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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.11.1887
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1887-11-07
- Erscheinungsdatum
- 07.11.1887
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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Nichtamtlicher Teil. Von der Grenze der Makulatur. Ein antiquarischer Versuch von Heinz Hosseguth. Bereits als Schüler lernt man, daß das Ende des Mittel alters in die Zeit fällt, in welcher die Erfindung der Buchdrucker kunst, des Schießpulvers und die Entdeckung Amerikas der Welt eine neue Physiognomie gaben, und die verschiedene Wichtigkeit dieser drei Faktoren wird einem danr. auseinandergesetzt. Die Buchdruckerkunst wird gewöhnlich als das bedeutendste dieser drei Ereignisse hingestellt, und die Wirkungen, die sie auf Er ziehung und Bildung, auf Verallgemeinerung der Wissenschaft, auf Verbreitung von Aufklärung u.s. w. gehabt, werden iy das glänzendste Licht gestellt, so daß man gewöhnt ist Gutenbergs Erfindung als die größte Errungenschaft des menschlichen Geistes in allen Zungen preisen zu hören. So hat denn sicherlich schon ein jeder von uns etwas Lobendes über sie gehört, aber schon jemand einmal einen Tadel?? Gewiß nie! Und doch, sollte denn, wo so viel Licht ist, gar kein Schatten sein? Welche menschliche Erfindung, welche menschliche That wäre wohl ganz vollkommen? Wir meinen nicht nur, daß ihr etwa noch Unvollkommenheiten an haften können, sondern daß sie im Gefolge großer Vorzüge auch große ^Nachteile haben müsse. Sollte wohl die Er findung der Buchdruckerkunst davon die einzige Ausnahme bilden? Sicherlich nicht, aber dennoch wollen grade wir sie lieber nicht untersuchen; wie leicht könnten sonst wir, die wir ja selbst dieser Erfindung den uns so lieb gewordenen Beruf verdanken, in den Verdacht eines Finsterlings geraten. Indessen — vieles andere für jetzt verschwiegen — mit einem Nachteil, sagen wir meinetwegen einer Unvollkommenheit, müssen wir uns doch beschäftigen, nämlich mit den schlechten Büchern, welche die völlig unparteiische Buchdruckerpresse mit den guten finem Durcheinander auf den Markt bringt! Schlechte Bücher?! Wer hätte noch nie über sie geklagt, wer sie noch nie verwünscht, und doch, kann uns wohl jemand ganz präcis sagen: was ist ein schlechtes, wertloses Buch? Eine Frage, eines Hamlet würdig! Ein wertloses Buch! Von dem höchsten Standpunkt idealster Theorie betrachtet ist ja eigentlich kein Buch schlecht- oder wertlos, keines; es hat jedes Interesse und Wert, sei es für die Zeit, in der es entstand, sei es für eine Richtung, die es vertrat; Richtung und Zeit mögen nun so veraltet, so verfehlt oder so verworfen gewesen sein wie immer sie nur wollen. Wenn nun aber für den Gelehrten, wir setzen einen Universallitterarhistoriker, jedes litterarische Erzeugnis von einem gewissen relativen Werte ist, wie kann man dann von wertlosen Büchern sprechen wollen? Nun wir sind ja als Antiquar kein Gelehrter und schränken unsre Frage daher dahin ein: was ist für den Antiquar ein wertloses schlechtes Buch? Unsre Frage ist darum nicht weniger schwierig zu beantworten. Wäre sie so ganz leicht, gäbe es z. B. auch einen Brunet der wert losen Bücher, ja dann wäre das Antiquariat ein Kinderspiel, nach derselben Methode zu erlernen wie etwa »Französisch in zwei Mal 24 Stunden« oder »Der kleine Franzose in der Westen tasche«. Nicht bloß vom gelehrten Standpunkt, sondern auch vom kaufmännischen aus muß man ja sagen: es hat ein jedes Buch einen gewissen Wert; ein medizinisches Handbuch von anno 1800 ist gewiß total veraltet, aber historisch bleibt es interessant oder wird es zweifelsohne einmal werden; eine alte Schulgrammatik, die längst überholt ist, bleibt kurios für die Methode, nach der unsre Voreltern einst zu lernen hatten, mit andren Worten eben auch für die Geschichte, und der enthusiastische Antiquar, denn es giebt auch solche, wird beide