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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.01.1934
- Strukturtyp
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- 1934-01-18
- Erscheinungsdatum
- 18.01.1934
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- Deutsch
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15, 18. Januar 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Leistungen und Aufgaben des deutschen Buchhandels in Südosteuropa. Von Di-. Friedrich W a l l i s ch. (Nachdruck verboten.) Die neuen Aufgaben des deutschen Auslandbuchhaudels im Siid- osten, also etwa in dem Gebiete zwischen der Leitha und dem Bospo rus, wurzeln in einer Überlieferung von außerordentlicher Tiefe und Fruchtbarkeit. Wir dürfen ohne weiteres behaupten, daß das deutsche Buch als Kulturträger nirgends sonst auf Erden jenseits der geschlossenen deutschen Siedlungsgrenzcn so viel Werte geschaffen hat wie in den Sü dost lan de r n. Für diese Tatsache, deren Wichtigkeit gar nicht stark genug betont werden kann, gibt es zwei Ursachen: die eine liegt in den geographischen Verhältnissen, die andere ist kulturge schichtlicher Art. Das deutsche Mitteleuropa läßt sich in groben Umrissen unge fähr einem Quadrat vergleichen, das nach drei Seiten durch scharf gezogene Grenzlinien abgeschlossen ist, im Norden durch das Meer, im Westen durch den Rhein und im Süden durch die Alpen. (Man wird bei einem so allgemein gehaltenen Bilde davon absehen müssen, daß das historische Siedlungsgebiet da und dort mit be trächtlichen Ausläufern über diese Linien hinweggreift.) Im Qsten aber hat jenes »Quadrat« überhaupt keine erdkundlich feststellbare Grenzlinie. Hier also klafft die dreiteilige Klammer und läßt den ein- und ausflutenden Kräften freien Spielraum. Aus diesem offe nen Q st e n strömten einst die Wellen asiatischer Völkersluten nach Mitteleuropa herein, und durch dieselbe Pforte konnte der Überdruck des deutschen Kulturwillens den Weg ins Kolonisatorische nehmen. Aber während im Nordosten nur das Passive — das Fehlen geo graphischer Widerstände — eine derartige Ausbreitung förderte, trat im Südosten noch ein aktives Moment dazu, der Wasser- und Ufer weg der Donau — die N i b e l u n g e n st r a ß e. Kulturgeschichtlich betrachtet zeigt sich das Bild in ähnlicher, noch deutlicherer Formengebung. An den drei geographisch geschlossenen Seiten des deutschen Siedlungsguadrats stehen starke, dem Deutsch tum mehr oder weniger fremde Kulturen. Im Norden ist es die ihm wohl stammverwandte, aber eigenkräftige skandinavische Geistesbil dung, im Westen und Süden türmt sich das kulturell ungemein lebensvolle Romanentum auf. Nach all diesen Richtungen konnte also nur ein Austausch vor sich gehen, der für keinen der Beteiligten einen nennenswerten »Ausfuhrüberschuß« ergab. Im Osten lagen die Dinge von jeher anders. Nach dem Nordosten war wohl eine koloni satorische Ausbreitung deutscher Kulturwcrte möglich, also um wieder dem Volkswirtschaftlichen einen Ausdruck zu entlehnen - ein Ausfuhrüberschuß. Die festgefügte nationale Masse des Russcntums machte sich hier jedoch allmählich als Hemmnis für eine Ausbreitung des mitteleuropäischen Kultür-»Exports« fühlbar. Anders verhielt es sich mit dem Südosten. Die fünfhundertjährige Herrschaft der Os- mancn schuf keine autochthone Kultur. Die Türken trugen asiatische, vorwiegend arabische Elemente des Geisteslebens nach Europa, bis an die Grenze des geschlossenen deutschen Siedlungsge bietes. Aber die vorderasiatischen Kulturelemente faßten hier niemals Wurzel. Ja die Türken, die in dem slawischen, romanischen, illyrischen, madjarischen und hellenischen Südosten unseres Erdteils lediglich eine Oberschicht von Offizieren und Beamten bildeten, hatten über haupt nicht den Ehrgeiz, ihre Lebensmaxime der beherrschten fremd- rassigen Bevölkerung aufzudrängen. Sie waren keine Proselyten macher. Dies allerdings nicht etwa aus Duldsamkeit, sondern ledig lich auf Grund ihres Herrenbewußtseins. Die artfremde Oberschicht wachte streng darüber, daß die Unterschicht in wirtschaftlicher und moralischer Abhängigkeit verharrte. Es ist ein Beweis für die hohen geistigen und seelischen Fähigkeiten der Südostvölker, daß sie dennoch bedeutende kulturell-künstlerische Werte geschaffen haben. Gerade der Druck, der auf ihnen lastete, gab ihren Schöpfungen eine besondere sittliche Leuchtkraft. Immerhin blieb, wenn man von solchen Einzel- leistungcn absieht, die Entwicklung des geistigen Lebens aufs schwerste gehemmt. