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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.01.1934
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- 1934-01-16
- Erscheinungsdatum
- 16.01.1934
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- Deutsch
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X« 13, 16. Januar 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DtschnBuchhandel. gemacht; manche wollen päpstlicher sein als der Papst, und sie bezahlen es mit dem Verzicht auf ihre persönlichsten Kräfte. Absolut notwendig must sich allerdings dieses ewige Recht über dem eindeutigen und klaren Erfassen der Tatsache bewegen, daß der Mensch zwischen Alpen und Nordsee zunächst ein deut scher Mensch ist, der wieder in seine Hoheit eingesetzt werden will, bevor er darangehen kann, seine geschichtliche Aufgabe in Europa ünd in der Welt zu erfüllen. Voraussetzungslos wird man künftig nicht mehr handeln und wandeln können, und das ist gut so, weil cs eine Krastballung bringen und durch die einheitliche Richtung eine neue geschichtliche Dynamik ermöglichen wird. Der Buchhänd ler wird daher vor seinem Gewissen nicht mehr wie früher die wahllose Führung und Pflege von allem, was Geschäft bringt, verantworten können, ob es seelenmörderisch und volkszerstörend war oder nicht. Wie jede andere Branche sich auf dem Begriff der Qualität aufbaut, so wird auch der neue Buchhandel seinen Qualitätssinn vertiefen und sein Ethos verschärfen. Ich denke, man wird es ihm nicht besonders predigen müssen, der Zug der allgemeinen Erweckung, der jetzt durchs Volk geht, wird auch ihn nicht unberührt lassen. Dabei muß nur nicht übersehen werden, daß dieser Zug zwar eine ausgemachte Zuchtbcwegung ist, aber auch eine ebenso ausgemachte Freiheitsbewegung. Freiheit nicht verstanden als Zuchtlosigkeit und Lausenlassen, sondern als per sönlichen Spielraum in Wahl, Ausschließung und Ergänzung in nerhalb der Gesamtbewegung und in ihrem Generalsinn, der Wesensart des einzelnen und seiner besonderen Lage angepaßt. Vornehmster Grundsatz auch hierbei bleibt immer die Erkenntnis von Qualität und Hochleistung und das Zubekenntnis dazu — ein Grundsatz, der früher keineswegs sehr mächtig durchgesetzt war. Ich selber habe lange Jahre im Verbandslcben gestanden und die Dinge auch drüben beobachten können, wobei mir mit zu nehmender Unruhe das Bestreben ausgefallen ist, sich möglichst vollkommen im gewerkschaftlichen Gesichtskreis unterzubringen und in der Organisation eine Lebensversicherung zu finden, die eine individuelle Entfaltung möglichst überflüssig machen sollte. Diesem Engsinn ist nun ei« neues nationales Ideal entgegen gesetzt, und man wird nun also nicht den alten Engsinn mit einem neuen zu vertauschen streben, um wiederum unterzukommen und sich zu versichern, sondern man wird die schöne Herausforderung annehmen und sich wieder auf seine enge Begabung und seine sittlichen Kräfte stellen. Die Überlagerung von Handel und Wandel mit einem all gemein gültigen Ideal ist ja überhaupt eine Neuheit im euro päischen Dasein und ganz besonders im deutschen. In Frankreich war der Buchhandel ganz selbstverständlich französisch; wer will behaupten, daß der deutsche ganz selbstverständlich deutsch war? Es hat einer ganzen Revolution bedurft, um diesen Naturgrund- satz wieder zur Geltung zu bringen. Aber er soll ja erst die Vor aussetzung sein für einen zweiten höhergelagerten Begriff und sogar für einen dritten. Der zweite heißt: Alles sür das deutsche Volk. Dem Buchhandel ist heute eine Sendung Überbunden wor den. Er ist nicht bloß mehr ein Beruf, sondern er hat einen Beruf: Er soll in der vordersten Linie helfen am kulturellen Wie deraufbau des Volkes. Wie er das machen soll, kann ihm im ein zelnen nicht befohlen und nicht einmal geraten werden. Man kann Ihm immer nur wieder sagen: Neben der Allgemeinrichtung nicht die Freiheit vergessen, neben der Sicherung durch die Staats autorität nicht die persönliche Entfaltung und nicht über der Tagcscrfordernis die ewigen Werte, womit ich natürlich nicht die historischen meine, sondern diejenigen, wie wir ohne Überhebung sagen dürfen, die auch heute noch erzeugt werden. Das aber führt schon zum dritten übergelagerten Begriff: Alles, was heute in einem Volk geschieht und weiter geschehen soll, muß eine solche Artung und Richtung haben, daß es europäische und universale Angelegenheit wird. Es