aushcben, während der nüchterne sie wegwirft, es dem andren überlassend, sich sein Lager mit altem Zeug vollzustopfen, das ja beliebig imaginär beziffert werden kann, abr trotzdem wertlos ist und zunächst bleibt; — für eine vormszusehende Zukunft sorgen ist gewiß berechtigt, aber schon ür Ur-Urenkel aussammeln wollen ist Utopie, wenn nicht Thacheit. Unsre Frage ist eben nicht mit zwei Worten zu beant worten; sind es dock zu viele Faktoren, die dabei mitsprechen. Da ist z. B. gleich einmal die Mode, und mit ihr wollen wir beginnen; herrscht sie doch in der Litteratur nicht weniger un umschränkt als in der Toilette, und ihrer bizarren Laune kann es gefallen, das »wertlos« von heute in ein »wertvoll« für morgen zu verwandeln. Vor dreißig, vierzig und mehr Jahren wurde vieles ge sammelt, was heute vergessen im Winkel liegt, und damals ver nachlässigte man Dinge, welche die Sammler heute mit Gold aufwiegen; wir wählen beispielsweise den berühmten »Uatüssisr tranoo^s« der Elzeviere. Die ersten Auslagen des Brunet igno rieren ihn, eine spätere führt ihn dann auf und zwar glaubt der Verfasser sich noch entschuldigen zu müssen, daß er ein der artiges Buch seinem Iräsor einverleibe, »aber«, sagt er, »ich muß wohl dem Drängen der Liebhaber nachgeben, und diesen seltensten Elzevier aufnehmen; ist er doch jüngst in öffentlicher Auktion mit 101 Francs bezahlt worden«, und er begleitet dies ihm unerhört scheinende Faktum mit Ausrufungs- und Frage zeichen. Was würde wohl Brunet gesagt haben, hätte er es noch erlebt, daß dieses selbe Merkchen in einem der letzten Kata loge der Firma Damascäne Morgand mit 10 000 Francs an gesetzt war, und — dieses wäre ja noch das wenigste —, auch zu diesem Preise verkauft worden ist! Eine Anleitung zum Pastetenbacken, auf schlechtes Papier gedruckt, wenige Bogen stark!! Und dabei hat Willems' vorzügliche Monographie den Nimbus von »rmiorcs«, der um dieses Büchlein schwebte, längst zerstört; hat er doch nachgewiesen, daß man ca. 30 Exemplare davon kennt. Zweifellos würde der Laie oder ein ungeübter Antiquar, dem der Zufall dieses Buch und vielleicht, wie es ja nur seiner einstigen Bestimmung entsprechen würde, in nicht ganz sauberem Zustand in die Hand führte, es wegwersen, zweifellos; denn ein Unbefangener, den Mysterien der Sammlerei fremd, kann nicht ahnen, daß die Marotte, wir können es nicht anders nennen, den äußeren Wert in geraden Gegensatz zu seinem Innern stellt. Und diese Beispiele aus alter Zeit ließen sich leicht ins Unendliche vermehren. Hoffmann von Fallersleben erzählt in einer Autobiographie, wie er einst ein altes Stammbuch mit Malereien und Inschriften berühmter Personen als Makulatur geschenkt erhalten habe! Wie hoch würde sich wohl dies Stamm buch heute werten, wo 200, 300 und mehr Mark für derlei antiquierte Freundschaftsergüsie noch kein Preis zu sein scheinen. Es waren eben schöne Zeiten vor sechzig, siebzig Jahren, als während der napoleonischen Wirrnisse und des ihnen fol genden Zeitraumes die Wallras, Derschau, Nagler, Boisseröe, Weigel mit feinem Verständnis ihrer Zeit vorauseilend aus dem allgemeinen Schiffbruch des Alten das retteten und wohl meist mit wenig Mühe uüd Kosten, was erst eine spätere Zeit nach einem vollen Wert zu würdigen verstand. Wenn man heute liest, daß einst eine alte Frau zu Herrn von Nagler, der damals preußischer Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main war, kam und ihm eine ganze Schürze voll Kupferstiche und Holzschnitte von Dürer, Altdorfer, Beham u. a. brachte mit der Frage, ob er für dies alte Zeug, wovon sie noch mehr besäße, wohl ein paar Groschen geben wolle; wenn man das liest, sagen wir, und den heutigen Marktpreis dieser Kunstblätter bedenkt, schüttelt man da nicht den Kopf über den damaligen Begriff von wertlos? Und zugegeben selbst, daß es Laien waren, die so handelten, auch die Kunstverständigen, Händler wie Liebhaber, waren von
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