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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.07.1919
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- 1919-07-24
- Erscheinungsdatum
- 24.07.1919
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Redakttoneller Tetl. X- 155, 24. Juli 1919. auflagen heraus. Die Mehrzahl der Kriminalgeschichten der Jahre 1913—14 kommt auch nicht von Verlegern wie Lutz und Engcihorn, die bei ihren Detektiv- und Verbrcchergeschichten doch immer ein gewisses nicht allzu lieses literarisches Niveau ein zuhalten bemiiht sind, sondern es handelt sich um Serien wie »Tribunalbibliothek«, »Zehn-Pfennig-Bibliothek«, »Kriminal romane aller Zeiten« u. dgl. Das; die Herausgeber dieser Serien sich ihren Stoff vorzugsweise aus angelsächsischen Quellen holen, charakterisiert natürlich vor allem ihre Leser, und wie der kleine Kreis moderner Ästheten sich durch den Krieg nicht beirren ließ und dem neuen Stern Paul Claudel weiter huldigte, so blieb auch der »bürgerliche« Leser seinen englischen Detektiv-Geschich ten treu. Ja, er mag vielleicht an den in diesen Büchern ge schilderten Verbrechen seine Schlüsse auf die allgemeine sittliche Verworfenheit der Engländer gezogen haben. Zu den 52 Kriminalromanen kommen dann 40 Bücher mehr oder weniger zweifelhafter Unterhaltungslektüre. Daran reihen sich die literarisch schon höher zu bewertenden See- und Aben- teurergeschichten von Marryat, Russell u. a. (insgesamt 12 Bü cher), 5 Bände der bekannten Tiergeschichten des Amerikaners Ernest Seton-Thompson (Jack London scheint merkwürdiger weise in Deutschland kein größeres Publikum gefunden zu haben) und 15 Romane mit ausgesprochen christlich-erbaulicher oder katholischer Tendenz. Die Literatur in höherem Sinne ist durch 74 Bücher ver treten. Und es ist eine sehr gemischte Gesellschaft, die wir hier vor uns haben. Ältere Dichter — Bcaconsfield, Bulwcr, Brow ning usw. - wiegen vor. Sehr groß ist immer noch das Inter esse für Dickens, von dessen Werken zwei deutsche Gesamtaus gaben (Insel-Verlag und Langen-München, begonnen 1909 vzw. 1910) zu verzeichnen sind; daneben 10 Ausgaben einzelner Werke, unter denen wiederum die Wcihnachtsgcschichten (drei verschie dene Ausgaben) an erster Stelle stehen. Von neueren Dichtern ist Oscar Wilde immer »och mit 7 Büchern vertreten, Kipling mit ebensovielen (davon drei Ausgaben von »lllain tail«), Bernard Shaw mit 5; John Galsworthh endlich begann gerade in den letzten zwei Jahren vor dem Kriege weitere Kreise in Deutschland zu interessieren; von ihm erschienen 1913—14 fünf Bücher in deutscher Übersetzung. Betrachte» wir nun die 83 Bücher der drei Kriegsjahre, so müssen wir vor allem den Rückgang der rein literarischen Werke feststcllcn. Ihre Zahl beträgt 17, also knapp 20 » gegenüber 30°/» der Friedensjahre. (Für die französische Literatur hatten wir 50"/» in den Jahren 1913—14 und beinahe 100 in den drei ersten Kriegsjahren.) Dickens' Weihnachtsgeschichten sind wieder mehrfach vertreten, die Gesamtausgabe ist aber ins Stocken ge raten; auch die Fortsetzung der von Georg Müller in München vor dem Kriege begonnenen Thackcrap-Ansgabe wurde erst 1918 wieder ausgenommen. Von Oscar Wilde brachten die drei Jahre immer noch 5 Bücher, von Shaw und Galsworthh je eins; neu aufgelegt wurde H. G. Wells' »Krieg der Welten«, sicher unter dem Eindruck der welthistorischen Ereignisse, denn die Wunder der Kriegstechnik, die wir in diesen Jahren kenne» lernten, er innerten tatsächlich an die ungeheuerlichen Leistungen der Wells- schcn Marsbewohner. Ebenso ist es ohne weiteres begreiflich, daß Conan Doftles Unterseebootgcschichte »IX-m-M!« (»Tagebuch des Kapitän Sirius«) nicht weniger als vier deutsche Übersetzer fand. Sehr bezeichnend ist ferner die Tatsache, daß daneben auch noch eine deutsch« Schulausgabe des Originals erschien! See- und Abenteurerromane habe ich zwölf gezählt, Tier geschichten zwei, katholische Romane drei, mittelmäßige, zweifel hafte und ganz schlechte Unterhaltungsliteratur 11 Bücher. Dann aber kommen nicht weniger als 36 Kriminalromane — über 40"/, der Gesamtzahl der erschienenen Bücher und nur zum Teil noch literarisch zu bewerten. Daß sich unter den 36 Büchern eine große Anzahl von Neuauflagen befindet, ist schon hervor gehoben worden. Die Nachfrage mutz eben sehr groß gewesen sein. Die Betrachtung der englischen Literatur führt uns also zu Ergebnissen ganz anderer Art, als die der