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, ja zum Teil erst knapp vor dem Weltkrieg, wich der Druck, der die Kul turkeime getötet hatte. So also mußte sich der Südosten für die räum lich nahe Geisteswelt des Deutschtums besonders empfänglich er weisen. Es war ein wasserarmer durstiger Boden, der den befruchtenden Regen gierig einfog. Und hier nun erwuchs dem deutschen Buchhandel eine Aufgabe von einmaliger Bedeutung und Größe. Niemand kann daran zweifeln, daß er sich dieser Aufgabe gewachsen gezeigt hat. I n planmäßiger, emsiger Arbeit vermittelte der deutsche Buch- und Zeitschristenhandel den Kulturhungrigen deutsche Lite ratur, Kunst und Wissenschaft. Auch ein erheblicher Teil der nicht- 52 deutschen Weltliteratur gelangte auf demselben Wege in den geistig befreiten oder um seine Befreiung ringenden Südosten, sei cs im Ur text, sei es in deutschen Übersetzungen. Eine Aufgabe von höchster Wichtigkeit fiel dabei dem ö st e r r ei ch i sch en Buchhandel zu. Wiener Grossisten und Auslieferer stellten ihre Kenntnisse der örtlichen Besonderheiten in den Dienst des reichsdeutschen Verlages. Wiener Verleger, die die Sendung ihrer Stadt für die Südostländer voll erfaßten, brachten eine Fülle von Literatur heraus, die auf verschiedenste Art den betreffenden Völkern diente. Zumeist in deutscher Sprache wurde hier die Balkankunde, Volks- und Kunstdichtung, Folklore, Naturwissenschaft, Geschichte usw. des Balkans systematisch ausgebaut. Nicht zu vergessen jene Verleger und Sortimenter, die als wahre Kolonisatoren Filialbe- triebe nach dem Südostcn verlegten oder aber selbst dahin übersiedcl- tcn und so ihre ganze Person als Einsatz brachten. Ungarn, das wir wohl zum Südosten, nicht aber zum Balkan zählen können, hatte in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmestellung. Hier war die türkische Oberhoheit, weltgeschichtlich betrachtet, nur eine Episode. Die staatliche und nationale Substanz blieb vorhanden, wenngleich sie zu Zeiten von der Macht der deutsch-habsburgischen Residenzstadt Wien fast bis zur Unkenntlichkeit überdeckt wurde. Bis ins letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts stand das Geistesleben der größeren ungarischen Städte unter stärkstem deutschen Einfluß, lind deshalb hatte ebenso lange auch der Verlags- und Sortiments buchhandel in deutscher Sprache die wichtigsten Stellungen fest in der Hand, aus denen er dann aber Schritt für Schritt verdrängt wurde. Viel später als in Ungarn vollzog sich dieser Rückzug in den slowe nischen und kroatischen Gebieten. Im Nachkriegsrumänien gibt Sieben bürgen mit seinen alten deutschen Siedlungen dem deutschen Buch handel eine verläßliche Stütze. * Es ist klar, daß die Aufnahmefähigkeit und Empsangsbereitschast der Südostvölker die Expansion auch anderer Kulturkreise, nicht nur des deutschen, anregte. Zugleich mit den politischen Ansprüchen des Zarenreiches auf die Westküste des Schwarzen Meeres und des Bal kans trat die russische Geistesbildung werbend in Erscheinung. Die kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Rußland und Bulgarien waren überaus tief und reichten weit über die türkische Zeit zurück. In Serbien bildete erst nach der letzten Jahrhundertwende die Politik die stärkste Triebfeder für die geistigen Bindungen an den großen russischen Stammesverwandten. Rumänien leistete als romanisches Land dem kulturellen Tatwillen seines nördlichen Nachbarn beträcht lichen Widerstand. Über die räumliche Trennung hinweg schlug das Numänentum eine Brücke zu dem ihm vertrauter scheinenden Paris. Und damit nun stoßen wir zum ersten Male auf die merkwürdige Erscheinung des außerordentlich starken geistigen Einflusses, mit dem Frankreich allmählich den ganzen Südosten überzogen hat. Wir begegnen ihm, abgesehen von Rumänien, in der Türkei, in Serbien, etwas weniger deutlich in Bulgarien und schließlich in Griechenland. Hier, in Griechenland, haben verschiedene internationale Einflüsse die nachhaltigste Wirkung hervorgerufen. Die offene maritime Lage, die Erringung der staatlichen Unabhängigkeit mit Unterstützung von An gehörigen der Westmächte und schließlich das Interesse aller Euro päer für die Heimstätte der abendländischen Kultur haben zusammen gewirkt, dieses Land, oder zumindest die geistige Oberschicht seiner Be völkerung, in engste Beziehungen zur großen Welt zu bringen. Einen entscheidenden Einfluß konnte sich hier das Deutschtum durch die grundlegenden archäologischen Forschungsergebnisse der deutschen Wissenschaft sichern. Daraus erwuchs, allein Internationalismus zum Trotz, eine wahre Vormachtstellung der deutschen wissenschaftlichen Literatur auf hellenischem Boden. Selbst die flüchtigste Skizze der kulturellen Einflüsse im Süd osten und der Grundlagen des Auslandbuchhandels in diesen Ge bieten muß schließlich noch die gewichtige Nolle Italiens berücksich tigen, die örtlich, geschichtlich und zuletzt auch machtpolitisch bedingt ist. Besonders in jüngster Zeit wird hier die Ausbreitung der italieni schen Sprachkenntnisse und der italienischen Bücher- und Zeitungs produktion mit stark betonter Planmäßigkeit unter einheitlichen Ge sichtspunkten betrieben. Wie bereits angedeutet, hatte der deutsche Buchhandel vor allem in den Slldostländern der Habsburger Monarchie durch Generationen hindurch einen schweren Abwehrkamps zu führen, bei dem er eine Stellung nach der anderen räumen mußte. Man hat ihm da und dort sein Verhalten in diesem Nückbildungsprozeß durchaus zu Unrecht übel vermerkt, denn der an sich beste, leistungsfähigste Arm muß kraftlos werden, wenn der Körper versagt, dem er zugehört. Das alte Österreich hat für das Geistesleben der Südostvölker Ent scheidendes geleistet, vorwiegend durch den Einsatz seines deutschen Potentials. Aber Österreich hat weder die Macht noch den Mut auf-
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