liegt in der Gesinnung, in der inneren Stimmung, in der Haltung, im Unnachweislichen und Unfaß baren, was ja immer des Deutschen stärkster Besitz und größter Zauber war. Predigen ist gar nichts, aber Gefühlscrweckung ist schon halbe Schöpfung. Fördern wir nicht so sehr das Geschriebene und Gesagte als das Geschaffene und Gestaltete. Das ist Werden. Das ist Wachstum. Das ist Glück. Schauen, begreifen, und dann hingehen und dasselbe auf eigene Art tun! Georg Grabenhorst: „Geistige Sünden". Ihre Anfrage ist nicht so leicht zu beantworten, wie sie ge stellt ist. Ich habe vor ein paar Tagen in einem Kreis von Schriftstellern gesagt, daß ich, wenn es darauf ankommen sollte, irgendwo die Schuld sür die seelische Verbildung und Zersetzung, die Selbstentfremdung des Volkes in den letzten vierzehn Jahren zu suchen, jedenfalls zuerst an die geistigen Arbeiter denken müsse, daß diese in ihrer Gesamtheit jedenfalls den größeren Teil der Schuld tragen und darum heute mehr als jeder andere wie der gutzumachen hätten. In welcher Form man indessen geistige Sünden und Schulden begleicht und wieder gntmacht, dafür gibt es kein Rezept, dafür kann es überhaupt kein anderes Prinzip geben als das der tatsächlich erlebten Erschütterung und Er weckung, die einmal, irgend einmal auch im Werk künstlerisch zum Ausdruck kommen wird. Die literarische Konjunktur »Blut und Boden« ist mir höchst widerwärtig und verdächtig. Wer als Städter die Sehnsucht nach dem Lande, nach den einfachen und großen Dingen des Lebens nicht schon immer in sich getragen hat, der wird sic nicht lernen können. Ich halte es aber für möglich, daß die politische Revolution auch manches verschüttete Gemüt wieder aus seiner Ohnmacht emporreißt und zur Besinnung bringt auf die »Starken Wurzeln seiner Kraft». Was ich hier vom Schriftsteller gesagt habe, das würde ich mit derselben Schärsc und Berechtigung auch vom Buchhändler zu sagen haben. Ich habe nach dem Kriege eine Art von Buch händlern kennengelernt, die der städtischen Inflation des Geistes in einer geradezu schamlosen Weise verfallen waren, und die durch ihre Schlüsselstellung vor dem Leserpublikum eine wirk lich volkszerstörende Tätigkeit entfaltet haben. Ihre Schaufenster waren nach dem Umsturz sogleich mit nationalsozialistischer Lite ratur wohlangefkllt. Sie waren gewöhnt, die Konjunktur des Marktes zu benutzen und die »kleine Verwirrung der deutsche» Geister« nicht so genau und tragisch zu nehmen, zumal sie selbst ja imstande waren, ein ironisches Verständnis dafür jedenfalls aufzubringen. Im übrigen denken sie nicht daran, in ihrem Aller- heiligsten, in dem Kabinett für ihre Freunde, ihre alte Gesin nung des Intellektuellen und Literaten aufzugeben. Ich zweifle daran, daß diese den Weg zurückfinden; man muß aber bei der großen Mehrzahl der anders gearteten Buchhänd ler, derjenigen, die in dem geistreichen Literaturbetrieb der letz ten Jahre nicht aufgehört haben, die leise einfache Stimme des Herzens zu hören, dieses eine Wesentliche berücksichtigen: den Ansturm der Bücher, dem auch der beste Wille des Buchhändlers, selbst zu lesen und zu urteilen und so aus eigenem Gewissen zu empfehlen, nicht mehr gewachsen ist. Die Frage, wie sich der Buch händler um eine klare und freudig bejahende Haltung dem neuen Staat gegenüber bemühen soll, scheint mir in seinem Beruf an dieser Stelle am deutlichsten hervorzutreten, wo es darauf an kommt, sich der Flut der Neuerscheinungen gewissermaßen cnt- gegenzustemmen wie ein Wehr, das Wertlose abzufangen und das Gute und Tüchtige in den Strom des Lebens, d. h. an die Kunden, weiterzuleiten. Wenn cs nicht möglich ist, daß der Buch händler wieder selbst ein unmittelbares Verhältnis zur Literatur gcwinnt, wenn er nicht wieder in den Stand gesetzt wird, sich auch init dem Herzen cinzusetzen für etwas, das er als wichtig und wesentlich erkannt hat, dann wird er seine Aufgabe dem kul turellen Willen des neuen Staates gegenüber kaum erfüllen können. Der Buchhändler hat im Bereich der Literatur nach meinem Empfinden dieselbe Verantwortung wie im kirchlichen Leben der Pastor und wie im profanen Leben der Familie der Arzt. Ich habe das Zutrauen, daß sich der deutsche Buchhändler in seiner überwiegenden Mehrzahl dieser Verantwortung, deren neue Er- süllung er der Revolution zu danken hat, bewußt ist und sich ihrer würdig erweisen wird. 43
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