französischen. Tie Verschiedenheit erklärt sich aus der Verschiedenheit des literari schen Geschmacks und der ästhetischen Kultur der Gesellschafts kreise, die als Leser in Betracht kommen. Bei oberflächlicher «2t Betrachtung der Dinge müßte man nun eigentlich erwartet ha ben, daß gerade die englischen Bücher viel energischer boykottiert werden würden, als die französischen, denn eben in den Kreisen, für dis diese englischen Bücher vor allem bestimmt waren, war die Erbitterung gegen England besonders groß, und wir wollen uns nicht erst in eine lange Erörterung einlassen, was für kindisch-geschmacklose Formen diese Erbitterung oft annahm. Unter den Lesern französischer Bücher war die Zahl der inter national und pazifistisch Gesinnten unzweifelhaft viel größer. Und doch eine auffällige Verminderung der französischen Bücher, während man die der englischen vielleicht nicht einmal durch den Boykott der feindlichen Literatur, sondern durch äußere Um stände erklären könnte, die auch für die Bücher deutscher Autoren galten. Die deutschen Leser der englischen Bücher waren und sind eben zum größten Teil naive Seelen, die bei einem Buche vor allem das Stoffliche interessiert. Ein Buch literarisch «inzu schätzen, Betrachtungen darüber anzustellen, wie in ihm der nationale Charakter des Verfassers zum Ausdruck kommt, sind sie gar nicht fähig. Sie lesen, weil die spannende Handlung sie fesselt, weil die im Roman vorgeführten Menschen ihnen ge fallen. Daß diese Mensche» Engländer sind, kümmert sie nicht. Sic denken vielleicht im Anfang der Lektüre flüchtig daran, weil die ungewohnten Namen, die sie gar nicht auszusprechen ver stehen, ihnen Schwierigkeiten machen — aber nach den ersten 10—15 Seiten hat man sich daran gewöhnt, und sieht in John und Mary nicht mehr die Engländer, sondern nur die unglück lich oder glücklich Liebenden, deren Geschick man mit lebhafter Anteilnahme verfolgt. 3. über die Bücher italienischer und russischer Her kunft ist nicht viel zu sagen. Das Gesamtbild wird durch sie nicht geändert. Von Schriften neuerer italienischer Autoren erschienen 1913 in deutscher Sprache nur 10, im Jahre darauf 6. An erster Stelle steht dabei — bezeichnend genug — ein Kinder buch! Collodis bekannte Kasperle-Geschichte »üvvcnttn,- >li ttinoceinc,«, durch Otto Julius Bierbaums sehr freie Bearbeitung als »Zäpfel Kerns Abenteuer« bei uns schon seit Jahren be kannt. Ende 1913 brachte der Verlag von Herder in Frei burg eine neue, sich enger an das Original anschließende Bear beitung unter dem Titel »Die Geschichte vom hölzernen Bengele . und in einem Jahre konnte das Buch sieben Auflagen erleben. Gleich nach Collodi kommt d'Annunzio mit drei Werken, es fol gen Carducci, Pascoli, Manzonis »Verlobte« (neue Übersetzung von Alb. Wesselski bei Georg Müller-München), je ein Buch von Grazia Deledda und Salvators Farina, — also durchweg »bessere Literatur«. Mit Kriegsausbruch aber verschwinden die auch so schon sehr spärlich vertretenen Italiener so gut wie ganz. Sehr begreiflich, wenn man bedenkt, daß vor dem Kriege für die Mehrzahl auch der literarisch Interessierten das moderne italienische Schrifttum sich fast ausschließlich in der Person Gabriele d'Annunzios verkörperte — denn Marinetti mit seinem Futurismus nahm man kaum jemals ernst —, und nach der Kriegserklärung Italiens war es für einen deutschen Verleger ebenso unmöglich, ein Buch von d'Annunzio hcrauszubringen. wie eins von Maeterlinck oder Verharren. 1915 und 1916 erschien in deutscher Sprach« je ein aus dem Italienischen übersetztes Werk, 1917 kein einziges. Die beiden Bücher von 1915 und 1916 sind eine Kriminalgeschichte und ein katholischer Tendenzroman. Stärker war bei uns von jeher das Interesse für rus sische Literatur, wenn es auch in den letzten Jahren vor dem Kriege doch schon etwas abzuflauen begann. 1913 erschienen 27 Bücher russischer Autoren aus neuerer Zeit, 1914 immer noch 22. Im allgemeinen gilt von der russischen Literatur das selbe wie von der französische»: ein größeres Interesse für sie zeigten vornehmlich die literarisch Gebildeten, infolgedessen ist die Zahl der ganz minderwertigen Bücher verhältnismäßig sehr gering. Von den 49 Büchern sind es nur 8, deren Über setzung sich ausschließlich durch das Unterhaltungsbcdürfnis des großen Publikums rechtfertigen läßt; die bei Reclam erschie nenen Novellen von Gusjew-Orenburgskh sind kulturhistorisch
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