich dem neuen Staat unbedingt einordnen muß, ist eine Selbstverständlichkeit, über die man nicht besonders zu sprechen braucht, über das Wie werden bestimmt die Meinungen auseinandergehen. Es wird Buchhändler geben, die sich ziemlich willenlos und ohne eigene Persönlichkeit einer Sache unterordnen, die sie für das neue herrschende Dogma halten, genau wie viele sich früher willenlos der herrschenden Mode unterwarfen und ihre Läden mit deren Erzeugnissen füllten, wäh rend man deutsche Dichter bei ihnen ganz umsonst erfragte. Es kann Vorkommen, daß es sich bei beiden Spielarten um dieselbe Person handelt; man hat sich in diesem Fall einfach umgestellt und glaubt wieder im Fahrwasser zu treiben. So einfach wird die Sache nicht sein. Ich halte die Aufgabe des Buchhändlers gegen wärtig für schwer. Er soll dem deutschen Buch und eigentlich be sonders der deutschen Dichtung dienen, und er soll dabei auch sein Geschäft machen und sein Brot finden. Inwiefern er das kann, hängt wesentlich vom Kaufwert der deutschen Dichtung ab, von ihrer Verlockung und ihrer Werbekraft. Ob dem deutschen Schrift tum sehr damit gedient ist, daß gerade jetzt alle Schaufenster zur Hälfte mit dem neuesten Buch eines ausländischen Erzählers gefüllt sind, ist eine Frage für sich. Mag er so gut sein, wie er will, so geht die Wirkung dieser Riesenreklame doch darauf hin aus, im Betrachter des Schaufensters ein günstiges Vorurteil für das fremde Buch zu erzeugen, das natürlich auf Kosten von vielen einheimischen Büchern tätig wird. Ich führe den Fall an, weil ich sinde, daß eine glcichstellende ein- oder zweimalige Auslage des fremden Buches zwischen den einheimischen das Richtige und Taktvolle gewesen wäre. Wie aber soll sich der Buchhändler innerhalb der deutschen Produktion Verhalten? Da scheint es zunächst notwendig, einen wirklich geschulten Stamm von Verkaufspersonal zu besitzen. Warenkunde und Berufsbildung ist bei jeder andern kaufmänni schen Branche selbstverständlich. Ich weiß, daß in den letzten Jah ren in dieser Richtung einiges getan wurde, und die nationale Erziehung des neuen Staates wird sicher noch das Ihre hinzu fügen, ohne hoffentlich den Spielraum der Persönlichkeit merk lich einzuengen. Auf diesen Spielraum kommt alles an. Wir hören immer wieder, daß bei der nationalen Durchkultivierung von Volk und Wirtschaft die individuelle Unternehmung nicht bloß nicht gestört, sondern gerade freigemacht werden soll, und es ist notwendig, daß der neue Buchhändler den Mut faßt, diese Botschaft voll auszuwerten, anstatt sich etwa blind und passiv einem engen Gedankengang zu überlassen, den er für den behörd lich geforderten hält, oder gar sein Heil einseitig von der ano nymen Unterminierung der wenigen noch existenzfähigen fremd- blütigen Buchhändler und Verleger zu erwarten. Sein Heil kann ihm nur von sich selber kommen, von seiner persönlichen Einfüh lung, Begeisterung, Berufsbildung, Begabung, Weite und Schwunghostigkeit. In Rußland herrscht ein Dogma unwider- sprechlich und sind die mißliebigen Figuren im Staat klassen mäßig ausgerottet, und alles das hat das russische Volk noch nicht wieder wohlhabend und glücklich gemacht. Der Mensch ist vielfältig, das Leben mannigfach, und die Möglichkeiten aus allen Begegnungen und Durchschneidungen kann man getrost als un begrenzt betrachten. Diesem Umstand muß sich die menschliche Unternehmung unpassen. Der Nationalsozialismus will ja keine nationale Verengung sein, sondern er strebt ausdrücklich ins Weite und Große, in die Weltbeziehung und Weltbedeutung. Einst weilen hat sich das der bürgerliche Mensch noch nicht klar genug 42
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